Meschede. Corona-Ansatz adé. Mit Mundschutz und unter verschärften Hygieneregeln beim Friseur. Ein Erfahrungsbericht aus Meschede.

„Oh.“ Ein Wort. Mehr nicht. Meine Friseurin Cigdem Saat ist beim Anblick meines Haaransatzes schonungslos. Ihr breites Grinsen erkenne ich trotz Maske, die ihr halbes Gesicht bedeckt. Mitte Februar war ich das letzte Mal im Salon. Also vor fast drei Monaten. Eventuell sind in Corona-Zeit ein, zwei, hundert graue Haare dazu gekommen...

Corona-Ansatz adé. Ein Friseurbesuch unter ungewohnten Bedingungen.
Corona-Ansatz adé. Ein Friseurbesuch unter ungewohnten Bedingungen. © Ilka Trudewind

Gut, ich hatte mit Cigdems Reaktion gerechnet, sie sozusagen provoziert. Zu Hause hatte ich nämlich extra einen strengen Scheitel gezogen, um das (Obacht!) GRAUen zu offenbaren. Netterweise hatte mir Cigdem gleich in der ersten Woche der Öffnung einen Termin frei gehalten. Einen Termin, der sich wieder wie Alltag anfühlen sollte, aber zu einem Beispiel unserer neuen Realität wurde.

Ein Mensch, den man gern drückt

Cigdem gehört zu den Menschen, die man gern drückt, und die gern drücken. Heute wird nicht gedrückt. Wir zücken unsere Masken. Ihre ist schwarz, meine blau. Wir sehen unheimlich kriminell aus. „Hairkiller“ – der Name des Salons passte nie besser. Im Laden stehen Wegweiser, Hinweisschilder, Desinfektionsspray. Ich sprühe meine Hände ein und nehme Platz. Der Stuhl neben mir bleibt frei. Abstand.

Fünf Wochen geschlossen

Wir besprechen die Frisur, die sich von selbst erklärt: Ansatz (!) tönen. Mähne schneiden. Sie fragt, was ich in den letzten Wochen so erlebt habe. Ich sage: „Nicht so viel.“ Sie nickt. „Ja, so ist es bei mir auch.“ Und trotzdem reden wir die ganze Zeit. Über dieses „Nicht-so-viel“, Stadtklatsch und Menschen, die doch besser immer Maske tragen sollten. Wir machen Witze über Michael Jackson und die Vermummung und lachen viel. Bis irgendwann die Luft knapp wird. Hinter diesem Mundschutz. Ich werde und will mich daran nicht gewöhnen. Cigdem auch nicht – und sie gehört zu den vielen Menschen, die ihn täglich tragen müssen. „Glaube mir, jedes Mal, wenn vor die Tür gehe und die Maske abnehme, kommt es mir wie eine Befreiung vor“, sagt sie.

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Als Cigdem die Farbe aufträgt, muss ich die Maske abnehmen und vor das Gesicht halten, damit jedes graues Haar seine Farbe abkriegt. „Am besten bringt man eine Einwegmaske mit, weil die Gummibänder schmutzig werden können“, erklärt sie. Auch während die Kur einwirkt, darf ich die Maske abnehmen, weil niemand in meiner Nähe ist. Durchatmen.

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Die Kundin zwei Sitze neben mir sagt mehrfach: „Jetzt wird den Leuten mal bewusst, wie wichtig der Friseur ist.“ Fünf Wochen war der Salon geschlossen. Der Chef hatte für die Kolleginnen und den Kollegen Kurzarbeit angemeldet. „Ich bin froh, dass es jetzt weitergeht“, ist Cigdem erleichtert. Auch wenn nach dem ersten Tag die Arme und Füße schmerzten. Ungewohnte Belastung. So lang hatte die Friseurin noch nie ihre Schere aus der Hand gelegt.

Alles wird gut

Zum Schluss sagt Cigdem noch etwas, das ich genauso unterschreiben würde: „Ich habe in diesen Wochen definitiv gelernt, Dinge wertzuschätzen, die sonst selbstverständlich sind.“ Geld gehöre nicht dazu. „Weißt Du Ilka, am Ende wird alles gut.“

Und wenn nicht, hab’ ich wenigstens die Haare schön.