Lendringsen. Lesung, Musik und eine Videoinstallation: Das „Kunstfest Passagen“ setzte am Sonntagabend auf Vielfalt. Alles drehte sich um Mascha Kaléko.

Es ist ein Phänomen: Nahezu jede Veranstaltung beim „Kunstfest Passagen“ ist ausverkauft. Da machte auch der Sonntagabend keine Ausnahme, als Indra Janorschke im Kaminsaal von Gut Rödinghausen ihre Romanbiografie „Die Suche nach Heimat: Mascha Kalékos leuchtende Jahre“ vorstellte. Dabei sorgte Martin Brödemann fast ausschließlich mit Eigenkompositionen am Flügel für Musik, während Jeannette Obst die Veranstaltung mit einem Film bereicherte. Diese Mischung kam an.

Heimat in Berlin gefunden

Wer aber ist diese Mascha Kaléko, der sich Indra Janorschke gewidmet hat? Die jüdische Dichterin (1907-1975) beschrieb ausgerechnet die Zeit, in der die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen, als die leuchtenden Jahre. Das lag vor allem daran, dass sie in Berlin eine Heimat gefunden hatte, die sie in ihrer Jugend nie erlebt hatte.

In Galizien geboren, flüchtete sie mit ihrer Familie zu Beginn des Ersten Weltkriegs nach Deutschland, lebte zunächst in Marburg und Frankfurt am Main. 1918 kam sie dann in ein Berlin, das sich im Laufe ihres Leben deutlich verändern sollte.

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Indra Janorschke, die im Rahmen der musikalischen Lesung auch über die besonderen Herausforderungen beim Schreiben einer Romanbiografie sprach, hat sich in ihrem Buch vor allem der Zeit von 1928 bis 1938 gewidmet und wie Mascha Kaléko sie erlebt hat. Die Autorin zeichnet das Bild einer mutigen und gebildeten Frau. Im Romanischen Café trifft Mascha Kaléko Intellektuelle – unter ihnen viele Namen, die Berühmtheit erlangen werden. Während viele die Machtergreifung Hitlers dazu nutzen, sich abzusetzen, bleibt sie in Berlin.

Ein wiederkehrendes Bild: Auch zur Mascha-Kaléko-Lesung ist der Kaminsaal auf Gut Rödinghausen ausverkauft.
Ein wiederkehrendes Bild: Auch zur Mascha-Kaléko-Lesung ist der Kaminsaal auf Gut Rödinghausen ausverkauft. © WP | Dirk Becker

Und das auch, weil sich die verheiratete Frau nicht nur in einen anderen Mann verliebt hat: Mit dem Dirigenten Chemjo Vinaver bekommt sie auch ein Kind, von dem ihr Gatte glaubt, es sei seines. Ein schwieriges Dreiecksverhältnis, das Indra Janorschke in ihrem Buch auflöst – mit eigener Fantasie, wie sie sagt. Denn während insbesondere die in Kalékos Nachlass entdeckten und nie veröffentlichten Gedichte viel über ihr Leben preisgäben, sei das Thema Vaterschaft eines, das sich mit Dokumenten nicht aufklären lasse.

Impressionen von der Körperskulpturen-Performance

Die Performance beginnt damit, dass die vom Kutscherhaus kommenden Models langsam in Richtung Eingangsportal von Gut Rödinghausen schreiten.
Die Performance beginnt damit, dass die vom Kutscherhaus kommenden Models langsam in Richtung Eingangsportal von Gut Rödinghausen schreiten. © WP | Dirk Becker
Neben den ausgestellten Werken werden die Körper der Models Teil der jeweiligen Skulptur.
Neben den ausgestellten Werken werden die Körper der Models Teil der jeweiligen Skulptur. © WP | Dirk Becker
Rund 30 Minuten lang bleiben die Models still stehen.
Rund 30 Minuten lang bleiben die Models still stehen. © WP | Dirk Becker
Schließlich führt der Weg wieder ins Freie.
Schließlich führt der Weg wieder ins Freie. © WP | Dirk Becker
Die Models sind barfuß. Das verstärkt die Wirkung der metallenen Hülle, die sie umgibt.
Die Models sind barfuß. Das verstärkt die Wirkung der metallenen Hülle, die sie umgibt. © WP | Dirk Becker
Die blasse Haut kontrastiert mit dem sehr farbigen Metall.
Die blasse Haut kontrastiert mit dem sehr farbigen Metall. © WP | Dirk Becker
Teil eines Kunstwerkes sein: Das ist die Aufgabe für die Models.
Teil eines Kunstwerkes sein: Das ist die Aufgabe für die Models. © WP | Dirk Becker
Jedes Model findet in einem eigenen Raum einen Platz, den die Künstlerin Angelika Summa sorgfältig ausgesucht hat.
Jedes Model findet in einem eigenen Raum einen Platz, den die Künstlerin Angelika Summa sorgfältig ausgesucht hat. © WP | Dirk Becker
Von allen Seiten begutachten die Gäste der Ausstellung die Körperskulpturen. Dabei entstehen auch viele Fotos.
Von allen Seiten begutachten die Gäste der Ausstellung die Körperskulpturen. Dabei entstehen auch viele Fotos. © WP | Dirk Becker
Auch beim Gehen bleibt die Mimik der Models starr. Sie soll nicht von der metallenen Kunst ablenken.
Auch beim Gehen bleibt die Mimik der Models starr. Sie soll nicht von der metallenen Kunst ablenken. © WP | Dirk Becker
Die Models tragen das Metall direkt auf der Haut.
Die Models tragen das Metall direkt auf der Haut. © WP | Dirk Becker
Angelika Summa betrachtet die Performance. Die Künstlerin aus Würzburg hat bislang etwa 25 Körperskulpturen hergestellt.
Angelika Summa betrachtet die Performance. Die Künstlerin aus Würzburg hat bislang etwa 25 Körperskulpturen hergestellt. © WP | Dirk Becker
Der eigens dafür ausgelegte rote Teppich wird dem Anspruch gerecht, den die Performance erfüllt.
Der eigens dafür ausgelegte rote Teppich wird dem Anspruch gerecht, den die Performance erfüllt. © WP | Dirk Becker
Eine Herausforderung: Vor allem die ganz feinen Drähte und Metallfäden reizen die Haut der Models.
Eine Herausforderung: Vor allem die ganz feinen Drähte und Metallfäden reizen die Haut der Models. © WP | Dirk Becker
Manche Körperskulpturen brauchen mehr Platz, um ihre Wirkung entfalten zu können.
Manche Körperskulpturen brauchen mehr Platz, um ihre Wirkung entfalten zu können. © WP | Dirk Becker
Bedächtig schreiten die Models über den Weg von Gut Rödinghausen.
Bedächtig schreiten die Models über den Weg von Gut Rödinghausen. © WP | Dirk Becker
Während die Models als Teil der Körperskulptur still stehen, erklingen um sie herum sphärische Klänge.
Während die Models als Teil der Körperskulptur still stehen, erklingen um sie herum sphärische Klänge. © WP | Dirk Becker
Zerbrechlich wirken die Frauen, die das Metall auf ihrer Haut tragen.
Zerbrechlich wirken die Frauen, die das Metall auf ihrer Haut tragen. © WP | Dirk Becker
Die Fähigkeit der Frauen, die Körperskulpturen zu zeigen, begeistert das Publikum in der Ausstellung.
Die Fähigkeit der Frauen, die Körperskulpturen zu zeigen, begeistert das Publikum in der Ausstellung. © WP | Dirk Becker
Anfassen verboten: Das gilt selbstverständlich für die Körperskulpturen, die leicht beschädigt werden könnten.
Anfassen verboten: Das gilt selbstverständlich für die Körperskulpturen, die leicht beschädigt werden könnten. © WP | Dirk Becker
Der Weg zurück ins Kutscherhaus. Dort können die Models frei aufatmen und sich wieder normal bekleiden.
Der Weg zurück ins Kutscherhaus. Dort können die Models frei aufatmen und sich wieder normal bekleiden. © WP | Dirk Becker
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Im September 1938 emigriert sie doch noch in die Vereinigten Staaten – gemeinsam mit Chemjo Vinaver, mit dem sie inzwischen verheiratet ist. Eine neue Heimat findet sie in den USA nicht, Halt gibt ihr vor allem ihre große Liebe Chemjo.

Bilder für die Ewigkeit

Damit ist auch die Brücke gebaut zum „Kunstfest Passagen“, das in diesem Jahr bekanntlich die Liebe als Hauptthema hat. Eine Verknüpfung stellt aber auch Mascha Kalékos Liebe zu Berlin dar. Als sie die Stadt viele Jahre später und kurz vor ihrem Tod besucht, erkennt sie sie an vielen Stellen nicht wieder. Die Bilder aus der Vergangenheit, aus ihren „leuchtenden Jahren“ bleiben für die Ewigkeit

Indra Maria Janos: „Die Suche nach Heimat: Mascha Kalékos leuchtende Jahre“; erschienen bei dtv im Dezember 2022; 16,95 Euro; ISBN: 978-3-423-26341-2