Freienohl/Meschede. Seit 18 Jahren stalkt eine Frau einen katholischen Pfarrer - am Ende galt sie immer als schuldunfähig. Jetzt kommt es erneut zu einem Prozess.

Die Staatsanwaltschaft hat überraschend eine neue Anklage gegen jene Frau erhoben, die seit Jahren den katholischen Pfarrer Michael Hammerschmidt belästigt. Das Amtsgericht Meschede hat das Verfahren bereits zugelassen. Es wird voraussichtlich im November zu einem Prozess vor dem Strafrichter kommen.

Die Pfarrkirche St. Nikolaus in Freienohl im Hintergrund: Pfarrer Michael Hammerschmidt.
Die Pfarrkirche St. Nikolaus in Freienohl im Hintergrund: Pfarrer Michael Hammerschmidt. © Oliver Eickhoff

Ende März 2017: Pfarrer Hammerschmidt erlebt einen Schicksalstag. Das Oberlandesgericht Hamm erklärt seine Stalkerin für schuld- und unzurechnungsfähig. Sie hatte die Auflage erhalten, sich dem Seelsorger nicht mehr zu nähern. Der Beschluss ist damit hinfällig. Zuvor hatte das Landgericht Arnsberg sie in einem Strafverfahren ebenfalls für schuldunfähig erklärt. Das Ergebnis: Sie kommt weder in Haft noch in die Psychiatrie.

Zu krank, aber nicht so krank

Die Richter kommen damit zum Ergebnis, die Frau sei zu krank, um für ihre Taten verantwortlich zu sein, aber nicht so krank, um in in die Psychiatrie eingewiesen zu werden. Der Seelsorger sagt damals verzweifelt: „Ich fühle mich wie Freiwild.“ Zweieinhalb Jahren sind seitdem vergangen. Und mehr als 18 Jahre insgesamt. So lange verfolgt und belästigt die Frau den Pfarrer schon.

Die Geschichte hat Spuren hinterlassen, beim Opfer, aber auch im Ort. „Die Olle und der Pfarrer“, sagte Hammerschmidt seinerzeit selbst in einer Mischung aus Verzweiflung und Ironie. Und: „Eigentlich haben alle die Schnauze voll von dieser Sache, ich auch.“ Der Pfarrer möchte nur Ruhe vor seiner Verfolgerin. Ein wenig Hoffnung für ihn besteht jetzt.

Hier wurde Pfarrer Martin Hammerschmidt erneut von seiner Stalkerin belästigt. Es gab mehrere
Hier wurde Pfarrer Martin Hammerschmidt erneut von seiner Stalkerin belästigt. Es gab mehrere "Präsente". © Marian LaskE

Oberstaatsanwalt Thomas Poggel bestätigte auf Nachfrage dieser Zeitung, dass gegen die heute 76-jährige Frau eine Anklage wegen Nachstellung erhoben worden sei. Der Anlass: Es gibt ein neues Gutachten eines Sachverständigen. Es wurde für ein Zivilverfahren erstellt. Der Experte dort meint: Die Frau sei doch schuldfähig. Erstellt hat das Gutachten der Psychiater Dr. Josef Leßmann, der langjährige Ärztliche Leiter der LWL-Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Warstein.

Drei Vorwürfe zwischen November 2017 und April 2018 hat die Staatsanwaltschaft daraufhin angeklagt: Zweimal soll die Stalkerin den Garten der Pfarrerwohnung mit Gegenständen dekoriert haben, die einen „sexuellen Bezug“ haben sollten. Obszöne Worte sollen gefallen sein, Kleidungsstücke auch. Auch ein Auftritt während eines Gottesdienstes ist Teil der Anklage.

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Der Anwalt der 76-Jährigen war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen - aber alle Beteiligten rechnen intern damit, dass ein Gegengutachten gefordert wird. So war es auch in früheren Verfahren der Fall. Pfarrer Hammerschmidt fragt: „Wie oft soll sie eigentlich noch begutachtet werden?“ Immerhin: Seine Erfahrung sagt ihm, dass die Attacken ein wenig nachlassen, wenn ein Verfahren ansteht. Seine Erfahrung sagt ihm aber auch: Anschließend geht es ungebremst weiter.

Hintergrund: bis zu fünf Jahre Haft

Bei der Nachstellung (§ 238) handelt es sich um einen neuen Paragrafen: Er wurde erst 2017 ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Mit ihm soll Verhalten geahndet werden, das auch als Stalking bezeichnet wird.

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt. Wird das Opfer an der Gesundheit schwer geschädigt, drohen bis zu fünf Jahre.