Menden. Das Schüler-Netzwerk „Augen auf für Menden!“ wirbt vor rund 900 Gästen am Pogrom-Gedenktag mit einem fulminanten Programm für Toleranz

Es ist eine anrührende Gala für die Menschlichkeit, die das Schüler-Netzwerk „Augen auf für Menden“ am Pogrom-Gedenktag 9. November auf die Bühne der Wilhelmshöhe zaubert. 900 Gratistickets haben sie vorher unter die Leute gebracht, bis ihnen geraten wird, an den Tagen vor dem großen Tag aus Sicherheitsgründen keine offensive Werbung mehr für ihren großen Abend gegen Antisemitismus und Rassismus zu machen. Zu groß waren vor dem Hintergrund des Krieges in Nahost die Befürchtungen der Behörden, damit auf den letzten Drücker noch die falschen Besucher auf die Veranstaltung aufmerksam zu machen.

Security am Saaleingang: Für die Wilhelmshöhe ungewöhnlich

Sicherheit geht vor: Auch CDU-Ratsherr Frank Oberkampf wird abgetastet.
Sicherheit geht vor: Auch CDU-Ratsherr Frank Oberkampf wird abgetastet. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

So sind am Abend draußen auf dem Parkplatz und vor dem Haupteingang der alten Dame Wilhelmshöhe zwar Polizei und Ordnungsamt zu sehen, den befürchteten Belagerungszustand gibt es aber nicht. Drinnen steht Security im Eingang zum Saal und durchsucht den einen oder anderen Gast. Für die Wilhelmshöhe ist das mehr als ungewöhnlich, doch man nimmt es auf beiden Seiten eher humorvoll hin. Auch CDU-Ratsherr Frank Oberkampf wird abgetastet und lässt die Prozedur gelassen über sich ergehen. Dennoch macht es Gäste auch nachdenklich: Hier wollen junge Leute nichts anderes, als mit der Erinnerung an die Judenverfolgung in Deutschland vor 85 Jahren ein aktuelles Zeichen zu setzen für eine menschenfreundlichere Welt. Und müssen dafür in Menden beschützt werden.

Vom Rapper über Live-Interviews und Promi-Statements bis zum Schulorchester alles dabei

Rappt für mehr Menschlichkeit: Jannes Zander vom Walburgis-Gymnasium.
Rappt für mehr Menschlichkeit: Jannes Zander vom Walburgis-Gymnasium. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Charlie Chaplin erscheint plötzlich auf dem Mobber-Handy

„Mendens Rede an die Menschheit“: So ist dieser Abend überschrieben, angelehnt an den Chaplin-Film „Der große Diktator“, in dem der großartige Schauspieler in seiner Hitler-Persiflage plötzlich eine Friedensrede hält: „Es tut mir leid, aber ich möchte nun mal kein Herrscher der Welt sein, das liegt mir nicht. Ich möchte weder herrschen noch irgendwen erobern, sondern jedem Menschen helfen, wo immer ich kann. Den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen. Jeder Mensch sollte dem Anderen helfen, nur so verbessern wir die Welt!“

Es tut mir leid, aber ich möchte nun mal kein Herrscher der Welt sein.
Charlie Chaplin in „Der große Diktator“

Ukraine und Russland, Israel und Palästina: Gedenken an alle Opfer

Anfangs gedenken alle im Saal der Kriegsopfer der Ukrainer wie auch der Russen, der Israelis wie auch der Palästinenser. Die Schülerinnen und Schüler wollen damit zeigen, dass Leid, Tod und die Trauer der Angehörigen universell sind und keine Unterschiede zwischen Nationen und Religionen machen. Damit ist der Ton für diesen Abend gesetzt. Begonnen hat er mit einem Gottesdienst in der St.-Vincenz-Kirche und dem stillen Gedenken an die jüdischen NS-Opfer aus Menden am „Ort des Erinnerns“ auf der Hochstraße.

Gemobbt: Live-Interview mit bekannter Ninja-Kämpferin Mellli Schmitt

Was dann auf der Bühne der Wilhelmshöhe folgt, sind die unterschiedlichsten Arten und Weisen der Schüler, sich dem Thema zu nähern. Da rappt sich Jannes Zander durch eine Nebelwand und singt für die Menschlichkeit, es gibt immer wieder kurze Theaterstücke, und Schüler Julius Dröscher interviewt live auf der Bühne die Ninja-Wettkämpferin Mellli Schmidt (mit drei L). Sie berichtet, wie sie an ihrer Schule wegen ihres breiten Kreuzes gemobbt wurde und wie sehr sie darunter gelitten hat: „Ich war einfach nur froh, als meine Schulzeit vorbei war.“ In einem aufwändigen Video der Gesamtschule Menden blendet sich die Chaplin-Rede mitten ins Mobbing in einen Klassenraum und eine Schulhof-Schlägerei ein - auf den Handys der beteiligten Schüler, um sie wieder zur Vernunft und zu einem friedlichen Miteinander zu bringen.

„Vielen Dank für euren Beitrag zur Menschlichkeit“: Das sendet der kanadische Rock-Superstar Bryan Adams nach Menden.
„Vielen Dank für euren Beitrag zur Menschlichkeit“: Das sendet der kanadische Rock-Superstar Bryan Adams nach Menden. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Ninja-Kämpferin, Ex-Bundespräsident, Rockstar oder BVB-Coach: Alle sind hier vertreten

Es gibt TV-Interviews zum Thema Toleranz mit Stars wie Frank Zander, Jörg Knör, Joe Bausch oder den Abenteurer-Zwillingen Paul und Hansen Hoepner, im Vorfeld geführt an unterschiedlichsten Orten von den Moderatorinnen des Abends, Sophie Rüther, Alina Bähr und Maja Marquardt. Es gibt Video-Ansprachen von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, Rock-Superstar Bryan Adams und dem Mendener BVB-Coach Edin Terzic. Alle gratulieren den jungen Leuten aus Menden zu ihrer Aktion und danken ihnen dafür. Hansen Hoepner begründet seinen Dank mit den Worten: „Ihr macht ja auch mein Leben besser.“

Der Abschluss: Das Schulorchester des Hönne-Gymnasiums spielt die „Ode an die Freude“.
Der Abschluss: Das Schulorchester des Hönne-Gymnasiums spielt die „Ode an die Freude“. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Bürgermeister Schröder: Schluss mit der Toleranz für die Intoleranz

Bürgermeister Roland Schröder dankt den Schülern im Namen von Stadtrat und Verwaltung, von denen im Saal einige Vertreter zu sehen sind. Schröder fordert im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus mehr Konsequenz: Es müsse Schluss sein mit der Toleranz für die Intoleranz, zitiert er den Zentralrat der Juden. Schließlich werden Passagen aus den Tagebüchern der NS-Opfer Anne Frank und Etty Hillesum verlesen, bevor ein Schüler-Orchester die „Ode an die Freude“ spielt: „Für Anne, für Etty und für die ganze Welt. Lasst uns der Hoffnung vertrauen!“