Menden. Das Wohnungsproblem anzugehen, empfiehlt ein Fachbüro der Stadt Menden. Es könnte sogar ein städtisches Wohnungsbauunternehmen geben.
Kann eine städteigene Wohnungsbaugesellschaft die Probleme am Mendener Wohnungsmarkt lösen? Diese Gesellschaft zählt zu den Lösungsvorschlägen eines umfangreichen Gutachtens des Berliner Fachbüros „Empirica“. Helfen sollen auch die ortsteilscharfe Beobachtung der Wohnungsmärkte und der Leerstände sowie ein Runder Tisch zum Thema „Wohnen in Menden“.
Neues Gutachten wird am Dienstag im Mendener Stadtrat vorgestellt
Das Gutachten wird den Politikerinnen und Politikern im Mendener Stadtrat am kommenden Dienstag vorgestellt. Die Erkenntnisse der Experten dürften dabei nicht nur für die Politik, sondern auch für viele Mendenerinnen und Mendener durchaus überraschend sein. Denn laut dem Gutachten gibt es grundsätzlich schon heute genügend Wohnraum in Menden, und das zu Mieten und Baulandpreisen, die unter dem NRW-Schnitt liegen. Alles in Ordnung also? Nein. Denn das Angebot passt laut „Empirica“ nicht zu den Bedürfnissen weiter Teile der Bevölkerung. Die bräuchte viel mehr große Wohnungen mit mehr als drei Zimmern, oder kleine Einheiten für Singles und das Wohnen im Alter. Junge Familien hegen zudem immer noch den Traum vom Einfamilienhaus, sie müssen dafür in Menden aber die höchsten Baulandpreise der Region bezahlen.
770 Einfamilienhäuser und 340 Mietwohnungen bis 2040 gebraucht
Um alldem wirklich zu entsprechen, werden in Menden bis zum Jahr 2040 etwa 770 Ein- und Zweifamilienhäuser sowie 340 besser zugeschnittene Wohnungen in Mehrfamilienhäusern gebraucht. Schaffen könne man das mit Wohnungsneubauten und mit mehr Modernisierung im Bestand. Wer allerdings in einen Neubau zieht, hinterlässt oft einen neuen Leerstand. Das passiert nicht, wo modernisiert oder abgerissen und an Ort und Stelle neu gebaut wird. Doch längst nicht alle wohnungssuchenden Haushalte in Menden suchen leerstehende Wohnungen. Deshalb raten die Experten, auch den Bedarf an Neubauten zu decken. Und auch wenn der Häuslebau bei jungen Familien derzeit wegen hoher Baupreise stockt, brauche es für sie auch neue Bauland-Reserven.
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Überhang an nicht genutztem Bauland blockiert weitere Neuausweisungen
An Bauland hat Menden etwa 65 Hektar heute schon, jedenfalls theoretisch. 44 sind unbebaute Fläche, der Rest sind Baulücken.. 1300 Wohn-Einheiten aller Art könnte man darauf bauen, also sogar mehr als die 1100, die bis 2040 gebraucht werden. Doch ob das klappt, so erklären die Experten, hänge daran, ob diese Flächen auch wirklich bebaut werden können. Genau da hakt es bekanntlich gewaltig: Die Bezirksregierung in Arnsberg stoppte vor wenigen Jahren sogar komplett die weitere Ausweisung von attraktivem Wohnbauland in Menden: Erst müsse die Stadt ihre Überhänge an ausgewiesenen, aber unbebaut gebliebenen Flachen drastisch abbauen. Dieser Prozess der Rückverwandlung von Wohnbauland in Feld und Wiese läuft inzwischen, ist aber für die Eigentümer schmerzhaft, daher schwierig und längst nicht abgeschlossen.
Für Seniorenwohnungen und Familienheime: Stadt soll Vorgaben machen
Was soll die Stadt jetzt tun? Die Experten empfehlen mehrere Maßnahmen. Für die Zielgruppe der Älteren sind das etwa barrierefreie Neubauten, die barrierearme Anpassung bestehender Wohnungen sowie mehr Betreutes- oder Servicewohnen. Die Stadt könne dafür Baurecht schaffen und Grundstücke in geeigneter Lage bereitstellen.
Mendener Förderprogramm „Jung kauft Alt“ ist auszubauen
Für Familien brauche es Baugrundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser, neue Vorschriften zu den Geschossen und die Förderung des Generationswechsels im Bestand. Die Stadt soll hier das Baurecht zu schaffen und für eigene Grundstücke auch Konzepte zum Mehrgenerationenwohnen oder zu Baugruppen vorgeben. Das städtische Förderprogramm „Jung kauft Alt“ soll ausgebaut, die Förderung auch an die energetische Sanierung von Gebäuden gekoppelt werden.
Für Einkommensschwache: Stadt soll Bauherren beraten und Belegungsrechte sichern
Um einkommensschwächeren Haushalten zu helfen, könnte die Stadt auch Vorgaben zu den Mieten machen, Eigentümer zu den tatsächlichen Bedarfen in Menden beraten und auf Förderprogramme der NRW-Bank hinweisen. „Die Stadt könnte aber auch selber aktiv eingreifen, Belegungsrechte im Bestand erwerben und eigene Grundstücke mittels eines Vergabeverfahrens mit konkreten Zielsetzungen veräußern“, heißt es zum Thema Steuerung im „Empirica“-Bericht.
Strategisches Flächenmanagement soll immer Wohnbauflächen bereithalten
Weil die meisten Wohnungen in Menden aus der Nachkriegszeit bis zum Ende der 1970er Jahre stammt, empfehlen die Experten eine städtische Fördermittel- und zentrale Wohnberatung. Auch soll die Kommune kostenlose Beratungen für die energetische Sanierung für private Einzeleigentümer. „Auch die Gründung eines lokalen Netzwerkes zur Sanierungs- und Modernisierungsberatung ist denkbar.“ Schließlich soll ein strategisches Flächenmanagement dafür sorgen, dass es immer etwas mehr Bauland als aktuelle Nachfrage gibt.
Kaum liegt das Gutachten vor, da gerät es auch schon in die Kritik. So erklärt Ingrid Ketzscher, Mendener Beauftragte im Klimabündnis der Städte, dass es zwar einerseits gut sei, sechs Jahre nach einem Grünen-Antrag jetzt überhaupt ein Konzept zu haben. Dabei gelte es den Grüngürtel um Menden sowie die innerstädtischen Freiflächen für die Stärkung einer Wohlfühlstadt zu bewahren: „Wir müssen nicht wie früher in die Fläche gehen, um unseren Wohnraumbedarf zu decken.“ Dies würde auch den neuen Mendener Leitlinien zur klimagerechten und nachhaltigen Stadtentwicklung nicht gerecht.
Ausschuss für Umwelt und Klima soll ebenfalls zum Wohnungsbau beraten
Als Vertreterin Mendens im europaweiten Klimabündnis der Städte fordert sie, die Mendener Wohnraumdaten „mit den Klima- und Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen“. Umso wichtiger sei es, dass auch der Klima- und Umweltausschuss in die Beratungsfolge für das Gutachten einbezogen wird. Ketzscher: „Dies ist erstaunlicherweise bisher nicht vorgesehen.“