Meschede. Ein abgelehntes Asylbewerber-Ehepaar aus Meschede demonstriert, wie sich eine Abschiebung verhindern lässt. Es verhöhnt die Ausländerbehörde.
Ein abgelehntes Asylbewerber-Ehepaar zeigt in Meschede dem Rechtsstaat seine Grenzen auf. Es beweist, wie sich eine Abschiebung aus Deutschland erfolgreich verhindern lässt - und verhöhnt die Ausländerbehörde noch dafür. „Ihr könnt uns nichts“, hörten deren Mitarbeiter beim Versuch, einige Familienmitglieder doch abzuschieben. Der Versuch am Montag scheiterte auch tatsächlich. Er wurde bekannt, weil türkisch-kurdische Verwandte und Freunde in Meschede das Scheitern auf dem Kreishaus-Parkplatz laut feierten.
Mescheder Asylbewerber-Paar ist vorbestraft wegen Urkundenfälschung
Das Ehepaar ist wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht und wegen Urkundenfälschung seit 2019 vorbestraft. Beide hatten sich 2015 bei der Einreise nach Deutschland als Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien ausgegeben. Sie sind dann als Asylbewerber nach Meschede zugeteilt worden. Erst nach Jahren bestätigte sich der Verdacht von falschen Identitäten und sie konnten überführt werden: Tatsächlich sind beides Kurden aus der Türkei – sie wussten nichts über Syrien, auf einem eingezogenen Handy fanden sich nur türkische Informationen. Ihr Asylantrag ist abgelehnt, beide müssten Deutschland verlassen. Sie sind ausreisepflichtig, wie der offizielle Sprachgebrauch dafür lautet. Tun sie das nicht freiwillig, könnten sie auch zwangsweise abgeschoben werden – eigentlich.
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Vier Kinder in in Meschede – zwei wurden in Deutschland geboren
Das Ehepaar hat vier Kinder in Meschede. Die beiden ältesten sind in der Türkei geboren, haben türkische Papiere. Die beiden Jüngsten sind in Meschede geboren. Ihnen fehlen die türkischen Dokumente. Die Eltern weigern sich, diese zu beantragen. Nur sie können das selbst, nicht eine deutsche Behörde für sie. Laut türkischem Recht müssen diese Papiere in einem Konsulat persönlich von den Eltern beantragt werden. Ohne Papiere kann aber niemand aus Deutschland abgeschoben werden.
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Die Ausländerbehörde des Kreises hat es mit einer Alternative versucht. Das bestätigt Kreissprecher Martin Reuther auf Anfrage. Das Ehepaar wurde zum wiederholten Mal aufgefordert, Deutschland freiwillig zu verlassen. „Wir werden nicht freiwillig gehen, sagten sie uns“, so Reuther. Deshalb wurde jetzt die Abschiebung des Vaters und der beiden ältesten Kinder versucht – um eine dauerhafte Trennung der Familie zu vermeiden, hätten die Mutter und die beiden Jüngsten ja anschließend freiwillig ebenfalls ausreisen können.
Bei der Abschiebung sagte der Ehemann, so Reuther: „Ihr könnt uns nichts.“ Fünf Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Kreises, vier von der des Landes NRW und vier Polizisten waren im Einsatz. Zuvor wurde ein Arzt konsultiert.
Abschiebung in Düsseldorf gescheitert
Der Mann und die ältesten Kinder wurden zum Flughafen nach Düsseldorf gebracht, um nach Istanbul geflogen zu werden. Der Mann teilte im Flugzeug der Crew von Turkish Airlines mit, dass er nicht freiwillig mitfliegen werde. Es handelte sich um einen normalen Linienflug, der Pilot weigerte sich daraufhin aus Sicherheitsgründen, die Mescheder mitzunehmen - er hatte Bedenken, dass es während des Fluges Probleme geben könnte. Eine Sicherheitsbegleitung durch die Bundespolizei gab es nur bis zur Tür des Flugzeugs. Während eines Abschiebefluges ist eine Begleitung der Polizei nur dann dabei, wenn bereits vorher feststeht, dass von den Abgeschobenen eine Gefahr ausgeht.
Willkommens-Party auf dem Kreishaus-Parkplatz in Meschede
Der passive Widerstand des Vaters hatte damit Erfolg. Der Mann und die Kinder mussten wieder von Bord. Die drei wurden zurück nach Meschede gefahren. Auf dem Parkplatz des Kreishauses wurden sie wieder frei gelassen. Hier wurden sie von Freunden und Familie lautstark begrüßt - das war im ganzen Kreishaus zu hören. „Unseren Mitarbeitern wurde gesagt, „Ihr könnt gerne jede Nacht wiederkommen“, berichtet Martin Reuther: „Denn unsere Kinder registrieren wir auch weiterhin nicht.“
Die gesamten Kosten der gescheiterten Abschiebung, wie zum Beispiel die Stornokosten des Fluges und die Personalkosten, in Höhe von mehreren tausend Euro muss das Land zahlen. Die Familie wird weiterhin Asylbewerberleistungen erhalten, die Unterkunfts- und Lebenshaltungskosten trägt weiterhin die Stadt Meschede. „Diese Fälle machen es jenen Asylbewerbern schwer, die tatsächlich Hilfe nötig haben“, sagt Reuther: Die Mescheder Familie binde viel Personal.
Abschiebung: Mittel der Behörden in NRW erschöpft
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Nützen würde nur ein Einwirken auf die türkischen Behörden, dass zukünftig auch eine deutsche Verwaltung die Rückreisedokumente beantragen könnte. Der CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Kerkhoff hat sich über den Fall informieren lassen: „Ich bin erstaunt und verärgert“, sagt er gegenüber dieser Zeitung. Behörden in NRW hätten ihre Mittel ausgeschöpft. Jetzt sei der Bund an der Reihe.
Update: Jetzt reagiert die NRW-Politik auf den Fall. Lesen Sie hier die neuesten Entwicklungen.