Meschede. Das „Haus der Handarbeit“ in der Gutenbergstraße hat eine lange Geschichte. Gisela Kath war die letzte Chefin. Sie heilte selbst Schmusetiere.

Als Gisela Kath im Mescheder „Haus der Handarbeit“ anfing, da haben ihr Vertreter geraten, die Einrichtung zu modernisieren. „Das muss alles durchsichtig sein! Sie brauchen Acryl!“, hieß es damals. Sie war dagegen. Zuletzt schwärmten alle von der heimeligen Atmosphäre im Ladenlokal, das seine Einrichtung in 70 Jahren nicht groß verändert hat. Doch jetzt ist Schluss. Am 5. März beginnt der Räumungsverkauf.

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Gelernte Stickerin: Christa Schulte

Gisela Kath war mit ihren Mitarbeiterinnen 17 Jahre das Gesicht und die Seele des Mescheder Geschäfts. Vor allem Christa Schulte gehörte von Anfang an dazu. Die 69-Jährige hatte 1965 noch den Beruf der Stickerin in der Gutenbergstraße gelernt. Von ihren Kenntnissen profitierte auch der Laden. „Christa kann Dinge, die sonst niemand kann“, lobt ihre Chefin. Tauf-Tücher besticken zum Beispiel. Das sind Taschentücher, die um eine Kerze gelegt werden - bei der Taufe, dann wieder bei der Kommunion und später bei der Hochzeit. Erst stickte Christa Schulte den Namen und später jedes neue Datum ein. Das gleiche für Taufkleider. „Da gibt es welche, die seit vielen Generationen in der Familie weitergegeben werden.“ Jedes Kind wurde verewigt.

Schmusetiere repariert

Mit viel Liebe reparierte Gisela Kath auch Schmusetiere. Mit einem Lächeln erzählt sie von der Begegnung mit einem kleinen Rotschopf. Der stand eines Tages mit festem Schritt im Laden, schloss artig die Tür und erklärte, er wolle gern Frau Dr. Kath sprechen. Dann zeigte er ihr sein Schmusetier: „Können Sie es heil machen?“ Gisela Kath konnte. Doch das Tier musste stationär für zwei Tage aufgenommen werden.

Mit viel Liebe wurden im Haus der Handarbeit auch Kuscheltiere repariert. Auch Mäxchen wartet noch auf seine Not-OP.
Mit viel Liebe wurden im Haus der Handarbeit auch Kuscheltiere repariert. Auch Mäxchen wartet noch auf seine Not-OP. © Ute Tolksdorf

Auch Lieblingspullis - meist hochwertige Stücke - wurden in ihrer Stopfwerkstatt kunstvoll repariert. Eigentlich nicht zu bezahlen. „Aber es machte einfach Spaß“, sagt die 61-jährige „und es machte stolz, wenn es dann gut gelungen war.“

Fünf Lehrlinge ausgebildet

In den 17 Jahren hat die Meschederin als Kooperationspartnerin des Kolpingbildungswerks auch fünf Lehrlinge zu Verkäuferinnen ausgebildet. „Aus allen ist etwas geworden“, freut sie sich. Dabei war sie meist mehr als Ausbilderin, auch Seelentröster und Erzieherin. „Eine Laden-Mama eben“, sagt sie selbst. „Bis heute schauen sie regelmäßig vorbei. Auch ihre eigenen Kinder seien quasi im Geschäft groß geworden, hätten dort Hausaufgaben gemacht, mittags zusammen gegessen. „Für alle war das der Anlaufpunkt.“

Ausweitung des Sortiments in Meschede

Schon mit dem Start 2004 hatte Gisela Kath das Sortiment ausgeweitet. Kurzwaren, Schnittmuster und die Schneiderarbeiten hinzugenommen, eine Bücherecke eingerichtet. Sie bot Strick - und Nähkurse an und profitierte von den treuen Kunden, aber auch von Trends. Der erste kam mit dem Brasilia-Garn. „Ich konnte nirgendwo mehr hingehen, überall sah ich einen dieser flauschigen Schals“, erzählt sie und lacht. Und dann die Boshi-Mützen. Häkelmützen, schnell gemacht, mit peppigen Farben, ein Hingucker. Da begannen selbst Jungs zu häkeln. „Ansonsten haben wir ja hier zu 90 Prozent mit Frauen zu tun.“

 Die Ladeneinrichtung ist noch aus den Anfängen des Geschäfts nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Ladeneinrichtung ist noch aus den Anfängen des Geschäfts nach dem Zweiten Weltkrieg. © Ute Tolksdorf

2010 vergrößerte sie ihr Sortiment, nahm das angrenzende, zweite Ladenlokal für das Stofflager dazu. Kunden holten sich Tipps und Tricks für die Handarbeit bei ihr und ihren Mitarbeiterinnen. „Es gab Kundinnen, die haben ganze Tage hier verbracht.“ Bis die Handarbeit eben fertig war.

Internet-Konkurrenz ist nur ein Grund

Das aufkommende Internet veränderte auch ihre Branche, aber das sei nicht der Grund, warum sie nun aufhört. „Alles hat seine Zeit“, sagt sie. Sie sei jetzt Oma geworden, freue sich auf einen neuen Lebensabschnitt, auf ihr Haus und ihren Garten, darauf, dass nicht mehr die Ladenöffnungszeiten ihr Leben bestimmen. In einer Schneiderwerkstatt will sie im Hintergrund weiter aushelfen, aber alle Verantwortung abgeben. „Nachdem ich mein Hobby zum Beruf gemacht hatte, hatte ich kein Hobby mehr“, sagt sie. „Das kann es jetzt wieder werden“, sagt sie und dankt gleichzeitig allen Kunden, die ihr über die Jahre die Treue gehalten haben. Ihr Fazit ist trotz aller Wehmut positiv: „Es waren tolle Jahre und ich möchte keinen Tag davon missen.“

>>>HINTERGRUND

Das „Haus der Handarbeit“ in der Gutenbergstraße hat eine lange Geschichte als Handarbeitsgeschäft. Auch die Inneneinrichtung spiegelt das bis heute mit tiefen Regalen und Schubfächern wider. Es war immer als solches konzipiert.

Theresia Schauerte hatte das Geschäft nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet. Bei ihr lernte auch noch Christa Schulte den Beruf der Stickerin.

Als sie 1972 starb, übernahm Frau Goesmann das Geschäft kommissarisch.

Es folgte Mechthild Calvi, bevor Gisela Kath es 2004 von ihr übernahm.

Ende Juni endet der Mietvertrag. Einen Nachfolger gibt es nicht