Menden/Balve/Fröndenberg. Der Märkische Kreis ist offiziell wieder „Wolfsgebiet“: Für Schafhalterin Annette Dogs-Grammens sind Risse nur eine Frage der Zeit.

Die Wickeder Schafhalterin Annette Dogs-Grammens ist eine resolute Frau, doch jetzt hat sie Angst. Angst um ihre 80 Cheviot-Schafe, von denen viele demnächst in Fröndenberg weiden sollen. Angst um ihre beiden Hütehunde Gandhi und Rosi, wertvolle Border Collies, die sie selbst großgezogen hat. Angst um ihre Existenz als Tierhalterin. Der Grund ist die Rückkehr des Wolfes in den nahen Märkischen Kreis, die von vielen Experten und Naturschützern regelrecht gefeiert wird.

Märkischer Kreis seit kurzem ganz offiziell ein „Wolfsgebiet“

Annette Dogs-Grammens sagt dagegen klipp und klar: „Der Wolf hat in unserer Kulturlandschaft nichts verloren. Das ist ein Raubtier, und wenn es Hunger hat, reißt es Weidetiere und auch Hunde. Tausendfach ist das schon passiert.“ Die Wickederin hat aufmerksam registriert, dass auch in „ihrem“ Kreis Soest erste Wildkadaver entdeckt wurden, die auf Wolfsrisse zurückgehen. Der nahe Märkische Kreis ist ganz offizielles Wolfsgebiet, seit eine Wölfin hier als „standorttreu“ identifiziert worden ist. „Wenn man weiß, in welchem Tempo die Wölfe sich vermehren und ausbreiten, dann sind damit jetzt auch bei uns die Weide-Massaker programmiert.“

Angst vor dem Blutrausch auf der Weide

Den drastischen Ausdruck wählt die pensionierte frühere Oberrechnungsrätin sehr bewusst: „Auf einer Weide geraten Wölfe regelrecht in einen Blutrausch. Da wird nichts mehr mit einem gnädigen Kehlbiss gezielt erbeutet, da werden Schafe wahllos und bei lebendigem Leib angefressen, weil die Wölfe nur noch ans Muskelfleisch wollen.“

Grausiger Riss von fünf Schafen bei Lüdenscheid aktenkundig

Geschehen ist das im Märkischen Kreis schon mindestens ein Mal: Wie die Landesseite „wolf.nrw“ ausweist, tötete am 15. September 2022 in Lüdenscheid eine Wölfin aus einem niedersächsischen Rudel vier Schafe und verletzte zwei schwer, sodass ein Bock noch notgeschlachtet werden musste. Die Wölfin richtete auf einer Wiese in Stillebeul nahe der märkischen Kreisstadt unter grasenden Shropshire-Schafen ein wahres Blutbad an und hinterließ neben dem angerichteten Schaden auch einen völlig schockierten Halter. Dogs-Grammens erklärt dazu: „Die emotionalen Folgen solcher Angriffe für die Weidetierhalter werden nirgendwo verstanden.“

Nicht artgerecht: Weidetierhalter zum Aufstallen gezwungen

Anbei sähen sich die Halter gezwungen, die artgerechte Haltung ihrer Nutztiere aufzugeben und sie in Hochsicherheitstrakte zu sperren, damit sie draußen nicht dem Wolf zum Opfer fallen. Auch darin erkennt Dogs-Grammens einen Widersinn, ebenso in der Tatsache, dass der Staat einerseits ein „Wolfsmanagement“ mit viel Geld fördere und zugleich die Kosten für Weidezäune zum Schutz gegen Wölfe übernimmt. Ein Schutz, den es für Annette Dogs-Grammens mit den derzeit geltenden Zaunhöhen gar nicht gibt. Und trotzdem kosten 50 Meter Zaun mit Untergrabeschutz ab 150 Euro aufwärts.

Damals, nach dem Überfall auf die Stillebeul-Schafe, rätselte man noch darüber, wie das Raubtier aus Niedersachsen nach Lüdenscheid kam. Dann zeigte ein Gen-Nachweis, dass das Rudel dieser Wölfin sogar aus Sachsen-Anhalt nach Niedersachsen rübergemacht hatte.

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Wolfsrudel legen am Tag bis zu 70 Kilometer zurück

Annette Dogs-Grammens verwundert das alles nicht. Sie weiß, dass Wölfe 70 bis 80 Kilometer am Tag zurücklegen können. Und die gebürtige Berlinerin kennt auch die grausigen Weide-Attacken, seit sie 1998 einen Pferdehof im Havelland gekauft hatte. Dorthin kehrten Wolfsrudel einige Jahre eher zurück als nach NRW.

Schafe sollen bei Fröndenberger Pferdefreunden überwintern

Jetzt plant Dogs-Grammens ihre Schafe über die Wintermonate bei den Pferdefreunden Fröndenberg e.V. in Ostbüren weiden zu lassen. „Schafe sind ja ideale Bio-Rasenmäher und Landschaftspfleger. Sie schaffen Biodiversität und Lebensräume, die Arten erhalten.“ Weidetierhalter müssten auch deshalb unbedingt Vorrang vor dem Wolfsschutz haben, fordert Dogs-Grammens. „Stattdessen geben gerade jetzt wegen der neuen Bedrohung durch den Wolf immer mehr Menschen die Haltung von Nutztieren auf Wiesen und Weiden auf.“

Für sie mehr als nur Hobby, sondern pure Leidenschaft: Mit Pfeife und Zurufen lenkt Annette Dogs-Grammens ihre Hütehunde und die Schafherde, wohin sie will.
Für sie mehr als nur Hobby, sondern pure Leidenschaft: Mit Pfeife und Zurufen lenkt Annette Dogs-Grammens ihre Hütehunde und die Schafherde, wohin sie will. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Wut auf die „Balkon-Biologen“ der Europäischen Union

Die Wickeder Schafhalterin versteht das: „Wer ein Mal die Überreste eines solchen Weide-Massakers beseitigen musste, der kann sich nur wünschen, dass die Balkon-Biologen der EU, des Bundes oder der Länder sich ein einziges Mal an dieser fürchterlichen Arbeit beteiligen müssten.“ In Annette Dogs-Grammens Angst mischt sich hier deshalb auch eine gehörige Portion Wut. Auf EU-Bürokraten, die gar nicht ahnten, welches Leid sie „mit ihren Huldigungen für ihren Halbgott in Grau über die Landbevölkerung bringen“. Und es ärgert sie, wenn Mendens Stadtförster Dirk Basse die Rückkehr einer verlorenen Art als „gutes Zeichen“ begrüßt. Oder wenn Johannes Osing, Fachdienstleiter Umwelt beim Märkischen Kreis, den Wolf als „natürlichen Regulator“ bezeichnet.

Der Wolf als Thema auch für Hunde- und Katzenhalter

Für Annette Dogs-Grammens sind Wölfe nichts anderes als eine tödliche Bedrohung für ihre geliebten Tiere. Und: „Der Wolf bringt nichts ins Gleichgewicht, er zerstört es. In der Kulturlandschaft ist er auch kein Gesundheitspolizist, der schwache und kranke Tiere aussortiert. Er frisst dem Förster einfach den Wald leer. Das gilt auch für die heutigen Raubtiere wie Füchse und Dachse. Und das Damwild bildet im Wolfsgebiet große Angstrudel.“ Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass auch Hunde und Katzen bedroht seien: „Das geht auch deren Halter etwas an.“

Schutzräume ja, dann aber Abschüsse bei einer Ausbreitung

Zudem mischten sich Wölfe hierzulande mit streunenden Hunden. Heraus kämen Hybride, die überhaupt keine erhaltenswerte Art mehr darstellten. Im Gegenteil: Deren Entnahmen seien sogar heute schon Vorschrift im Paragrafen 45a des Bundesnaturschutzgesetzes. Als Art wäre auch der reinrassige Wolf nicht bedroht: „Er ist auch nie ausgerottet, sondern nur in die Weiten russischer Naturreservate verdrängt worden.“ Solche Schutzräume könne es ihrethalben auch in Deutschland geben. Allerdings müsse dann wie in Schweden vollkommen klar sein, dass der Wolf abgeschossen wird, sobald er auch nur eine Pfote aus dem Reservat heraussetzt. „Das muss in Bund und Ländern in jedes Jagdgesetz.“

NRW-SPD will EU-Schutzstatus für Wölfe aufgehoben sehen

Seit kurzem müssen sich Dogs-Grammens und andere Weidetierhalter indes nicht mehr allein fühlen: Die NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion hat soeben gefordert, dass „Wolfsentnahmen“, also Abschüsse, problemloser möglich sein sollen. Die gewachsene Population stelle für Weidetierhalter wie Dogs-Grammens „eine große Herausforderung“ dar. Das reiche bis zur Aufgabe beruflicher Existenzen. Und das bisherige Wolfsmanagement sei obendrein „kompliziert, bürokratisch und den bestehenden Herausforderungen nicht angemessen“. Der Schutzstatus auf europäischer Ebene für den Wolf soll laut SPD aufgehoben werden. Und nach Rissen soll nicht mehr der Weidetierhalter beweisen müssen, dass ein Wolf am Werk war. Es müsse vielmehr eine Umkehr der Beweislast geben.

Argwohn gegenüber Naturschützern: „Geld für Wolfmanagement“

Mit wachsendem Argwohn beobachtet die Wickederin hier mittlerweile auch das Verhalten von Naturschutz-Organisationen. Denn die lebten mittlerweile ganz gut vom „Wolfsmanagement“, von all den Jobs, die es dafür gibt, von den aufwändigen Zählungen, den Besenderungen und Untersuchungen von Spuren in Labortests, sagt sie.

Bedrohung auch ein Thema für Halter von Hunden und Katzen

Der Wolf sich in früheren Tagen auch Babys von Feldarbeiterinnen geschnappt.
Annette Dogs-Grammens, Schafhalterin

Und wie steht es um Gefahren für den Menschen? Gesunde Wölfe, die nicht provoziert oder angefüttert werden, stellten für den Menschen „in der Regel keine Gefahr dar“, hieß es vonseiten des Märkischen Kreises, als das „Wolfsgebiet“ amtlich war. Seit dem Jahr 2000 – seit es also wieder Wölfe in Deutschland gibt – habe es keine Situation gegeben, bei der sich frei lebende Wölfe aggressiv gegenüber Menschen verhalten hätten.

Große Raubtiere wirklich „keine Gefahr für den Menschen“?

Für Annette Dogs-Grammens ist aber auch das nicht in Stein gemeißelt. „Der Wolf hat sich in früheren Tagen auch Babys von Feldarbeiterinnen geschnappt, die von den Müttern an den Rändern abgelegt worden waren.“