Meschede. Vordergründig scheint das Handwerk von der Corona-Krise kaum betroffen. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Das stimmt so nicht.
Das Handwerk scheint vordergründig nicht von der Corona-Krise betroffen. Doch wenn man genau hinschaut, gibt es eben doch viele Auswirkungen. Welche, erläutert Jochem Hunecke, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Hochsauerland. Diese vertritt 1350 Handwerksbetriebe im HSK.
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Kurzarbeit im Handwerk? Ist das zurzeit ein Thema?
Jochem Hunecke: Belastbare Zahlen dazu haben wir nicht. Aber es haben sich zumindest viele bei uns darüber informiert, wie sie Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiter beantragen können. Und wenn man vielleicht auch vordergründig denkt, im Handwerk können Maler, Elektriker und Bäcker ja weiter arbeiten, sind sie doch von der Krise betroffen, sobald man genauer hinschaut.
Nennen Sie uns Beispiele?
Nehmen Sie die Friseure, die wurden von Hundert auf Null ausgebremst. Ein Sauerländer Tischlerbetrieb, der hochwertige Möbel herstellt, ist angewiesen auf ein Untergestell aus Italien, das nicht ankommt und ein Handwerksbetrieb, der vor allem für die Nahrungsmittelbranche tätig ist, darf im Moment dort nicht ins Werk. Ich weiß auch von einem Landmaschinen-Mechaniker, der dringend auf Ersatzteile für Traktoren aus Italien wartet. Und unsere Kfz-Fachbetriebe sind darauf angewiesen, Autos nicht nur zu reparieren, sondern auch zu verkaufen. Sie dürfen aber keine Menschen in ihre Ausstellung lassen. Das sind nur die Beispiele, die uns bei der Kreishandwerkerschaft zu Ohren gekommen sind. Es gibt sicher viel mehr.
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Bäcker und Fleischer dürfen aber arbeiten.
Ja, aber auch da sind Einnahmen massiv weggebrochen. Viele Bäcker haben Cafés und beliefern Hotels und Pensionen, Fleischereien haben sich das Catering als zweites Standbein aufgebaut. All‘ das fällt weg. Und es ist bisher einfach nicht klar, wie es sich noch weiter entwickelt.
Das Handwerk braucht eine Perspektive?
Ja, wie wir alle. Und das zwar möglichst schnell.
Wie reagieren die Betriebe auf die Krise?
Verantwortungsvoll und besonders flexibel, wie ich finde. Fast alle Betriebe des Nahrungsmittelhandwerks arbeiten mit Mundschutz und Abstandswänden. Größere Firmen teilen ihre Mitarbeiter in Teams und Schichten auf, so dass möglichst nicht alle gleichzeitig ausfallen, falls einer erkrankt.
Und die Kunden?
Es gibt weiterhin unaufschiebbare Reparaturen. Wenn die Heizung ausfällt oder bei einem undichten Dach, wird niemand warten wollen, bis die Krise vorbei ist. Aber unsere Handwerksbetriebe erleben auch, dass Menschen zurzeit sehr ängstlich sind und niemanden ins Haus lassen wollen. Verschiebbare Arbeiten, werden dann schon mal abgesagt, selbst wenn klar ist, dass alle Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. Das Schlimmste ist, dass die Menschen zutiefst verunsichert sind. Und sie entscheiden sich nicht für ein neues Badezimmer oder einen Autokauf in einer solchen Krise. Ganz abgesehen davon, dass viele Menschen, Kunden und Handwerker, zurzeit existenzielle Sorgen haben.
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Und viele Fragen.
Ja, was ist zum Beispiel, wenn jemand aus meinem Team erkrankt, muss ich dann den ganzen Betrieb in Quarantäne schicken? Und wer zahlt dann eigentlich was?
Hat die Coronakrise auch Auswirkungen auf die Einstellung von Auszubildenden?
Auch das können wir erst sicher sagen, wenn wir die Verträge vorliegen haben – im August. Aber ich denke nicht. Denn wer einen Ausbildungsplatz für August 2020 haben wollte, hat sich schon vor März darum gekümmert. Und wer jetzt noch sucht, kann ja auch mit dem zuständigen Meister trotz Corona ein Gespräch führen.
Vor der Krise haben wir uns über die Bürokratie und die Bon-Pflicht aufgeregt. Alles zurzeit kein Thema?
Man macht immer das, was gerade ansteht. Bürokratie oder Bon-Pflicht kommen da erst später. Aber ich bin sicher, dass uns die Themen wieder einholen werden. Da bleiben wir dran.
Was muss passieren?
Wir brauchen dringend eine Lockerung der Maßnahmen, um allen Menschen eine Perspektive zu geben. Im Moment sieht es ja so aus, als wenn wir die Zahlen der Neuerkrankten einigermaßen im Griff hätten. Das macht ja schon mal Hoffnung. Und ansonsten müssen wir meiner Meinung nach testen, testen, testen und auf ein Medikament oder noch besser einen Impfstoff hoffen.