Menden/Arnsberg. .

Was geschah an jenem 19. Juli 2009 vor dem verheerenden Schützenzugunglück? Der 80-jährige Angeklagte hat gestern in seiner Aussage jenen Sonntag nachgezeichnet – bis auf die entscheidenden Sekunden am Schwitter Weg, an die er sich nach eigenen Angaben trotz großen Bemühens nicht mehr erinnern kann.

Seine Frau habe gerne den Festzug der Hubertusschützen sehen wollen, so der 80-Jährige. „Ich persönlich interessiere mich nicht so für Umzüge“, sagte er, um aber schnell nachzuschieben: „Aber ich akzeptiere sie 100-prozentig.“ Eigentlich habe man vorher noch zum Friedhof fahren wollen, doch weil es so fürchterlich geregnet habe, habe man doch erst den Festzug angeschaut. An der Kaiserstraße parkte der 80-Jährige seinen A-Klasse-Mercedes: „Meine Frau ist ausgestiegen, ich selbst bin sitzengeblieben, habe den Festzug nur im Rückspiegel gesehen.“

Nach dem Unglück: Der Angeklagte sitzt auf der Mauer.
Nach dem Unglück: Der Angeklagte sitzt auf der Mauer. © WP

Als der Regen nachgelassen hatte, fuhr das Ehepaar zum Friedhof. Aber auch hier verließ nur die Ehefrau das Auto, der 80-Jährige blieb sitzen: „Ich hatte ja erst zwei Tage vorher das Grab meiner Eltern hergerichtet. Aber meine Frau wollte wissen, wie es aussieht.“ Lange habe das nicht gedauert, da das Grab nicht weit von dem Stellplatz entfernt gewesen sei.

„Dann wollten wir nach Hause fahren“, erklärte der Rentner gestern. Und zwar auf dem seit Jahren immer gleichen Weg: Über den Schwitter Weg an Ivos Gaststätte vorbei bis zur Einmündung zur B 7. „Ein Stück vor der Bachstraße ging es nicht weiter“, erinnerte er sich gestern. „Da habe ich abgebremst, bin rechts rangefahren und habe den Motor abgestellt.“

Links im Bild: Der schwarze A-Klasse-Mercedes des Angeklagten. Fotos: Martina Dinslage
Links im Bild: Der schwarze A-Klasse-Mercedes des Angeklagten. Fotos: Martina Dinslage © WP

Und ab hier setzte gestern die konkrete Erinnerung aus. Erst nach einigem Nachfragen und Nachdenken kamen noch einige Detailerinnerungen: „Ich weiß noch, dass meine Frau gesagt hat: ‘Es ist so ein komisches Geräusch hier’.“ Offensichtlich war die Äußerung auf das Automatik-Fahrzeug bezogen, dass der 80-Jährige von der Tochter übernommen und seit drei bis vier Jahren ohne Probleme gefahren hatte. Und er hatte vorher schon gegenüber Gutachtern geäußert, dass er den Motor wieder angemacht hatte, auf die linke Fahrspur gewechselt war und den Festzug gesehen hatte. Was aber dann geschehen ist, bleibt aus Sicht des Angeklagten völlig unklar. Er hat keine Erinnerung, seine gestern krankheitsbedingt fehlende Frau ebenfalls nicht .

Der angeklagte 80-Jährige vor Gericht.  Foto: Martina Dinslage
Der angeklagte 80-Jährige vor Gericht. Foto: Martina Dinslage © WP

Bei dem 80-jährigen Angeklagten setzen die Erinnerungen erst nach dem Unglück ein: „Ich habe auf einer Mauer gesessen, und da war ein junger Mann, der mich betreut und beruhigt hat. Ich hatte erst gar nicht bemerkt, dass etwas passiert ist.“ Erst als er nach rechts geschaut und das beschädigte Auto gesehen habe, habe er gemerkt „was Sache ist“.

„Ich habe nach meiner Frau gerufen“, so der Angeklagte. „Und dann habe ich gemerkt, dass alle um mich rum so intensiv waren und einen Hubschrauber habe ich gesehen.“ Schließlich sei er ins Krankenhaus in Unna gebracht worden, erst da habe er durch seine Tochter und den Schwiegersohn erfahren, was wirklich passiert sei.