Nuttlar. Der Borkenkäfer ist mit seinem vernichtenden Werk längst noch nicht am Ende. Über eine erschreckende Rundfahrt durch Bestwigs Wälder.

Der Wind pfeift gewaltig auf dem Suhrenberg in Nuttlar. Während sich links und rechts gesunde Fichten im Wind wiegen, geht Revierförster Michael Eilinghoff schnurstracks auf sein Ziel zu: ein Käferloch mitten im Wald. Käferloch - so nennen er und seine Kollegen, die Flächen, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind. Flächen, auf denen massenweise Bäume gefällt werden mussten, weil der nur wenige Millimeter große Schädling hier sein tödliches Werk vollbracht hat.

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„Allein auf den 35 Hektar dieses privaten Waldstücks, haben wir im vergangenen Jahr 1000 Festmeter Schadholz fällen müssen“, sagt Eilinghoff. Während er sich gemeinsam mit Günter Kathol, dem Vorsitzenden der Forstbetriebsgemeinschaft Bestwig (FBG), weiter den Berg hochkämpft, liefert er zur Einordnung eine weitere Zahl: „In einem normalen Jahr wären hier 250 Festmeter geschlagen worden - wir reden also von der vierfachen Menge an Holz, die durch den Käfer angefallen ist.“

Martin Wiese, Waldbesitzer aus Nuttlar und ebenfalls im Vorstand der FBG sowie Waldbesitzer und FBG-Mitglied Franz-Josef Bathen schocken solche Zahlen inzwischen nicht mehr. Zu oft haben sie sie gehört. Und dennoch schmerzt ein solcher Anblick jedes Mal aufs Neue.

Das Schlimme: Schon jetzt steht fest, dass es in diesem Bereich nicht bei dem ein Hektar großen Käferloch bleiben wird. „Dort ist schon der nächste Befall sichtbar“, sagt Eilinghoff und zeigt auf eine Fichte, die zwar noch eine grüne Krone hat, deren Rinde aber bereits deutlich angegriffen ist.

Eine enorme Belastung

2019 sei ein schlimmes Jahr gewesen, sagt der Förster. Und er gehe davon aus, dass 2020 mindestens genauso schlimm, eher sogar noch schlimmer werde. „Aktuell überwintern die Borkenkäfer-Massen unter der Rinde der Bäume oder im Bodenstreu“, weiß Eilinghoff. Und er weiß auch: Ab einer Temperatur von 16,5 Grad werden sie wieder fliegen, ihr vernichtendes Werk weiter vorantreiben und sich weiter vermehren.

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Für einen Laien sei das Ausmaß des Borkenkäfers auf die Forstwirtschaft kaum vorstellbar, sagt Günter Kathol. Auch er nennt Zahlen und Fakten: „Vor dieser Katastrophe gab es rund 85 Euro pro Kubikmeter Fichtenstammholz. Inzwischen ist der Preis auf 50 bis 40 Euro gesunken.“ Zum einen, weil es enorme Holzmassen seien die durch den Borkenkäfer aktuell auf dem Markt sind. Zum anderen aber auch, weil durch den Befall die Qualität des Holzes leide - etwa durch Verfärbungen oder durch den Holzbock, der nach dem Borkenkäfer weitere Schäden anrichte. Hinzu komme, dass die Sägewerke der Region die anfallenden Holzmassen gar nicht bewältigen könnten. Das sei auch der Grund dafür, dass befallenes Holz so lange in den Wäldern liege. „Und von der enormen Belastung der Förster ganz zu schweigen“, schiebt Kathol hinterher.

Trockene Böden

Auf der Weiterfahrt zum Schlöthenrundweg in Nuttlar matscht der nasse Waldweg unter den Reifen von Kathols Geländewagen. „Von mir aus kann es bis Ende März durchregnen“, sagt er und meint das völlig ernst. Denn: Ohne Regen und die Feuchtigkeit im Boden ist der Borkenkäfer-Problematik kaum bis gar nicht beizukommen. Helfen kann sich die Fichte im Prinzip nur selbst, indem sie den Borkenkäfer ausharzt. Weil die vergangenen beiden Sommer aber zu trocken waren, können die Fichten keinen Harz produzieren und sind damit wehrlos.

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In Spitzenzeiten, so sagt Revierförster Michael Eilinghoff sei der Boden bis auf eine Tiefe von 1,80 Meter ausgetrocknet gewesen. Nach den vielen Regenfällen der vergangenen Wochen sei der Boden aktuell zwar bis zu einer Tiefe von rund 70 Zentimetern wieder feucht. Aber auch das reiche nicht. Helfen könnten durchaus auch massive Fröste von minus 15 bis minus 20 Grad, die für den Borkenkäfer tödlich wären. „Aber wann haben wir das mal“, ergänzt Kathol.

Ein Gifteinsatz gegen den Borkenkäfer kommt nur begrenzt in Frage, betont der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft ausdrücklich. Begiftet werden könnten höchstens die aufgeschichteten Polter am Rand der Wälder aber auch das habe nur eine begrenzte Wirkung, weil man damit die inneren Stämme kaum erreiche.

Schwer zu bewältigen

Ankunft am Schlöthenrundweg. Auch hier ist das Werk des Borkenkäfers deutlich sichtbar. Gewütet hat er auf einer Fläche, die nicht zur Forstbetriebsgemeinschaft Bestwig gehört. Die befallenen Bäume stehen allesamt noch im Wald. Rund 1000 Festmeter dürften es laut Förster Michael Eilinghoff wohl sein. Auch hier ist bereits klar: Wenn der Borkenkäfer wieder fliegt, wird er weiter machen - direkt auf der angrenzenden Fläche, die zur Forstbetriebsgemeinschaft Bestwig gehört. Dass die befallenen Bäume noch im Wald stehen, kann und will dem Eigentümer des Waldstücks hier niemand zum Vorwurf machen. Bei dem Gesamtausmaß des Schadens sei es gar nicht machbar, das befallene Holz in kurzer Zeit aufzuarbeiten.

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Erschütternd deutlich wird das ganze Ausmaß nach einer erneuten Weiterfahrt durch den Wald. Kathols und Eilinghoffs Wagen stoppen genau an der Grenze zum Gebiet der Stadt Rüthen. Ihre Windschutzscheiben geben den Blick auf eine 12 Hektar große Kahlfläche frei. Hier steht keine einzige Fichte mehr. Der Anblick untermauert genau das was, Revierförster Michael Eilinghoff zuvor bereits betont hat: „Aktuell ist der Nachbarkreis noch deutlich stärker betroffen als wir. Im Kreis Soest ist die Fichte durch den Borkenkäfer quasi komplett verschwunden.“

Befürchtungen und Hoffnungen

Und es stehe zu befürchten, dass es innerhalb der Forstbetriebsgemeinschaft mit ihren Revieren Valmetal und Bestwig ähnlich kommen werde. Eilinghoffs Aufgabe wird es in der nächsten Zeit sein, die Randbereiche des angrenzenden Waldstücks zu beobachten, das in seinem Zuständigkeitsbereich liegt - immer verbunden mit der Hoffnung auf einen nassen und regenreichen Sommer. Schon jetzt ist klar: Die Folgen des Borkenkäfers inklusive Wiederaufforstung werden seine Arbeit und die seiner Kolleginnen und Kollegen mindestens noch drei bis fünf Jahre bestimmen. Ende offen!

  • Die Forstbetriebsgemeinschaft Bestwig hat 254 Mitglieder, deren Waldbesitz insgesamt 3264 Hektar beträgt. Bis auf wenige Ausnahmen, und das sind einige größere Privatwaldeigentümer, ist das der gesamte Wald in der Gemeinde Bestwig. Die Spannweite der FBG-Mitglieder-Besitzes liegt zwischen, 0,05 und 238 Hektar. Im Schnitt sind das 12,85 Hektar pro Waldbesitzer. Die Menge an Schadholz, die durch den Borkenkäfer auf den Flächen der Forstbetriebsgemeinschaft Bestwig im Jahr 2019 angefallen ist beträgt 36.000 Festmeter.
  • V on den 36.000 Festmetern Schadholz entfallen 21.000 auf das Revier Bestwig und 15.000 auf das Revier Valmetal.
  • Weil die Holzindustrie deutschlandweit nicht in der Lage ist, die riesigen Schadholz-Massen aufzuarbeiten werden große Mengen nach China exportiert. Hier bringt der Kubikmeter im Schnitt zwar nur 40 Euro ein - ansonsten aber würde das Holz im Wald verrotten.
  • Die Käferlöcher innerhalb der Forstbetriebsgemeinschaft Bestwig sollen wieder aufgeforstet werden - allerdings nicht ausschließlich mit Fichten, sondern u.a. mit Douglasien, Weißtannen und Buchen. Sie werden vom Borkenkäfer zwar nicht angeflogen, vor allem die Weißtanne aber muss nach ihrer Pflanzung geschützt werden, weil sie zur Leibspeise des Rehwildes gehört. Das geschieht in der Regel durch kleine Zäune - und eher seltener durch den Einsatz von Chemie.