Balve/Lüdenscheid/Berlin. Der Wolf, das Wild, die Weidetiere – die Rückkehr des Jägers mit der kalten Schnauze wird sehr unterschiedlich bewertet.

Der Wolf ist zurück. Das ist Fakt. Die Landesregierung in Düsseldorf hat den Märkischen Kreis zum Wolfsgebiet erklärt. Balve gilt als Pufferzone. Was bedeutet das?

Pflanztag der Grundschule Garbeck mit Förster Richard Nikodem. Der Wolf reguliere den Wildbestand, meint der Experte.
Pflanztag der Grundschule Garbeck mit Förster Richard Nikodem. Der Wolf reguliere den Wildbestand, meint der Experte. © Grundschule Garbeck

Die ehemalige NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hat vor zwei Jahren erklärt: „Ziel unserer Wolfspolitik ist es, das Leben mit dem Wolf so konfliktfrei wie möglich zu gestalten und Naturschutz und Herdenschutz in Einklang zu bringen.“

+++ DIE ERSTE WÖLFIN IM SAUERLAND +++

Fachleute wie Förster Richard Nikodem vom Landesbetrieb Wald und Holz sagen: „Im Wald freue ich mich über den Wolf. Jedes Reh, das aufgefressen wird, beißt mir nicht mehr die Bäume kaputt. Im Wald stört der Wolf nicht.“ Warum?

NRW-Umweltminister Oliver Krischer
NRW-Umweltminister Oliver Krischer © dpa | Friso Gentsch

„Im Wald geht auf der Wolf auf ein Reh, auf einer Weide meuchelt der Wolf 20 Schafe“, weiß Nikodem. In der Branche gebe es einen Spruch, der die Haltung der Forstwirtschaft auf den Punkt bringe: „Wo der Wolf jagt, wächst der Wald.“ Die Zahl der Opfer reguliere die Zahl der Jäger. Weniger Rehe bedeuten weniger Jungwölfe – und umgekehrt. Ähnlich sieht’s bei Wildschweinen aus.

Probleme für Herdentiere

Zugleich weiß Nikodem, dass die Rückkehr des Wolfs auch Probleme bringen kann: „Ich kann die Weidetier-Besitzer verstehen, die besorgt sind, wenn sich Rudel festsetzen und ganze Herden umbringen. Ich bin der Meinung, dass eine gewisse Form der Bestandsregulierung oder der Möglichkeit, bei einzelnen Wölfen einzugreifen, eine Erziehungswirkung bei den Tieren erzielen kann. Man hält sie mit solchen Maßnahmen von diesen Flächen weg.“ Allerdings sagt Nikodem auch, dass Tierhalter damit rechnen müssen, dass gelegentlich einzelne Tiere gerissen werden.

Das Land fördert Landwirte und andere Herdentierhalter. Die „Richtlinien Wolf“ in NRW ermöglichen die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen in Wolfsgebieten mit den angrenzenden Pufferzonen. Umweltminister Oliver Kirscher (Grüne): „Dabei hat die Unterstützung der Schäferinnen und Schäfer beim Herdenschutz oberste Priorität. Im Vorgriff haben wir daher nun die Förderangebote ausgebaut, um Tierhalterinnen und Tierhalter beim Herdenschutz zu unterstützen.“ Das Land rate etwa zur Errichtung von Schutzzäunen, sagt Nikodem. Doch der Teufel steckt, wie so oft, im Detail. Noch mal Nikodem: „Es gibt viele Nutztierhalter, die haben – ich sage mal – eine Handvoll Schafe und zwei Ponys. Sollen sie jetzt überall herdenschutzsichere Zäune bauen?“

Lernfähige Tiere

Dazu komme, dass der Wolf lernfähig sei. So könne das Tier lernen, dass Nutztierjagd leichter als Wildtierjagd sei. Die Jungtiere kopieren in diesem Fall das Verhalten der Fähe, meint Nikodem. Wie groß ist das Risiko, dass der Wolf, wie andere Wildtiere, in Siedlungen auftaucht?

„Wölfe können sich an menschliche Verhaltensweisen anpassen. Daher sollten Wölfe nicht gefüttert werden, das kann sonst dazu führen, das Wölfe die natürliche Scheu von dem Menschen verlieren,“ sagt Steven Seet vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin auf Anfrage der Westfalenpost. Wie begegnet der Wolf Menschen?

Steven Seet schätzt die Gefahr als gering ein: „Die Wölfe sind meistens sehr scheu und gehen nicht aktiv auf Menschen zu.“ Und wenn doch – was kann zu gefährlichen Situation bei der Begegnung von Mensch und Wolf führen?

Respekt und Distanz

„Man sollte sich gegenüber Wildtieren immer respektvoll und mit der nötigen Distanz verhalten. Versucht man, Wölfen zu nahe zu kommen, kann es zu ungewünschten Reaktionen führen, wenn sich diese Tiere und ihr Nachwuchs bedroht fühlen.“ Förster Nikodem sieht noch eine weitere Gefahrenquelle. Bei Wölfen gebe es, wie bei anderen Tierarten, das – wenn auch geringe – Risiko verstörender Verhaltensveränderungen. Der Experte: „Es besteht die Gefahr, dass einzelne Wölfe von ihrer natürlichen Lebensweise abweichen.“ Was tun?

+++ WOLFSGEBIETE IN NRW: DIESE SAUERLAND-REGIONEN GEHÖREN DAZU +++

Nikodem hat eine klare Meinung dazu: „Wenn das passiert, da teile ich die niedersächsische Meinung, dann muss man sich Gedanken machen über Entnahme von einzelnen Tieren. Ob das ins Jagdrecht muss, weiß ich nicht. Wenn ich eine Entscheidung kriege – ja, Du darfst, nein, Du darfst nicht –, dann reicht mir das.“

Tollwut indes sieht Nikodem nicht als Problem. Via Fuchs-Impfung sei diese Krankheit zurückgedrängt. „Diese Krankheit gibt es bei uns so gut wie gar nicht mehr“, stellt der Fachmann fest. „Dass wir im Märkischen Kreis einen Fall von Tollwut hatten, ist Jahre her.“

HERDENSCHUTZ

Das Land NRW baut Förderangebote für den Herdenschutz aus. Das Umweltministerium das Fördergebiet „Märkisches Sauerland“ neu ausgewiesen. In den Fördergebieten werden bis zu 100 Prozent der Kosten für investive Herdenschutzmaßnahmen gefördert. Neben Zäunen kann dies auch die Anschaffung und Ausbildung von Herdenschutzhunden umfassen. Zusätzlich bestehen großräumige Pufferzonen, in denen ebenfalls Herdenschutzzäune gefördert werden. In diesem Jahr stehen maximal zwei Millionen Euro für Maßnahmen zur Verfügung.