Menden. Konvoi von Bösperde nach Menden sorgt für Staus. Bauern suchen Gespräche mit Bürgern und distanzieren sich von Rechts
Mendens Landwirte beweisen Kreativität. An vielen ihrer Traktoren sind Protestschilder befestigt, mit Hinweisen an die Politik, aber auch für die Bevölkerung. Damit wollen sie an diesem 8. Januar darauf aufmerksam machen, wie wichtig sie für die Gesellschaft sind. Zugleich distanzieren sie sich von rechten Strömungen – am besten erkennbar wird das an dem Schild „Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“. Im Vorfeld des angekündigten Konvois von Bösperde zum Mendener Rathaus hat es durchaus Befürchtungen gegeben, rechte Gruppierungen mit Umsturz-Gedanken könnten die bundesweiten Bauern-Demos für ihre Zwecke kapern.
Bauern distanzieren sich von Vorkommnissen um Robert Habeck
In Erinnerung sind die Ausschreitungen in Schlüttsiel an der Nordsee. Dort wurde Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck bekanntlich am Verlassen einer Fähre von der Hallig Hooge gehindert. „Von diesen Vorkommnissen distanzieren wir uns ganz deutlich“, sagt Ortslandwirt Hans-Georg Ammelt schon vor dem Start des Konvois vom großen Hof von Freiherr Christian von Gemmingen in Bösperde. Den heimischen Landwirten gehe es nicht um Umsturzphantasien, sondern um eine richtige Politik.
Was den heimischen Bauern an diesem Tag gelingt: Sie machen deutlich, dass es um mehr geht als nur um Zuschüsse zum Agrardiesel. Die Landwirte hätten in den letzten Jahren jede Menge Kürzungen hinnehmen müssen, sagt Ammelt. Er kritisiert, dass im Vorfeld der jetzt geplanten Kürzungen nicht mit den Berufsvertretungen gesprochen worden sei. Der Ortslandwirt erklärt auch, warum es diese gerade Form des Protests ist, für den sich die Bauern entschieden haben: „Wir können keinen Produktionsstreik wie in der Industrie machen, denn wir müssen unsere Tiere immer füttern und melken. Dieser Tag ist für uns die einzig mögliche Form.“
Bauern machen klar: Es geht um mehr als nur um Agrardiesel
Sein Kollege Heiner Korte pflichtet ihm bei. Es gehe nicht darum, die Bevölkerung zu verärgern, sondern auf die Lage der Landwirte aufmerksam machen. „Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen wollen wir ja auch nicht mehr haben, sondern nicht noch weniger.“ Die Bundesregierung plant dagegen weiterhin die Landwirte beim Agrardiesel stärker zur Kasse zu bitten als bislang. Freiherr Hans-Christian von Gemmingen stört sich aber auch daran, dass Landwirte für ihre Maschinen Kfz-Steuern zahlen müssen. Die Landwirte seien mit den Traktoren zu 90 Prozent auf ihren Äckern unterwegs, die Steuer diene aber der Finanzierung des öffentlichen Straßennetzes.
Freiherr von Gemmingen erklärt zudem, die Landwirte würden verpflichtet, vier Prozent ihrer Flächen stillzulegen, obwohl die Selbstversorgungsquote in Deutschland längst nicht mehr bei 100 Prozent liege und schon jetzt Obst und Gemüse importiert werden müssten. Das sei nicht zu verstehen. Außerdem sollen Ställe mit Blick auf mehr Tierwohl umgebaut werden, ohne dass es dafür klare Regeln gebe. Kleinere Höfe seien also aus vielerlei Gründen in ihrer Existenz bedroht.
Mendener Polizei lobt die Landwirte und die Stadtverwaltung
Mendens Landwirte sind sich in dieser Einschätzung einig. Es sind schließlich mehr als 35 Traktoren, die sich gegen 10 Uhr von der Heidestraße aus in Bewegung setzen. Nach jeweils vier Traktoren folgt ein Ordnerfahrzeug, danach die nächsten Traktoren. Polizeichef Andreas Schmutzler findet später vor dem Rathaus lobende Worte für die Organisatoren der Demonstration. Während der einwöchigen Vorbereitungszeit und auch im Konvoi sei die Kommunikation stets vorbildlich gewesen. Die Landwirte geben dieses Lob an die Polizei zurück.
Der Dank des Polizeichefs gilt aber auch der Stadt Menden und Bürgermeister Dr. Roland Schröder – dafür, dass der Platz vor dem Neuen Rathaus freigehalten wurde. „Wir hätten sonst gar nicht gewusst, wo wir die Fahrzeuge hätten lassen können“, so Schmutzler. Schröder erklärt, dass das tatsächlich nicht unkompliziert gewesen sei. Denn mit Blick auf die unter dem Parkplatz liegende Tiefgarage habe berechnet werden müssen, ob die Statik für das Gewicht von mehr als 30 Traktoren ausreiche. Dem sei aber so gewesen.
Statt einer Kundgebung mit Reden über Lautsprecher oder Megafon suchen die Bauern nach ihrer Tour zum Rathaus den direkten Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern, aber auch mit dem Bürgermeister. Schröder zeigt Verständnis für die Sorgen der Bauern, sie hätten selbstverständlich das Recht zu demonstrieren. Insgesamt bleibt die Stimmung ausgesprochen gut. Es gibt keine lautstarken verbalen Auseinandersetzungen, schon gar keine körperlichen. „Das war eine gelungene Veranstaltung“, sagt Heiner Korte. Er berichtet davon, dass unterwegs viele Menschen ihre Daumen in die Höhe gestreckt hätten. Aus einem Kindergarten seien Mädchen und Jungen auf ihren Spielplatz geeilt, um die Traktoren zu bestaunen.
- Der Liveticker zum Bauern-Protest in Menden zum Nachlesen
- Bettina Lugk (SPD) sucht das Gespräch mit Bauern
- Bauernkonvoi in Balve und Neuenrade
In jedem Fall haben Mendens Landwirte friedlich ein starkes Zeichen gesetzt, auf sich und ihre Belange aufmerksam gemacht. Ob sie, gemeinsam mit den vielen anderen streikenden Bauern im ganzen Land, politisch etwas erreichen, bleibt indes abzuwarten.