Nuttlar. Der Großbrand in Nuttlar hat das Leben der Holzapfels auf den Kopf gestellt. Jetzt wollen die Eltern stark sein - vor allem für ihre Kinder.

Es ist ein wolkenverhangener Dienstag im November, der das Leben der Familie Holzapfel von jetzt auf gleich auf den Kopf stellt. Nur wenige Stunden brauchen die Flammen, um all das zu vernichten, was Christoph und Jennifer Holzapfel nach und nach mühevoll aufgebaut haben, seit sie das Haus am Dümel in Nuttlar vor elf Jahren gekauft haben. Auf vieles hatten sie dafür verzichtet. Für vieles hatten sie gespart. Jetzt stehen sie vor dem Nichts. Ihr Haus liegt in Trümmern. Ihr Leben liegt in Trümmern.

Nur wenige Stunden brauchen die Flammen, um all das zu vernichten, was Christoph und Jennifer Holzapfel nach und nach mühevoll aufgebaut haben, seit sie das Haus am Dümel in Nuttlar vor elf Jahren gekauft haben.
Nur wenige Stunden brauchen die Flammen, um all das zu vernichten, was Christoph und Jennifer Holzapfel nach und nach mühevoll aufgebaut haben, seit sie das Haus am Dümel in Nuttlar vor elf Jahren gekauft haben. © Frank Selter

Immer wieder schießen der 41-jährigen Jennifer Holzapfel die Tränen in die Augen, wenn sie daran denkt, was das Feuer alles vernichtet hat. Ein paar Fotos, die wichtigsten Akten - es ist das einzige, was die Familie gemeinsam mit der Feuerwehr noch aus dem Haus retten kann, während die Flammen im Gebälk wüten.

Als der Brand ausbricht, sind die beiden auf der Arbeit, die Söhne Quentin (9) und Jonathan (17) in der Schule. Niemand von ihnen ahnt, wie furchtbar sich dieser Tag entwickeln wird.

Nervennahrung in schweren Stunden

Jetzt sitzt die Familie Holzapfel im Esszimmer der Nachbarsfamilie Scheidt. Betreibt Krisenbewältigung. Auf dem Tisch stehen zwei Dosen mit Keksen und eine Schale mit Weintrauben. „Nervennahrung“, sagt Angelika Scheidt. „Die können wir jetzt alle gut gebrauchen.“ Für ihren Mann Gerd und sie ist es eine Selbstverständlichkeit, in diesen schweren Stunden für ihre Nachbarn und Freunde da zu sein. Ihnen eine Stütze zu sein. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Jennifer Holzapfel. Es sei wichtig, jemanden zu haben, der in all dem Chaos, einen klaren Kopf bewahrt.

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„Es ist, als wenn dir jemand den Asphalt unter den Füßen wegzieht“, beschreibt Christoph Holzapfel den Moment, als er am Dienstag auf sein brennendes Haus zugehen muss, nachdem er von seiner Arbeitsstelle bei Tital nach Nuttlar geeilt war. Zwei Stunden verbringt er danach unter Beruhigungsmitteln liegend im Rettungswagen. Der Moment, in dem auch Jennifer Holzapfel die Fassung verliert, folgt am späten Nachmittag - als sie mit ansehen muss, wie ein Bagger anrückt, um für die weiteren Löscharbeiten Teile des Hauses einzureißen. „Da ist in mir eine Welt zusammengebrochen“, sagt sie.

„Wir müssen für unsere Kinder stark sein“

Jetzt aber müssen und wollen Jennifer und Christoph Holzapfel stark sein. „Allein schon für unsere Kinder“, sagt die 41-Jährige und streicht dem neunjährigen Quentin über den Kopf, während er am Esstisch sein Nutellabrötchen mümmelt. Auch er hat alles verloren.

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Mit Tränen in den Augen berichtet Jennifer Holzapfel, wie mühsam sich ihr Sohn anderthalb Jahre lang 300 Euro für eine Nintendo Switch zusammengespart hat - wie stolz und glücklich er mit all den kleinen Scheinen an der Kasse bei Müller in Meschede bezahlt hat. Es fällt ihr schwer, die Fassung zu bewahren. Im nächsten Monat wird Quentin zehn Jahre alt, und dann steht schon Weihnachten vor der Tür. Die Geschenke waren schon besorgt. „Aber wir überlegen, wie wir es trotzdem schaffen, es irgendwie schön zu machen“, sagt die 41-Jährige. „Irgendwie!“

„Wir leben am schönsten Platz der Welt!“

„Es ist, als wenn dir jemand den Asphalt unter den Füßen wegzieht“, beschreibt Christoph Holzapfel den Moment, als er am Dienstag auf sein brennendes Haus zugehen muss, nachdem er von seiner Arbeitsstelle bei Tital nach Nuttlar geeilt war.
„Es ist, als wenn dir jemand den Asphalt unter den Füßen wegzieht“, beschreibt Christoph Holzapfel den Moment, als er am Dienstag auf sein brennendes Haus zugehen muss, nachdem er von seiner Arbeitsstelle bei Tital nach Nuttlar geeilt war. © Frank Selter

In all der Verzweiflung, die der vergangene Dienstag mit sich gebracht hat, gibt es aber auch viele Momente, die der Familie ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Immer wieder klingelt das Handy, das auf dem Tisch liegt. Verwandte, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen - sie alle wollen helfen. Die Kleiderkammer der Caritas hat sich angeboten und am Tag nach dem Brand brachte ein Mann von der Tafel zwei große Tüten mit Lebensmitteln vorbei.

Noch während die Löscharbeiten laufen, kommen bei einer spontanen Sammlung in Nuttlar 1400 Euro zusammen, damit die Familie das Nötigste besorgen kann. Die Dorfgemeinschaft richtet am Tag danach ein Spendenkonto ein. Innerhalb von nur 24 Stunden sind dort bereits 150 Überweisungen eingegangen.

„Wir wussten das vorher schon, aber jetzt ist es uns noch einmal wirklich bewusst geworden“, sagt Jennifer Holzapfel angesichts der überwältigenden Hilfsbereitschaft: „Wir leben am schönsten Platz der Welt!“

E-Mail-Adresse eingerichtet

Dazu passt auch das Engagement von Matthias - Sohn von Angelika und Gerd Scheidt. Er betritt das Esszimmer mit seinem Tablet in den Händen und hat unterdessen eine E-Mail-Adresse eingerichtet: quentin-nuttlar@gmx.de. Wer dem neunjährigen Sohn der Familie Holzapfel mit Spielzeug eine Freude machen - oder dem 17-jährigen Jonathan, der unter Autismus leidet, zum Beispiel mit Lego-Technik etwas Gutes tun möchte, kann gern schreiben.

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Neben Geldspenden ist es aktuell die einzige Möglichkeit, wie der Familie geholfen werden kann. Denn in allem dem Chaos, wollen Jennifer und Christoph Holzapfel vor allem erst einmal eins - dass ihre Kinder weiterhin so glücklich sind, wie sie es vor dem Brand waren. Dazu gehört aktuell auch die Suche nach einer neuen Wohnung.

„Am schönsten Platz“ der Welt wollen sie gern wohnen bleiben. Es wird weitergehen, da sind sich Jennifer und Christoph Holzapfel sicher. Irgendwann! Irgendwie! Es ist auch diese Ungewissheit, die nach einem solchen Ereignis zu schaffen macht - trotz abgeschlossener Gebäude- und abgeschlossener Hausratversicherung.

Spendenkonto der Dorfgemeinschaft

Aus der Luft wird das Ausmaß des Schadens besonders deutlich.
Aus der Luft wird das Ausmaß des Schadens besonders deutlich. © Carsten Hirt

Wer der Familie Holzapfel helfen möchte, kann das am besten mit einer Geldspende auf das Konto der Dorfgemeinschaft tun: IBAN: DE 68 4666 0022 2202 8004 01, Konto-Inhaber: Dorfgemeinschaft Nuttlar e.V.

Die Familie bittet ausdrücklich um Verständnis, wenn sie wegen der vielen zu regelnden Dinge, nicht auf alle Spendenangebote, die unter quentin-nuttlar@gmx.de eingehen, antworten kann. Um es der Familie so einfach wie möglich zu machen, ist es daher sinnvoll, genau anzugeben, um welche Spenden es sich konkret handelt, und eine Rückrufnummer mit anzugeben.

Neben Lego-Technik, kann man Sohn Jonathan (17) vor allem auch mit einer Engelbert Strauß Hose in Größe 48 eine Freude machen. Es war die Lieblingshose des Autisten.

Die Familie Holzapfel ist vorerst in einer Ferienwohnung in Nuttlar untergekommen. Die Schwester von Jennifer Holzapfel, die in der Einliegerwohnung des Hauses lebte, wohnt zurzeit bei ihrem Bruder.