Meschede. Neues nach dem gescheiterten Abschiebeversuch in Meschede: Kurde will sich weiter wehren. Seine Frau ist erneut schwanger.

Die Stadt Meschede geht mit Leistungskürzungen gegen die kurdische Familie vor, die sich ihrer Abschiebung widersetzt. Betroffen davon sind die Eltern, Kinder können nicht sanktioniert werden.

Die Leistungskürzungen gelten bereits seit längerer Zeit, so Bürgermeister Christoph Weber auf Anfrage: Seitdem bekannt ist, dass die Familie nicht ihrer Pflicht nachkommt, bei der Beschaffung der erforderlichen Papiere mitzuwirken. Nähere Details darf die Stadt mit Blick auf den Datenschutz nicht mitteilen. Auch Henning Severin, stellvertretender Pressesprecher im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf, bestätigt: „Das Verhalten der Familie wurde unter anderem auch durch rechtlich mögliche Leistungskürzungen leistungsrechtlich sanktioniert.“

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Erfolgreicher Widerstand

Wie berichtet, verhindern die Eltern ihre Abschiebung in die Türkei, weil sie sich weigern, für zwei ihrer vier Kinder türkische Papiere zu beantragen. Ohne Papiere kann aber niemand aus Deutschland abgeschoben werden. Der Versuch der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises, den Vater dennoch abzuschieben, misslang. Die Eltern waren 2015 mit gefälschten syrischen Papieren als angebliche Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland eingereist und hatten Asyl beantragt.

Vor dem Kreishaus in Meschede ist der Kurde wieder freigelassen worden, nachdem er sich gegen die Abschiebung gewehrt hatte.
Vor dem Kreishaus in Meschede ist der Kurde wieder freigelassen worden, nachdem er sich gegen die Abschiebung gewehrt hatte. © Jürgen Kortmann

Vergangenen Montag weigerte sich der Vater am Flughafen in Düsseldorf, mit dem Flugzeug nach Istanbul zu fliegen. Daraufhin lehnte es wiederum die Besatzung ab, den Mann mitzunehmen, weil eine mögliche Gefahr von ihm ausgehen könnte. Er kam zurück nach Meschede.

Heval Akil betreut seit 2014 Flüchtlinge für die kurdische Gemeinschaft „Mala Kurda“ in Meschede - seit 2015 auch die jetzt betroffene Familie. Anfangs hätten die 27 Jahre alten Eltern auch ihm gegenüber behauptet, sie seien Syrer. Erst später hätten sie ihm die Wahrheit gesagt: „Sie haben ihren Fehler zugegeben“, so Akil auf Anfrage. Die Eltern sprechen kein Deutsch. Akil sagt, „sie haben Angst vor einer erneuten Abschiebung“.

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Der Mann habe ihm gegenüber angekündigt, dass er sich wieder weigern werde, sich abschieben zu lassen: „Er hofft, dass im Kreishaus doch noch eine Lösung für die Familie gefunden wird, ohne abgeschoben zu werden.“ Der Mann habe Angst, als Kurde bei einer Abschiebung in die Türkei verhaftet zu werden. Akil bestätigt, dass die Mutter erneut schwanger ist – es wird wieder ein Junge, der fünfte dann.

Würde sich daraus eine Risikoschwangerschaft entwickeln, hätte das bei einer drohenden Abschiebung eine aufschiebende Wirkung – denn dann kann eine Familie gar nicht getrennt werden.

Der Vater will wieder arbeiten

Vor dem Kreishaus habe bei der Rückkehr des Mannes am Montag keine Feier stattgefunden, sagt Heval Akil: „Die Familie hat sich nur umarmt und sich gefreut“, es habe keine Musik und keinen Tanz, keine Party gegeben. Der Mann, der in einer metallverarbeitenden Firma als Schleifer arbeitete, hat inzwischen seine Arbeitsgenehmigung verloren. Akil appelliert, dem Mann diese Genehmigung wieder zu erteilen, damit er seine Familie selbst ernähren könne.

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Über den Mescheder Fall hat sich, über die Bezirksregierung Arnsberg, inzwischen in Düsseldorf auch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration informieren lassen. „Es ist notwendig, dass Konsequenzen gezogen werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu konkreten Maßnahmen nicht äußern“, sagt Henning Severin. NRW engagiere sich auf Bundesebene gezielt für eine Verbesserung der Rückkehrbedingungen in bestimmte Herkunftsländer: „Die sich bei Rückführungen in die Türkei stellende grundsätzliche Problematik ist dem Bund bekannt. Der Fall wird bei weiteren Besprechungen auf Bundesebene zu Fragen der Rückführung eine Rolle spielen.“

>>>HINTERGRUND<<<

In ganz Deutschland sind im ersten Halbjahr 2019 wegen Widerstands insgesamt 869 Abschiebungsversuche an Flughäfen gescheitert.

Die meisten davon (168) waren Nigerianer, gefolgt von 63 Menschen aus der Elfenbeinküste. Auch sieben Abschiebungen in die Türkei scheiterten am Widerstand.

In 335 Fällen weigerten sich die Piloten, die Abzuschiebenden mitzunehmen. Diese Zahlen gehen aus einer Anfrage der Linken im Bundestag hervor.