Bestwig. Was macht „Mias Lippenherpes“? Und gibt es die Splittergruppe noch? Kabarettistin Frieda Braun kommt mit ihrem neuem Programm nach Bestwig.
Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Duisburg, aber auch Dorlar, Usseln, Brilon oder Frankenberg. „Frieda Braun“ kommt weit herum. Die knarzig, schrullige Dame ist das Alter-Ego der Winterberger Kabarettistin Karin Berkenkopf. Am 24. bzw. 25. April steht sie zum Beispiel gleich zweimal in Bestwig auf der Bühne und beide Termine im Bürger- und Rathaus sind ausverkauft. An diesen Abenden feiert ihr neues Programm Premiere. Es heißt „Jetzt oder nie“. Was es mit „Mias Lippenherpes“ oder dem Plastikmüll auf sich hat, verrät sie im Interview.
Innere Monster und Lippenherpes
Worum geht es in Deinem neuen Programm. Und mal ganz ehrlich: Ist es überhaupt schon fertig?
Trotz aller guten Vorsätze: Auch dieses Programm – mein zehntes in 23 Jahren – entsteht leider wieder auf die letzte Minute. Je höher Zeitdruck und Stress, umso produktiver werde ich. Die Themen stehen derzeit noch nicht fest. Sicher sind drei Dinge: Der personifizierte Lippenherpes von „unserm Mia“ kommt beim Publikum so gut an, dass ich ihm mehr Platz einräumen werde. Neben dem Herpes wird es ein weiteres „inneres Monster“ geben: wahrscheinlich das schlechte Gewissen - ein rühriger Zeitgenosse. Und das Thema „Plastikmüll“ bewegt uns alle – das muss auf jeden Fall ins Programm.
Hättest Du Dir anfangs gedacht, dass die Rolle der Frieda einmal ein so großes Publikum bundesweit erreichen würde?
Anfangs nicht. Aber irgendwann wurde mir klar, dass Frieda bundesweit Fans finden kann. Von da ab habe ich gezielt auf Begriffe verzichtet, deren Bedeutung nur uns Eingeborenen bekannt ist. Zum, Beispiel das Wort „Buiterling“. Frieda spricht weder Platt noch Dialekt; ihre Sprache hat eine sauerländische Färbung, mehr aber auch nicht. Deshalb wird sie im kompletten deutschsprachigen Raum verstanden.
Abgerückte Blickwinkel
Was ist Deiner Meinung nach das Erfolgsrezept dieser Figur, die Du ja auch ständig weiter entwickelt hast?
Frieda sieht das Leben oft aus einem sehr abgerückten Blickwinkel. Deshalb kann sie die Dinge naiv und gleichzeitig anschaulich darstellen. Das lieben die Fans.
Kannst Du privat noch problemlos Karin Berkenkopf sein oder gibt es ständig Leute, die sagen: Ich hab da was, das wär was für Dein Programm.
Ich kann zum Glück noch ziemlich problemlos Karin Berkenkopf sein.
Wie durchkomponiert ist Dein Bühnenprogramm, wie genau schaust Du Dir/schaut ihr euch das vorher an (auf Video oder so) und wie schwer ist es, vom eigenen Lebenspartner - Joseph Collard ist selbst Künstler – Kritik anzunehmen?
Die Geschichten entwickeln wir zum Teil gemeinsam. Das Schreiben übernehme ich alleine. Wenn der Text steht, wird der Aufritt geprobt; das machen wir wieder zusammen. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, manchmal fliegen die Fetzen. Aber die Erfahrung zeigt: Kritik von Joseph anzunehmen, lohnt sich. Er zählt zu den weltbesten Bühnenkünstlern, wenn es um visuelle Darstellung geht. Ich habe sehr viel von ihm gelernt.
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Gehörtes und Gesehenes
Wo fallen Dir Deine Ideen für die Geschichten ein?
Manchmal bringt mich Gehörtes oder Gesehenes spontan auf eine Idee. Das kann im Zug sein, im Geschäft oder beim Frühstück im Hotel. Wichtig ist dann, dass diese Ideen sofort notiert werden, sonst sind sie schnell vergessen. Oft muss ich mir die Ideen aber auch mühsam – am Schreibtisch oder im Gespräch mit Joseph - erkämpfen. Danach geht die eigentliche Arbeit los: Ist die Idee tragfähig, kann sich daraus eine Geschichte entwickeln? Und wenn ja: Wie baue ich die Nummer auf, wie formuliere ich? Das Schreiben und Entwickeln von 100 Minuten Programm ist penible Fleißarbeit, die im stillen Kämmerchen stattfindet.
Wie wichtig ist es für Dich, in Winterberg zu leben. Bist Du dort geerdet oder könntest Du auch überall in der Welt Deine Zelte aufschlagen?
Viele Künstler können nur in großen Städten wie Berlin oder Köln kreativ arbeiten. Bei mir ist es umgekehrt: Ich finde das vertraute und gleichzeitig von Touristen geprägte Klima meiner Heimat inspirierender als die Hektik und Enge der Großstadt. Ich lebe sehr gerne in Winterberg und habe hier einen wunderbaren und großen Freundeskreis.
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Unfreiwillig komisch
Gab es einmal bei einem Auftritt eine unfreiwillig komische Situation?
Vor einigen Monaten fiel bei einem Auftritt zu Beginn der zweiten Programmhälfte der Ton komplett aus. Der Saal war sehr groß, so dass ohne Mikro nichts auszurichten war. Hätte ich von Joseph nicht so viel pantomimisches und clowneskes Grundwissen, hätte ich wohl einfach die Bühne verlassen und es hätte gezwungenermaßen eine verlängerte Pause ohne Unterhaltungsfaktor gegeben. So aber habe ich die 15 Minuten fast lückenlos ohne Sprache animiert und überbrückt. Das Publikum liebt solche Zwischenfälle natürlich und verfolgt gespannt, was man sich oben auf der Bühne einfallen lässt. Unterm Strich hat der Abend durch die Panne gewonnen, denn durch Unvorhergesehenes entsteht jede Menge Situationskomik.
Kennen Kabarettisten/innen ein Konkurrenzdenken untereinander?
Dank der Ladies Night (ARD, WDR) und der Tourneen von Gerburg Jahnke kennen wir Kabarettistinnen uns untereinander gut. Wenn wir uns treffen, ist die Atmosphäre sehr freundschaftlich und nicht von Konkurrenzdenken vergiftet. Es ist vielmehr ein kollegialer Erfahrungsaustausch, der für uns alle wichtig ist und uns weiterbringt. Dass in den letzten Jahren immer mehr Frauen auf die Kabarettbühnen (lange Zeit reine Männerdomänen) eingeladen werden, haben wir zu einem großen Teil dem WDR und Gerburg Jahnke zu verdanken.
Darum Premiere in Bestwig
Gibt es Gags, die nur im Sauerland zünden?
Ja, das sind die lokalen Gags. Die nehme ich immer gerne auf, aber sie werden von vornherein so angelegt, dass sie übertragbar sind. So gibt es zum Beispiel fast in jeder Stadt die sogenannten ewigen Baustellen. Wenn ich die jeweils namentlich benenne, hat das Programm auch in Hamburg, Berlin oder Köln einen lokalen Bezug.
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Deine Programm-Premiere feierst Du eigentlich immer in Bestwig. Gibt es da einen besonderen Bezug?
In Bestwig hatte ich damals einen meiner ersten Auftritte. Das Team, das Publikum, die Bühne - da stimmt einfach alles. Und in Sachen Kabarett hat sich Bestwig einen richtig guten Namen gemacht. Dort bin ich immer sehr gerne.