Bestwig/Berlin. . Der IS-Terrorist Anis Amri hätte eigentlich in Bestwig wohnen sollen. Bürgermeister Ralf Péus war schockiert, als er das erfahren hat.
- Bezirksregierung hat Anis Amri im November 2015 der Gemeinde Bestwig zugewiesen
- Unterwegs war der IS-Terrorist damals unter dem Namen Ahmed Almasri
- Das Nichterscheinen hatte keine Konsequenzen - Bezirksregierung spricht von „Graubereich“
Anis Amri, der Attentäter, der auf dem Berliner Weihnachtsmarkt bei einem Terror-Anschlag mit einem Lkw zwölf Menschen getötet hat, war der Gemeinde Bestwig im November 2015 als Asylbewerber zugewiesen. Erschienen ist er dort allerdings nie. Konsequenzen hatte das für ihn nicht.
Anis Amri wurde als Ahmed Almasri angekündigt
Der Tunesier, der bei seiner Reise quer durch Deutschland laut Landeskriminalamt mit 14 Identitäten unterwegs war, hätte sich am 17. November im Rathaus melden sollen. Der Zuweisungsbescheid der Bezirksregierung ist auf den 12. November 2015 datiert und sowohl an Amri, an die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises, ans Sozialamt der Gemeinde Bestwig sowie ans Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegangen. Das bestätigte Kreis-Pressesprecher Martin Reuther gestern. Damals war Anis Amri unter dem Namen Ahmed Almasri unterwegs. Er hatte bei den Behörden angegeben, Ägypter zu sein.
In Bestwig hätte der IS-Terrorist, der seinerzeit noch nicht als Gefährder eingestuft war, in eine der Wohnungen einziehen sollen, die die Gemeinde für die Unterbringung von Asylbewerbern angemietet hat. „Es wäre eine der Wohnungen im Ruhrtal gewesen“, so Bürgermeister Ralf Péus gestern. Er sei geschockt gewesen von der Nachricht, dass mit Amri beinahe ein Terrorist in seiner Gemeinde beherbergt worden wäre. Erfahren hatte Péus davon am Donnerstagabend durch die Recherche unserer Zeitung. „Das macht einem schon Angst und zeigt nach der Festnahme der Sauerland-Gruppe vor zehn Jahren einmal mehr, dass der Terror längst im ländlichen Raum angekommen ist“, sagt er. Das Problem sei, dass man als Gemeinde nicht wisse, wen genau man zugewiesen bekomme. „Wir kennen diese Leute nicht, wenn sie bei uns im Rathaus ankommen“, so Péus.
Generell werden einzelne männliche Asylbewerber in der Gemeinde in Wohngruppen von vier bis fünf Leuten untergebracht. „Wenn sich in einer solchen Gruppe ein einzelner auffällig oder verdächtig verhalten sollte, werden die anderen das bemerken und eine Rückmeldung geben“, hofft Péus. Kein Verständnis hat er dafür, dass IS-Terrorist Anis Amri von den Behörden nicht vorzeitig gestoppt worden ist. „Wenn jemand über einen solch langen Zeitraum observiert wird, darf so etwas nicht passieren“, sagt er.
Meldung an die Bezirksregierung erfolgt
Dass zugewiesene Asylbewerber nicht erscheinen, komme in Bestwig nicht allzu häufig vor. Etwa drei Mal werde das im vergangenen Jahr der Fall gewesen sein, schätzt Péus. In Städten mit Zentralen Notunterkünften geschehe so etwas häufiger. „In diesen Fällen erfolgt eine Rückmeldung der Gemeinde an die Bezirksregierung“, sagt Péus. So auch bei Anis Amri im November 2015.
Zum Fall Amri wollte sich Benjamin Hahn, Pressesprecher der Bezirksregierung, gestern nicht äußern. Generell sei es aber so, dass die Bezirksregierung zunächst die Gründe für das Nichterscheinen eines Asylbewerbers prüfe. War er nur krank, werde das der Ausländerbehörde mitgeteilt. Aber was ist, wenn sich die Gründe nicht klären lassen? „Das ist ein Graubereich, den wir als Bezirksregierung nicht abdecken können. Wir können niemanden zur Festnahme ausschreiben“, so Hahn.
„Nun nicht alle über einen Kamm scheren“
Dieter Schwermer, der sich für die Caritas in Ostwig in der Flüchtlingsarbeit engagiert, rief gestern dazu auf, nun nicht alle Asylbewerber über einen Kamm zu scheren. Auf seine ehrenamtliche Arbeit habe die Nachricht keine Auswirkungen, betonte er. „Wir werden uns weiterhin unverändert darum bemühen, die Asylbewerber zu integrieren“, so Schwermer. Natürlich gebe es unabhängig von Amri auch in Bestwig vereinzelt schwarze Schafe , die wegen diverser Delikte polizeilich in Erscheinung treten. „Bei ihnen persönlich verliert man dann schon ein wenig die Motivation“, so Schwermer. Das ändere aber nichts am Einsatz für all die anderen.
Erst im Februar 2016 als Gefährder eingestuft
Die Behörden stuften Anis Amri erst im Februar 2016 als islamistischen Gefährder ein. Trotz des Verdachtes blieb er in Freiheit und wurde observiert. Stoppen ließ sich Amri bekanntlich nicht.
Am 19. Dezember kapert der Tunesier in Berlin einen Lkw, erschießt den polnischen Fahrer und rast im Anschluss über den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz. Dabei tötet er zwölf Menschen, mehr als 50 werden zum Teil schwer verletzt.
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