Wehrstapel. Auf dem Fest einer islamischen Gemeinschaft schwenken Kinder eine umstrittene Fahne: Sie gilt als Symbol von türkischer Rechtsextremisten.

Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş nannte es in ihrer Einladung ein „Familienfest“, das am Wochenende auf ihrem Gelände in Wehrstapel begangen wurde. Auf einem Video sind klatschende Erwachsene zu sehen, während Kinder in traditioneller Kleidung umher marschieren - ein Junge trägt stolz eine grüne Flagge mit drei Halbmonden. Sowohl Verfassungsschutz als auch der Staatsschutz kennen dieses Symbol. Es ist eine Kriegsflagge aus osmanischer Zeit und gilt als Symbol türkischer Rechtsextremisten.

Beinahe zehn Minuten dauert die Szene, die von den Veranstaltern selbst im Internet hochgeladen wurde: Die Kinder ziehen umjubelt über den Platz, nachher stehen sie feierlich auf einer Bühne. Sie tragen dabei die türkische Nationalflagge und jene grüne Kriegsflagge, die ihren Ursprung im Osmanischen Reich hat: Sie steht für die drei Kontinente Asien, Afrika und Europa, auf denen sich der Islam verbreitet hatte.

Brandanschlag im vorigen Jahr

Unter Fachleuten gibt es unterschiedliche Deutungen zu jener Flagge - als unzweifelhaft gilt: Sie steht für türkisch-nationalistische Positionen. Die Version in Rot verwenden die „Grauen Wölfe“, dabei handelt es sich um türkische Rechtsextremisten. Ein Ableger von ihnen hat in Meschede einen Anlaufpunkt: Im früheren Lokal „Landsknecht“ am Lanfertsweg. Für Aufregung hatte dort im vergangenen Jahr ein Brandanschlag gesorgt, zu dem sich ein Umfeld der kurdischen PKK bekannt hatte. Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt.

Antisemitismus und Verfassungsfeindlichkeit

In Wehrstapel hat Milli Görüş seinen Ableger - auf Deutsch übersetzt: die „Nationale Sicht“. Die Organisation wird als bedenklich eingestuft: In Nordrhein-Westfalen wird ihr Antisemitismus und Verfassungsfeindlichkeit unterstellt. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zeigt Milli Görüş ein antidemokratisches Staatsverständnis und lehnt westliche Demokratien ab. Es gilt als offenes Geheimnis in Wehrstapel, dass sich der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz immer wieder für die Aktivitäten am alten Bahnhof interessiert.

Die Aufnahmen von Kindern, die nationalistische Flaggen schwenken, dürften die Beobachter daher nicht überraschen. Genutzt wird die grüne Flagge mit den drei Halbmonden zum einen von der Büyük Birlik Partisi („Große Einheitspartei“), einer rechtsextremem islamistisch-nationalistischen Partei. Zum anderen gilt sie als Zeichen der Organisation „Osmanli Ocaklari“ („Osmanische Vereine“) - sie übernimmt Symbole und Codes der rechtsextremen „Grauen Wölfe“.

Veranstalter weisen Vorwürfe zurück

Gesetzlich erlaubt ist das Zeigen dieser Flagge - „dahinter steckt aber eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Ideologie“, wie der Staatsschutz in Dortmund auf Anfrage mitteilte. Die Veranstalter in Wehrstapel weisen solche Vorwürfe von sich: Die Kinder seien als osmanische Mehter Kapelle, als ein Begrüßungskomitee, aufgetreten. „Bei dem Familienfest kommt es auch drauf an unseren Glauben und unsere Kultur auch den nächsten Generationen sowie unseren deutschen Mitbürgern näher zu bringen, kennen zu lernen und zu verstehen“, erklärte Vorstandsvorsitzender Faruk Eldeniz.

Auch interessant

„Mit farbenfrohen Kostümen, den traditionellen Instrumenten und der mitreißenden Musik repräsentiert das Mehter noch heute den Glanz und Pracht des osmanischen Reiches.“ Die Flaggen seien ein wesentlicher Bestandteil der Kapelle und gehörten zur Aufführung dazu. Sie seien nicht als Kriegsflagge anzusehen. Eldeniz: „Ebenso wie die Schützenfeste liegt der Ursprung der Mehter Kapelle im Mittelalter und hat ebenfalls eine militärische Bedeutung. Mittlerweile werden Schützenfeste aus Tradition gefeiert und wir feiern den Auftritt der Mehter Kapelle, welches bei Veranstaltungen als Begrüßungskomitee auftritt.“