Menden. Starkregen-Gefahrenkarten für Menden stehen bald im Internet. Was sie zeigen – und warum die Stadt mögliche Ängste davor nehmen will.
Der 22. Mai in Lendringsen hat es gezeigt: Starkregen kann Menden geradezu überfallen, nahezu jederzeit und überall. Um sich dagegen besser zu wappnen, sollen spätestens am 18. September neue Starkregen-Gefahrenkarten im Internet präsentiert werden. Darauf ist berechnet, welche Zonen im Stadtgebiet von Überschwemmungen besonders bedroht sind, wenn es gießt wie aus Eimern. Allerdings hat Projektleiter Thomas Höddinghaus den Mendener Politikern im jüngsten Aussschuss für öffentliche Sicherheit und Ordnung auch erklärt, warum man nicht erschrecken soll, wenn es auf den Karten vor der eigenen Haustür tiefblau leuchtet. „Auch mir ist da am Anfang die Luft weggeblieben.“
Lendringsen säuft ab, Halingen feiert zeitgleich Schützenfest in der Sonne
Zwar bedeute das die höchste Gefahrenstufe – realistischerweise aber nur dann, wenn das eigene Haus tatsächlich so extrem beregnet wird wie für die Karten angenommen. „Und das sind theoretische Werte“, stellte Höddinghaus vor den Politikerinnen und Politikern klar. Die Analysten seien zudem davon ausgegangen, dass es keinerlei Versickerung gibt und das gesamte Stadtgebiet in exakt gleicher Stärke und Dauer beregnet wird.
Das sehe in der Realität meist ganz anders aus. Da regnen sich Gewitterzellen bestenfalls über Teilen der Stadt ab – wie am 22. Mai dieses Jahres über Lendringsen. Damals konnten die Halinger bei Sonnenschein ungestört Schützenfest feiern, während halb Lendringsen buchstäblich absoff: Der Bieberkamp wurde zum Fließgewässer, das Wasser rauschte in Häuser und Garagen, legte bei OBO die Fertigung lahm und machte das Freizeitzentrum Biebertal wochenlang unbetretbar.
Die Katastrophen-Szenarien auf den Karten, bei dem über ganz Menden ein extremer Starkregen herunterkommt und 1750 Häuser volllaufen lässt, seien somit unwahrscheinlich, wenn auch nicht ausgeschlossen, sagte Höddinghaus. So sieht die „hydraulische Gefährdungsanalyse“ des Essener Fachbüros Dahlem drei Starkregen-Szenarien vor.
Das schlimmste: 90 Millimeter Wasser auf jedem Quadratmeter Menden binnen einer Stunde – ein „extremes Regenereignis“. Hier erinnerte Höddinghaus an den Juli 2014, als in Münster binnen sieben Stunden fast 300 Liter Regen auf den Quadratmeter fielen, eines der extremsten in Deutschland je erfassten Starkregenereignisse.
Szenario 2 geht von 54 Millimetern als „außergewöhnlichem Regenereignis“ aus.
Szenario 3 nimmt 45 Millimeter pro Stunde als „seltenes Regenereignis“ an. Diese Regenmengen hat es in Menden schon häufiger gegeben, allerdings verteilt über mehrere Stunden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Starkregenkarten immer so tun, als würde kein einziger Tropfen im Erdreich versickern können.
Welchen Sinn machen die Starkregenkarten dann überhaupt? Hierzu muss man sich vor Augen halten, dass es praktisch keine Vorwarnzeiten gibt, anders als oftmals bei drohendem Hochwasser aus den Flüssen. Die Karten verraten Experten wie Bürgern die Fließrichtungen, die Geschwindigkeit und die Tiefe des herabgestürzten Wassers. Und damit auch die Schäden, die ein Starkregen in Menden an bestimmten Stellen anrichten kann. Welche Straßen werden zu Bächen und für Einsatzfahrzeuge unpassierbar? Wo können Nebenstraßen als sogenannte Notwasserwege zur Ableitung der Wassermassen dienen, damit Hauptstrecken befahrbar bleiben? Und, besonders wichtig: Wo bilden sich bei Starkregen gefährliche Becken?
Gefährliche Becken können sich bilden – und abrutschen
Denn die können dann plötzlich im Ganzen abrutschen und ganze Straßenzüge mit Flutwellen bedrohen. In Fröndenberg konnte das Technische Hilfswerke so etwas nach dem Starkregen von 2021 knapp verhindern, indem der Hang unterm Teich mit steingefüllten, superschweren „Big Packs“ gesichert wurde. In Menden würde sich das Wasser laut den Gefahrenkarten in der Talmulde am Limberg bis zu sieben Meter hoch anstauen. Und auf der Westtangente unter der Heimkerweg-Brücke stünde das Wasser 1,80 Meter hoch, nennt Höddinghaus solche Gefahrenstellen in Menden.
Die Karten bilden somit auch die Grundlage für die Risikoanalyse, für die auch die Gefahr von Erdrutschen oder Geröllabgängen analysiert wurde. Auch daraus lassen sich wiederum Überflutungsgefahren und Schadenspotenziale ableiten. Heraus kommen die 1750 Gebäude mit sehr hohem Risiko, von denen 84 öffentlich genutzt werden. Für sie hat die Stadt bereits Risiko-Steckbriefe erstellt. „Viele andere Hausbesitzer“, sagt Höddinghaus, „können sich dagegen beruhigt zurücklehnen, weil sie gar nicht betroffen sind.“
Auch Mendener Hausbesitzer sollen ihr Eigentum besser schützen
Im Handlungskonzept der Stadt geht es um konkrete Vorschläge für organisatorische und bauliche Gegenmaßnahmen. So besteht eine Informations-Pflicht der Stadt gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern. Denn die sollen auch selbst zusätzlich etwas tun, um ihr Leben, ihre Gesundheit und ihr Eigentum vor Überschwemmungen zu schützen. Das hatte die Stadtverwaltung Menden jüngst mit ihrem Appell an private Eigentümer getan, Rückstauklappen in die Abwasserkanäle ihrer Wohnhäuser einbauen zu lassen (die WP berichtete). Ohne diese Klappen kann Wasser aus überfüllten öffentlichen Kanälen in die Häuser zurückgedrückt werden. In der Vergangenheit waren in Menden vielfach teure Wasserschäden die Folge.
Debatte um Rückstauklappen in Haus-Abwasserkanälen
Der Klappen-Tipp sorgte im Fachausschuss allerdings auch für Diskussionen: „Wenn der Kanal zwei Meter überspült worden ist, dann nutzt auch keine Rückstauklappe mehr“, gab SPD-Fraktionschef Sebastian Meisterjahn Bürgermeinungen wieder. Bürgermeister Roland Schröder hielt dagegen: „Das ist richtig, aber kein Argument gegen die Klappen. Wie hatten viele Ereignisse, bei denen sie geholfen hätten.“ Mirko Kruschinski (SPD) merkte für Lendringsen an, dass es auch die unterdimensionierten Nebenkanäle seien, die den Leuten das Abwasser ins Haus laufen ließen.