Menden. Die Stadt Menden will lange ungenutztes Wohnbauland in elf Fällen wieder zu Feld und Wiese machen. Die Eigentümer laufen Sturm dagegen.
Trotz massiver Proteste der betroffenen Grundstücks-Eigentümer will die Stadt Menden unbebautes Wohnbauland jetzt auf dem Papier des neuen Flächennutzungsplans (FNP) wieder in Wald und Wiese zurückverwandeln. Im Stadt-Ausschuss für Umwelt und Klima (Donnerstag, 17 Uhr, im Ratssaal) stehen dafür elf einzelne Areale im Stadtgebiet mit einer Gesamtfläche von rund 20 Hektar auf der Streichliste. Die Stadtverwaltung will mit dieser Rücknahme der Wohnbau-Ausweisung die bestehende Blockade für dringend benötigte neue Wohnflächen beseitigen.
Aufsicht stellt der Stadt Bedingung: Neues Bauland nur, wenn altes verschwindet
Hintergrund: Die Bezirksregierung Arnsberg hatte vor gut drei Jahren ein Flächen-Monitoring durchgeführt, weil ihr Regionalplan überarbeitet werden soll. Als die Ergebnisse vorlagen, verneinte die Aufsichtsbehörde kategorisch alle vorliegenden Wünsche der Stadt Menden nach neuem Wohnbauland: Es gebe in Menden bereits einen enormen Überhang von 62 Hektar Land, die für Wohnungsbau zwar ausgewiesen, aber nie genutzt wurden. Mindestens die Hälfte müsse im Plan wieder zu Feld, Wald und Wiese werden. Vorher brauche die Stadt an neues Wohnbauland gar nicht erst zu denken.
Auch Haus & Grund sagt: „Das kommt einer Enteignung gleich“
Elf Rückgabeflächen im ganzen Stadtgebiet
Die elf Flächen, die kein Wohnland mehr sein sollen:
1. Halingen: Private Landwirtschaftsfläche nördlich Halinger Dorfstraße (0,2 Hektar);
2. Halingen: Private Wiese zwischen In den Heßerlen und Waldweg (0,53 Hektar);
3. Bösperde: Private Landwirtschaftsfläche westlich Morgensternweg (0,3 ha);
4. Bösperde: Private Landwirtschaftsfläche zwischen Provinzial- und Grevenhofstraße (5 Hektar);
5. Schwitten: Private Landwirtschaftsfläche zwischen Nördlich Vogelrute und Im Eckholte (1,08 Hektar);
6. Lahrfeld: Private Landwirtschaftsfläche südlich der Stiftstraße bis Forsthaus Lahr (2,7 Hektar);
7. In den Liethen: Waldfläche Am Brandbusch (0,27 ha), zum Teil privat, zum Teil der Stadt gehörend;
8. Rauherfeld: Städtische Waldfläche östlich der Friesenstraße (0,92 Hektar);
9. Lendringsen: Private Wiese östlich der Zeisigstraße bis zum Stieglitzweg (0,84 Hektar);
10. Lendringsen: Private landwirtschaftliche Fläche zwischen Waldenburger und Mendener Straße (3,61 ha);
11. Hüingsen: Private Landwirtschaftliche Fläche (4,33 ha) südl. der Straße Auf der Heese.
Weil neue Wohnungen aber auch in Menden dringend benötigt werden, veröffentlichte die Stadt daraufhin im Jahr 2020 eine Liste und Pläne der etwa 400 unbebauten Siedlungsflächen, die für die Rückgaben in Frage kamen. Der Geschäftsführer des Dachverbandes „Haus & Grund“ in Westfalen, Tim Treude, kritisierte damals dieses Vorgehen auf Anfrage der WP: „Dass ein bestehender Status rückgängig gemacht wird, halte ich für riskant. Vor allem dann, wenn der Status Bauland beim Erwerb eingepreist war. Das kommt ja fast einer Enteignung gleich.“ Aus anderen Städten in seinem Zuständigkeitsbereich habe er von einer solchen Praxis jedenfalls noch nie gehört.
Mehrere Eigentümer drohen mit Anwalt, andere lassen ihn bereits schreiben
Die Stadt machte indes unbeirrt weiter und traf schließlich bis 2022 die Auswahl. Prompt schickten die privaten Besitzerinnen und Besitzer der betroffenen Grundstücke ihre Widersprüche ins Rathaus. Auch sie sprechen fast durchweg von „Enteignung“: Die Rückgabe des Wohnbaurechtes lässt sie eine massive Wertminderung ihrer Gelände befürchten. Zudem fragen sie nach, warum gerade ihr Areal für die Streichliste ausgewählt wurde und nicht etwa unbebaute Grundstücke der Wohnungsbaugenossenschaft Gewoge, die in mehreren Protestschreiben genannt wird. Einige Verfasser drohen der Stadt mit rechtlichen Schritten, andere lassen gleich ihren Anwalt schreiben. Einmal heißt es: „Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Stadt, der Bürgermeister und die gewählten Parteien lieber Wohnraum für zugezogene Mitbürger schaffen als für alteingesessene, denen die Tradition und Heimat von Bedeutung ist.“
+++ Lesen Sie auch: Wo Mendens erster Trixi-Spiegel steht +++
Altes Bauland soll Familien-Reserve bleiben und die Zukunft der Kinder sichern
Als Hauptgründe für die Nichtbebauung geben mehrere Eigentümer an, dass ihre Familien diese Flächen schon lange von Generation zu Generation weitergeben. So wolle man für die Kinder die Möglichkeit einer Bebauung erhalten, falls sie eines Tages Bedarf haben sollten. Zugleich diene das Wohnbauland, das wertvoller ist als Wiesenfläche, der wirtschaftlichen Absicherung der nachfolgenden Generationen. „Sie spielen mit der Zukunft unserer Kinder!“, lautet in den anonymisiert veröffentlichten Schreiben denn auch ein Vorwurf an die Stadt.
Stadt Menden sieht ihre Entwicklung durch Zuzug von Familien blockiert
Aus deren Sicht sieht das ganz anders aus: Da blockiert das unbebaute Wohnbauland in Menden den Wohnungsbau – und damit auch den erwünschten Zuzug von Familien, die zum Beispiel im erfolgversprechenden großen Gewerbegebiet Hämmer-Süd neue Jobs finden. Auf die Vorwürfe der Eigentümer reagiert die Stadtverwaltung zunächst mit der Feststellung, dass es vorläufig nur um den Flächennutzungsplan gehe. Dessen Änderung könne keine Enteignungen begründen, sei „als vorbereitender Bauleitplan“ nur für Behörden verbindlich und entfalte gegenüber Öffentlichkeit und Privaten „keine unmittelbare Rechtswirksamkeit“. Folglich gebe es daraus keine Auflagen, aber auch keine Ansprüche auf die Ausnutzbarkeit des Grundstücks oder auf Entschädigungen. Man nehme die Besitzer-Schreiben zur Kenntnis, bleibe aber bei der Auswahl.
+++ Auch interessant: Unfall in Menden mit doppelten Folgen für 17-Jährigen+++
MK-Naturschutzbeirat fordert: „Das kann nur ein erster Schritt sein“
Die Kehrseite der Medaille repräsentiert der Märkische Kreis, hier als Untere Naturschutzbehörde. In dessen Stellungnahme heißt es: „Der Naturschutzbeirat bekräftigt, dass es folgerichtig ist, dass die Stadt Menden den massiven Überhang an Wohnbauflächen zurücknimmt. Bei einem rechnerischen Überhang von 62 Hektar kann die geplante Rücknahme um knapp 20 Hektar aber nur ein erster Schritt sein.“