Menden. Vor exakt 50 Jahren eröffnete Wilfried Kickermann sein Musikgeschäft in Menden. Inzwischen ist er echter Profi in Sachen Kultur.
Mit einem Kredit über 25.000 D-Mark, ein paar Ersparnissen und jeder Menge Mut und Enthusiasmus startete Wilfried Kickermann vor 50 Jahren eine echte Erfolgsstory. Am 22. November 1973 eröffnete er ein Schallplattengeschäft an der Brandstraße/Ecke Hauptstraße neben der Neuen Apotheke. Damals ahnte er noch nicht, welch riesige Herausforderungen auf ihn und seinen Betrieb zukommen würden.
Die 70er-Jahre, das ist die Zeit der Schallplatten. Wilfried Kickermann, gelernter Radio- und Fernsehtechniker, hat schon immer ein Faible für Musik. Schon mit 16 Jahren besucht er Konzerte, etwa im Rodenberger Hof. „Wo heute Elektro Neuhaus ist, war damals eine Veranstaltungshalle“, erinnert sich der heute 74 Jahre alte Kickermann. Dem findigen jungen Mann fällt auf, dass Menden in Sachen Schallplattenverkauf schlecht aufgestellt ist. „Ich habe da eine Lücke erkannt und ich glaube, das war gut so“, sagt der Kulturprofi. Ihm kommt die Idee, ein Schallplattengeschäft zu eröffnen.
„Ich hatte ein paar Ersparnisse, aber die reichten nicht.“ Kickermann geht zum Banker seines Vertrauens mit dem Wunsch eines Kredits über 25.000 D-Mark. „Wir haben uns tief in die Augen geschaut und dann stand die Entscheidung“, so Kickermann. Ein Ladenlokal findet er in zentraler Lage. Am Tag vor der großen Eröffnung schaltet er eine Anzeige in der WESTFALENPOST: „Neueröffnung! Morgen, Donnerstag, 10 Uhr.“ Die Leserinnen und Leser erfahren, dass der Schallplattenmarkt „phono forum“ heißen wird. Und es gibt ein Eröffnungsangebot: „Single 2 DM, LP 5 DM“ Kickermann verspricht „Musik aus aller Welt für jung und alt“.
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Er selbst ist damals jung. 25 Jahre ist er alt - und er nutzt schon damals gute Kontakte, um auf sein Geschäft aufmerksam zu machen. Noch im Eröffnungsjahr kommt der damalige Fußball-Nationaltorwart Wolfgang Kleff für eine Autogrammstunde in seinen Laden. Ausgerechnet Kleff! Ein Spieler von Borussia Mönchengladbach im Schallplattengeschäft des bekennenden 1. FC Köln-Fans. Der Start gelingt, schon bald wird das Ladenlokal zu klein. „Ich habe eine Alternative gesucht.“ Die fand er an der Bahnhofstraße am Hausmann-Brunnen - dort, wo heute die Fleischerei Hackethal ist. 1979 eröffnet das „phono forum“ nach dem Umzug neu.
Kickermann erlebt den Wandel hautnah: Irgendwann werden Vinyl-Scheiben von CDs abgelöst, später werden die gebrannt und wild kopiert. Nicht legal, aber es wird gemacht. Sogar im Plattenladen wird darüber gesprochen. „Brauchst du nicht kaufen, brenne ich dir“, ist das Motto. Das Geschäft mit der Musik lohnt sich immer weniger - als der Euro am 1. Januar 2002 als Zahlungsmittel eingeführt wird, ist das „phono forum“ geschlossen - für immer.
Der Name aber bleibt, denn Wilfried Kickermann hat längst ein zweites Standbein. 1982 hat er sein erstes Live-Konzert veranstaltet. Künstler wie Herbert Grönemeyer oder BAP kommen nach Menden. Unvergessen bleibt ein Konzert mit der Boygroup *NSYNC. So steht 1997 ein gewisser Justin Timberlake auf der Bühne der Wilhelmshöhe. Mit dem Auftritt verbunden ist eine unglaubliche Begeisterung, besonders bei Mädchen. „Einige sind schon am Abend vor dem Konzerttag um die Wilhelmshöhe herumgeschlichen. Es gab sogar Mädchen, die hier gecampt hatten, weil sie unbedingt in die erste Reihe wollten“, erinnert sich Wilfried Kickermann. Sein Sohn Moritz ergänzt: „Beim Einlass bestand die Gefahr, dass sie die Glastüren zerbrechen würden.“ Die Wilhelmshöhe ist ausverkauft - wie so oft bei Veranstaltungen des „phono forum“. 1200 kreischende Teenies dürfen rein. Wilfried Kickermann hält sich immer an die Regeln, obwohl er weit mehr Tickets hätte verkaufen können.
Als „Till und Obel“ in den 1980er- und 1990er-Jahren Erfolge mit ihrer Musik-Comedy feiern, setzt auch ein Wandel in der Veranstaltungsagentur ein. Comedians gewinnen fortan an Bedeutung - und bringen einen Vorteil mit sich: Der Aufwand ist wesentlich geringer als bei einem Musikkonzert. Kickermann sieht eine Chance. „Da hatte ich wieder den richtigen Finger in der Nase“, vereist er verschmitzt auf seinen guten Riecher. Comedy ist und bleibt gefragt - bis heute. Das „phono forum“ präsentiert die Stars der Szene in Hallen von Siegen bis Duisburg, vornehmlich aber in Süd- und Ostwestfalen.
Seit 2018 ist Sohn Moritz Geschäftsführer des Unternehmens, im Februar 2020 stieg auch Tochter Franziska mit ein, ist als Projektleiterin tätig. Doch der Start ist alles andere als ideal: Drei Wochen nach Franziskas Einstieg legt die Corona-Pandemie die Veranstaltungsbranche quasi in Schutt und Asche. Wieder so eine riesige Herausforderung - wie damals im Musikladen, als CDs nicht mehr gefragt waren. „Ohne meine Kinder hätte ich die Agentur in dieser Form damals aufgegeben“, sagt Wilfried Kickermann heute. Ideen wie das Autokino auf dem Grohe-Parkplatz werden geboren. „Es gibt immer einen Weg.“
Beinahe wäre es gar nicht dazu gekommen, dass Moritz Kickermann Geschäftsführer wurde. „Ich habe Interesse gezeigt, als ich mein Abi gemacht habe, aber Papa hat gesagt: Lern erstmal etwas Vernünftiges! Ich habe das damals so verstanden, als sei das nicht gewollt“, erinnert sich der Sohnemann. Als er den Bachelor in Wirtschaftswissenschaften in der Tasche hatte, wollte dann der Vater den Sohn ins Unternehmen holen. „Das war damals überraschend für mich“, sagt Moritz Kickermann. „Moritz und Franziska übernehmen inzwischen bestimmt 80 Prozent der Arbeit. Und meine Frau ist ja auch noch dabei und macht zum Beispiel die Buchhaltung“, ordnet der Firmengründer ein.
Und wie soll es mit dem „phono forum“ weitergehen? „Wir wollen unsere Marktposition behaupten“, sagt Wilfried Kickermann. Bedeutet: Es werden weiter viele Veranstaltungen geplant, zumal sich der Markt nach der Pandemie normalisiert hat. „Am liebsten mache ich Veranstaltungen in Menden“, so der Gründer. Zugleich mahnt er an, dass es dafür auch die passenden Rahmenbedingungen geben müsse. Eine neue, moderne Eventhalle - wie sie SPD und CDU gemeinsam realisieren wollen - könne Menden noch größere Chancen bringen. Die Wilhelmshöhe sei schön, „aber sie wurde eben als Schützenhalle entwickelt“.