Meschede. . Probleme mit Abschiebungen: Im HSK sind wegen des Mangels an Haftplätzen acht teils straffällig gewordene Asylbewerber auf freiem Fuß.

  • Nach Gerichtsurteil: Hintergründe zum Fall des 22-Jährigen aus Guinea
  • Drei Abschiebungen gescheitert, sein Heimatland will ihn nicht zurück
  • Zu wenige Haftplätze in Abschiebe-Haftanstalt in Büren, klagt der HSK

Der Fall des 22 Jahre alten Mannes aus Guinea, der beim Versuch seiner Abschiebung einen ehemaligen Polizisten schwer verletzt hatte, hat auch im Kreishaus Betroffenheit ausgelöst. Auf Anfrage nennt die Ausländerbehörde Hintergründe zu dem Vorfall. Und sie verweist auf aktuelle Probleme bei Abschiebungen: Acht teils straffällige Asylbewerber aus dem HSK sind auf freiem Fuß, weil im Abschiebe-Gefängnis Büren keine Plätze frei sind.

20000 Euro an Kosten für einzelnen Fall

„Das ist ein Extremfall gewesen“, sagt Kreissprecher Martin Reuther über den Fall des 22-Jährigen. Aber dieser Fall ist auch vom Verfahren her besonders. Bisher sind allein für diesen einen Westafrikaner über 20 000 Euro an Kosten für Abschiebungen, versuchte Abschiebungen und Haft entstanden.

Asyl-Glossar – die wichtigsten Begriffe

AUSREISE-AUFFORDERUNG:

geht Ausländern nach abgelehntem Asylantrag zu. Binnen einer bestimmten Frist muss er das Land verlassen. Die Ausländerbehörde überwacht die Einhaltung der Ausreisepflicht.

ABSCHIEBE-ANDROHUNG:

geht dem Abgelehnten zusammen mit der Ausreiseaufforderung zu. Ein Flüchtling kann dagegen Widerspruch einlegen – und unter Umständen eine Duldung erzwingen, etwa wegen Krankheit oder Lebensgefahr. Die Abschiebung wird dann ausgesetzt.

ABSCHIEBUNG:

erzwungene Ausreise. Reist ein abgelehnter Asylbewerber nicht freiwillig aus, wird er mit (polizeilichen) Zwangsmitteln außer Landes gebracht. Zuständig ist die Ausländerbehörde.

ABSCHIEBUNGS-ANORDNUNG:

wird ausgesprochen, wenn ein Geflüchteter über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Dann muss er dorthin zurück und dort den Asylantrag stellen – sofern der Staat den Asylbewerber übernimmt.

GEFÖRDERTE AUSREISE:

finanzielle Unterstützung mit Förderprogrammen. REAG (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany) zahlt freiwilligen Rückkehrern Bahn-/Flugtickets, Benzin und Reisebeihilfen. GARP (Government Assisted Repatriation Programme) zahlt Starthilfen für einen Neuanfang in der Heimat, sofern es ein Drittstaat ist, aus dem viele Flüchtlinge kommen.

DULDUNG:

Die Duldung ist eine "Aussetzung der Abschiebung" ausreisepflichtiger Ausländer. Gründe für eine befristete Duldung können Krankheit, Schwangerschaft, kleine Kinder oder fehlende Papiere sein. Nach 15 Monaten hat ein Geduldeter das Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis – sofern er seine Abschiebung nicht selbst mutwillig verzögert hat.

AUFENTHALTSERLAUBNIS:

Drittstaatsangehörige (Menschen aus Nicht-EU-Ländern) brauchen mindestens eine Aufenthaltserlaubnis. Sie ist befristet und zweckgebunden (Arbeit, Ausbildung, Familie, humanitäre/politische Gründe). Allerdings beinhaltet sie meist keine Erwerbsberechtigung.

NIEDERLASSUNGSERLAUBNIS:

unbefristeter Aufenthaltstitel inklusive Arbeitserlaubnis. Voraussetzung in der Regel: Sprachkenntnisse, eigenes Einkommen, fünf Jahre legal in Deutschland, keine Vorstrafen. Dieser Aufenthaltstitel wird aber nach zu langem Auslandsaufenthalt (mehrere Monate) aberkannt.

DAUERAUFENTHALT:

unbefristeter Aufenthaltstitel inklusive Arbeitserlaubnis – anders als bei der Niederlassungserlaubnis dürfen Ausländer aber länger in anderen EU-Staaten leben. Der Titel wird dann erst nach mehreren Jahren aberkannt.

GENFER FLÜCHTLINGS-KONVENTION:

Die Genfer Konvention legt seit einem UN-Sondergipfel 1951 fest, wer international als Flüchtling anerkannt wird. Darunter fallen Ausländer, die in ihrer Heimat wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder sozialen Zugehörigkeit verfolgt werden. Armut, Krieg und Katastrophen gehören nicht dazu.

SUBSIDIÄRER SCHUTZ:

Subsidiärer Schutz wird gegebenfalls gewährt, wenn ein Flüchtling nicht unter die Genfer Konvention fällt. Anerkannte Gründe können Naturkatastrophen, Krieg oder Terror sein.

SICHERER HERKUNFTSSTAAT:

Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien. So steht's im §29 Asylverfahrensgesetz. Sichere Herkunftländer sind Staaten, in denen weder politische Verfolgung noch unmenschliche Bestrafung oder Behandlung stattfinden. Für den Balkan sehen das viele Kritiker wegen der Situation für Sinti und Roma anders.

SICHERER DRITTSTAAT:

Alle EU-Länder, Norwegen, Schweiz – also alle Nachbarländer Deutschlands. Ist ein Flüchtling durch einen sicheren Drittstaat eingereist, bekommt er eigentlich kein Asyl: Laut Dublin-III-Abkommen wäre der erste sichere Drittstaat für das Verfahren zuständig, das der Geflüchtete betreten hat.

FLUGHAFEN-VERFAHREN:

Asylverfahren vor der Einreise im Transitbereich des Flughafens. Das Verfahren gilt für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten und Flüchtlinge ohne Ausweis. Es wird nur in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München angewendet, weil es nur dort Unterbringungsmöglichkeiten gibt.

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Wie berichtet, ist der 22-jährige Westafrikaner vom Amtsgericht Meschede zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. 2013 war der Guineer in die EU eingereist – in Spanien. Dort hätte auch sein Asylverfahren durchgeführt werden müssen. Im November 2013 reiste er aber aus Spanien weiter nach Deutschland.

Festnahme im Sozialamt

Der erste Versuch der Abschiebung aus Deutschland: Im Februar 2016 sollte er von Meschede aus nach Spanien überstellt werden – dabei flüchtete er. Später am gleichen Tag wurde er im Sozialamt der Stadt Meschede festgenommen: Er hatte versucht, Leistungen zu beantragen. Daraufhin wurde er in die Abschiebe-Haftanstalt nach Büren gebracht und im März nach Spanien abgeschoben.

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Bereits im April war er wieder in Deutschland. Im September 2016 der zweite Versuch einer Abschiebung – diesmal mit dem verletzten ehemaligen Polizisten. Die Abschiebung wurde abgebrochen. Der dritte Versuch einer Abschiebung: Am 19. Oktober 2016 – wieder wehrte sich der Mann aber erfolgreich dagegen.

Spanien nicht mehr zuständig

Das genaue Datum spielt hier eine wichtige Rolle: Denn kurz darauf, am 25. Oktober, endete die Frist, bis zu der der Guineer nach Spanien hätte abgeschoben werden können. Damit war jetzt nicht mehr Spanien für ihn zuständig: Nun wurde Deutschland verantwortlich, das Asylverfahren ein nationales. Im Januar 2017 ist sein Asylantrag abgelehnt worden: Dem Mann ist deshalb die Abschiebung nach Guinea angedroht worden. Ohne Folgen, denn: „Die Abschiebung ist nicht durchführbar“, sagt Martin Reuther. Denn Guinea stellt abgelehnten Asylbewerbern keine Papiere für ihren Heimatstaat aus. Der Mann wird vermutlich hierbleiben.

Probleme vor Ort

Nach Angaben seines Sprechers hat der Hochsauerlandkreis in diesem Jahr bislang 98 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben (2016 waren es im ganzen Jahr 100). Im Moment sei wieder das Problem, dass das Abschiebe-Gefängnis in Büren nicht ausreichend Plätze habe: In den letzten 14 Tagen konnten deshalb im HSK acht eigentlich ausreisepflichtige, abgelehnte Asylbewerber gar nicht erst festgenommen und nach Büren gebracht werden.

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Bei den acht handelt es sich um ehemals untergetauchte Menschen, die sich bei Sozialämtern plötzlich wieder gemeldet hatten (und die jetzt in Haft hätten genommen werden), außerdem um Kriminelle sowie um Asylbewerber, die bei früheren Abschiebungen ebenfalls Widerstand geleistet haben. Die acht sind derzeit alle auf freiem Fuß, bestätigt der Kreissprecher. Ob sie in der Zwischenzeit wieder untergetaucht sind, ist nicht bekannt.

Ein weiterer Krimineller habe bis nach Hamburg gebracht werden müssen, um dort in Abschiebehaft zu kommen. „Das ist in so vielen Fällen logistisch aber gar nicht zu leisten. Die Fälle machen unsere Probleme vor Ort deutlich“, sagt Martin Reuther: Es gebe zu wenige Abschiebehaftplätze in NRW.

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