Eversberg. In Meschede leben 359 Menschen, die älter sind als 90 Jahre. Eine von ihnen ist Oma Trude (91). Wir haben sie in der Corona-Zeit besucht.
„Ihr fröhliches Wesen wird Ihnen helfen“, sagte der Chef damals, als die damals 21-Jährige ankündigte der Liebe wegen von Freiburg im Breisgau ins Sauerland zu ziehen. Das war vor 70 Jahren. Bis heute hat Oma Trude (91) ihren Humor nicht verloren. Auch wenn das Coronavirus sie einschränkt. „Es wäre ja schlimm, wenn man gerade jetzt nicht mehr lachen könnt’“, sagt die Eversbergerin.
Mehr als zwei Monate hat die 91-Jährige nun das Haus nicht verlassen. Nur auf dem Hof dreht sie täglich ihre zehn Rollator-Runden. Hin und her. „Damit ich nicht einrost“, erklärt sie. Der Dialekt aus dem Schwarzwald klingt auch nach 70 Jahren noch durch.
Mit Humor wird alles leichter
Mit ihrer Gehhilfe konnte sich die Rentnerin zunächst gar nicht anfreunden. „Was habe ich mich geschämt, als ich damit im Dorf zwei Frauen begegnet bin, die ich kannte“, erinnert sie sich. Aber auch hier half der Humor: „Ich rief schon von Weitem: Geht besser auf die Seit’, ich leg’ jetzt den schnellen Gang ein. Ich weiß nicht, ob ich bremsen kann.“ Alle drei mussten lachen. „Dann war’s nicht mehr so schlimm.“
Rummicup-Runden fallen aus
Wenn Corona nicht wär, würde Oma Trude jeden Tag ihre Freundin im Dorf besuchen. Das machen sie schon seit vielen Jahren so. Gemeinsam spielen die Damen dann Rummicup. Genau anderthalb Stunden. Dann geht’s wieder heim. „Das fehlt mir sehr“, gesteht sie. Am Telefon, das sei einfach nicht das Gleiche. Obwohl Oma Trude gern telefoniert. So hält sie Kontakt zu den drei Kindern, fünf Enkeln und fünf Ur-Enkeln. Oma Trude weiß immer genau Bescheid, wer gerade was macht, und welche verrückte Haarfarbe die Enkeltochter nun wieder ausprobiert.
Wenn man Oma Trude nach ihrem Alter fragt, nennt sie nicht ihr aktuelles Alter, sondern sagt: Ich werde im Juli 92. Viele ältere Menschen handhaben das so. Es betont eben auch die Leistung. Zweiundneunzig. Und Oma Trude ist fit. „Ich bin nicht krank, ich bin nur alt“, sagt sie und lacht ihr fröhliches Lachen, das sie aus dem Breisgau mitgebracht hat.
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Vorratshaltung leicht gemacht, erklärt von Oma Trude
„Wenn ich etwas krieg’, mach’ ich allen nur Arbeit“, erklärt die 91-Jährige entschieden. Deshalb tut sie alles dafür, damit sie nichts kriegt und bleibt zu Hause. Verlässt das Haus eben nur für ihre Hofrunden. Um die Einkäufe kümmern sich beispielsweise Tochter und Schwiegertochter. Sie halten Abstand und tragen Handschuhe. Und die Türgriffe werden regelmäßig desinfiziert. „Nach dem Krieg gab es die Krätze. Das war sehr ansteckend. Wir mussten unsere Kleidung regelmäßig kochen. Aber sowas, wie dieses Virus, habe ich noch nicht erlebt. Man sieht es ja nicht. Das ist unheimlich“, sagt die 91-Jährige.
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Vernünftige Vorratshaltung – erklärt von Oma Trude
Von Hamsterkäufen hält Oma Trude übrigens gar nichts. Von einer vernünftigen Vorratshaltung hingegen sehr viel. „Wenn ich ein neues Paket Mehl öffne, schreibe ich Mehl auf den Einkaufszettel. So habe ich immer eins in Reserve“, erklärt sie. Montags überlegt die 91-Jährige, was sie in der Woche kochen möchte und friert Mahlzeiten portionsweise ein. „Das mache ich auch mit dem Kuchen“, erzählt sie. Denn nachmittags zum Kaffee gehört doch meist etwas Süßes.
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Tochter und Schwiegertochter erledigen die Einkäufe im Dorfladen. Denn „bei Droegen“ weiß man genau, welchen Pudding Oma Trude mag und ob sie das Brot lieber geschnitten oder am Stück möchte.
Jeden Morgen klopft die Nachbarin nach ihrem Spaziergang mit ihrem Stock ans Küchenfenster. Immer zur gleichen Zeit. Oma Trude hat dann schon die Tasse Kaffee parat und öffnet das Fenster für ein kurzes Gespräch. Wenn es mal nicht klopfen sollte oder niemand öffnet, wüsste der jeweils andere, dass etwas nicht stimmt.
Viele Grüße aus dem Küchenfenster zur Welt
Von ihrem „Küchenfenster zur Welt“, so hat es die Enkelin neulich genannt, hat Oma Trude das Viertel im Blick. Sie ist kein Wachhund, eher eine liebevolle Beobachterin. Sie sieht, wie die Enkel der Nachbarn aufwachsen, hört zu, wenn Helmut vor der Tür Saxophon spielt oder Gerhard von nebenan „Unter den Linden“ anstimmt. Meistens ist es auch Oma Trude, die als letztes ihr Licht in der Straße löscht. Denn: „Einer muss ja aufpassen.“
359 Menschen in Meschede sind älter als 90 Jahre
- Die Eversberger Pfadfinder haben in der Coronazeit Kontakt zu den älteren Bewohnern im Dorf aufgenommen. Zu Ostern stellen sie ihnen zum Beispiel gebastelte Kleinigkeiten und Karten vor die Tür. So sind bereits ein paar Brieffreundschaften entstanden.
- In Meschede leben 350 Menschen, die zwischen 90 und 100 Jahre alt sind.
- Neun Einwohner sind sogar älter als 100 Jahre.
- Laut Mescheder Einwohnermeldeamt waren im vergangenen April insgesamt 30.094 Menschen mit Erstwohnsitz in Meschede gemeldet.