Büren. . Die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren ist seit einem Jahr in Betrieb. 60 Männer müssen hier auf ihre Abschiebung warten.
- Seit einem Jahr ist die Abschiebeanstalt in Büren in Betrieb.
- 60 Männer müssen hier derzeit auf ihre unfreiwillige Ausreise warten.
- Für Elvis Sakipovski aus Mazedonien die Endstation Hoffnung.
Die Autofahrt geht kilometerlang durch schönsten Wald, bis das Schild „Bezirksregierung Detmold – Unterbringungseinrichtung“ erscheint. Man hat sich in einem Märchenwald gewähnt, in dem man sich wie Hänsel und Gretel verirren könnte. Doch die Geschichten der Menschen, die sich in der „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ aufhalten, gehen nicht gut aus wie Märchen. Die einzige NRW-Abschiebehaftanstalt in Büren-Stöckerbusch, acht Kilometer vom Flughafen Paderborn-Lippstadt und keine 25 Kilometer von Marsberg entfernt, „ist die nordrhein-westfälische Endstation Hoffnung“, formulierte es die Frankfurter Allgemeine. Wer hier angekommen ist, sitzt mit mehr als einem Bein im Flugzeug oder im Bus zurück ins Heimatland.
Seit dem 1. Juni in Büren
Elvis Sakipovski (35) ist einer von derzeit 60 Männern in der Abschiebehaftanstalt. „Ich hoffe“, sagt er, „dass ich doch in Deutschland bleiben kann.“ Der Familienvater aus Mazedonien ist seit dem 1. Juni in der Einrichtung, die einst als belgische Kaserne und dann als Justizvollzugsanstalt genutzt wurde. Erst im März war er ins Bundesgebiet geflüchtet. „Ich wollte hier arbeiten“, sagt Sakipovski und ergänzt etwas später: „Ich bin in Mazedonien unschuldig als Schlepper zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.“ Seine Augen werden groß: „Das stimmt nicht.“
Der Mann vom Balkan öffnet die Stahltür zu seinem 10 Quadratmeter großen Zimmer mit der Nummer 2-115. In der einstigen Gefängniszelle befinden sich Bett, Tisch, Stühle, Toilette, Waschbecken, Kühlschrank und ein TV-Gerät. Es finden sich keine persönlichen Gegenstände – kein Wunder bei der kurzen Verweildauer in Büren (im Schnitt 24 Tage). Durch das vergitterte Fenster schaut er auf die 6,60 Meter hohe Außenwand aus Beton. „Ich gebe zu, Außenstehende können den Eindruck haben, dass es hier noch wie in einer Justizvollzugsanstalt aussieht“, sagt Udo Wehrmeier, der Leiter der Einrichtung, und erläutert die 2014 vom Bundesgerichtshof festgelegte Vorgabe: Ausreisepflichtige dürfen nicht zusammen mit normalen Häftlingen untergebracht sein.
Abschiebeanstalt in Büren
Wehrmeier empfängt die Gäste in seinem Arbeitszimmer im Verwaltungstrakt. Ein freundlicher Mensch, der längst im Ruhestand sein könnte. Bevor die Abschiebehaftanstalt am 15. Mai 2015 ihren Betrieb aufnahm, „wurde ich einfach gefragt“, sagt der 67-Jährige, der in einem guten Jahr sein Berufsleben endgültig beenden wird. Als er in Amt und Würden war, hat er erst einmal den Stacheldrahtzaun über der Mauer entfernen lassen. Die Gitter vor den Fenstern sollen in absehbarer Zeit folgen.
Abschiebehaft in der Kritik
Wehrmeier kennt die Kritik, die von Organisationen wie Pro Asyl oder vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ vorgetragen wird: Die Unterbringungseinrichtung im Bürener Wald entspreche nicht den europäischen Vorgaben. Für viele Insassen ist es das erste Mal, dass sie hinter Gittern sitzen – ohne Verbrechen begangen zu haben. „Der Zuweisung ging ein richterlicher Beschluss voraus“, sagt Wehrmeier. Und: „Alle Fälle haben eine Vorgeschichte.“ Meist mehrfach hätten die Ausreisepflichtigen versucht, sich einer Abschiebung zu entziehen.
Die Ankündigung der Bundesregierung, härter gegen Flüchtlinge ohne Bleiberecht und ohne Aussicht auf Asyl vorzugehen, hat sich nicht dahingehend ausgewirkt, dass die Bürener Einrichtung „rappelvoll“ ist. Zwar wurden nach 262 Abschiebungen 2015 (ab Mai) in diesem Jahr bereits 299 Fälle gezählt. Dennoch: „Die Ausländerbehörden machen von Abschiebungen zurückhaltend Gebrauch.“
Aber: Fernab des rechtsstaatlichen Verfahrens trifft man in Büren auf Schicksale, auf Menschen, „die einem individuell leidtun“, wie es Wehrmeier ausdrückt. Man tue, was man kann, „um das Leben hier so gut wie möglich“ zu machen: Die Insassen können sich innerhalb der Mauern frei bewegen, telefonieren, im Internet surfen und Besuch empfangen, „Ein normales Leben minus Freiheit“, so der Deutsche Anwaltsverein. „Treffend“, sagt Udo Wehrmeier. „Und doch: Freiheitsentzug bleibt Freiheitsentzug.“