Menden. Ungewöhnliche Aktion: Die katholische Kirche in Menden will Menschen zurückholen, die früher Kirchgänger, Ehrenamtliche oder Messdiener waren.

Die katholischen Kirchen leeren sich immer weiter – doch ein Quartett aus Menden um Pfarrer i.R. Alwin Linnenbrink will dem nicht länger tatenlos zusehen: „Ich vermisse Dich“ heißt die neue Aktion, die sich insbesondere an langgediente Kirchgänger, an ehrenamtliche Helferinnen und Helfer oder auch an junge Messdiener richtet – jedenfalls an Menschen, die der Kirche nahe waren, seit der Corona-Pandemie aber nicht mehr ins Gotteshaus oder zu Veranstaltungen kommen. Kirchentreue Gemeindeglieder sollen sie jetzt freundlich und unaufdringlich anschreiben, um sie zum Wiederkommen zu bewegen. Beginn der dreiwöchigen Aktion ist das kommende Wochenende, an dem sie Inhalt der Predigten im Pastoralverbund Menden sein soll. Am 12. und 13., am 19. und 20. sowie am 26. und 27. August sollen in den Gottesdiensten auch vorgedruckte Postkarten verteilt werden. Die Botschaft lässt sich indes auch übers Handy verbreiten.

Besorgte Fragen nach „Vermissten“ in Gottesdiensten bringen Pfarrer auf die Idee

Alwin Linnenbrink berichtet, wie er auf die Idee gekommen ist: „In der letzten Zeit bin ich nach Gottesdiensten oder beim gemeinsamen Kaffeetrinken von mehreren Menschen ganz unabhängig voneinander gefragt worden, ob ich vielleicht wüsste, wo denn die nette Frau oder der freundliche Herr geblieben sind, die doch immer neben einem gesessen hatten. Ob es ihnen gut geht, was sie machen, warum sie nicht mehr kommen.“ Linnenbrink dachte an die Geschichte vom verlorenen Schaf aus dem Lukas-Evangelium – und erkannte darin eine Chance: „Warum soll man Menschen, die schon einmal mit ganzem Herzen zur ihrer Kirche, zu ihrer Gemeinde gehört haben, nicht wiedergewinnen können?“ Mit Rudi Düppe, Gaby Iserloh, Dekanatsreferentin für Jugend und Familie, und mit Maria Brand war alsbald eine Projektgruppe geboren. Gemeinsam entwarfen sie das Programm „Ich vermisse Dich“.

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Kirchenpolitische und persönliche Gründe für das Wegbleiben vermutet

Die Gründe für das Wegbleiben der Vermissten können laut Diakon Rudi Düppe ganz unterschiedlicher Art sein. Dazu zählten sicher die bundesweit so zahlreichen Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche, die auch manchen in Menden aus Protest nicht mehr an Gottesdiensten teilnehmen oder ganz austreten ließen. Dass der Kölner Kardinal Woelki in seinem Bistum gerade erst einen Priester wegen dessen Segensfeier auch für homosexuelle Paare gemaßregelt hat, halte er nicht für förderlich, sagt Düppe. In Menden hatte es vor einem Jahr den ersten „queeren Gottesdienst“ gegeben. Alwin Linnenbrink ergänzt, dass man sich auch durch Vorgänge wie Woelkis Missbilligung nicht davon abhalten lassen solle, die eigene Gemeinde voranzubringen.

Sonntägliche TV-Messen bequemer, aber ohne Zugehörigkeit zur Gemeinde

Es bleibt eine Lücke: So sehen die Postkarten aus, die an vermisste Kirchgänger, Messdiener oder Ehrenamtliche verschickt werden sollen.
Es bleibt eine Lücke: So sehen die Postkarten aus, die an vermisste Kirchgänger, Messdiener oder Ehrenamtliche verschickt werden sollen. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Für den erfahrenen Geistlichen kommen indes neben großen kirchenpolitischen Fragen auch die menschlich-allzumenschlichen Gründe für das Wegbleiben früherer Kirchgänger in Frage. „Da mag sich während der Pandemie mancher auch einfach daran gewöhnt haben, den Gottesdienst sonntags im Fernsehen anzusehen.“ Diese Messen seien immer ganz besonders gut vorbereitet und obendrein bequemer zu verfolgen als aus der harten Kirchenbank, schmunzelt Linnenbrink: „Oftmals sind diese Messen auch viel interessanter als die ganz normale von nebenan, in der ganz normalen Kirche mit dem ganz normalen Pfarrer.“ Doch die eigene Gemeinde, die Zugehörigkeit und die Unmittelbarkeit, die könnten kein Fernsehapparat und auch kein Internet vermitteln.

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Früher gingen Menschen in die Kirche, jetzt will die Kirche zu den Menschen

Genau diese persönliche Ansprache von Gemeindegliedern durch andere, ihnen bekannte Menschen soll die Kirchenbänke jetzt wieder füllen helfen. Deshalb heiße es „Ich vermisse Dich“ und nicht etwa „Die Kirche vermisst Dich“. Für Rudi Düppe ist dieses Zugehen auf die Menschen auch das Zeichen großer Wertschätzung – und einer Umkehrung der Verhältnisse. „Während die Menschen früher wie selbstverständlich in die Kirche gegangen sind, geht die Kirche jetzt auf die Menschen zu.“

Pastoralverbund heißt die Idee ausdrücklich gut

Ausdrücklich einverstanden mit der Idee der Projektwoche habe sich auch Pfarrer Jürgen Senkbeil als Leiter des Pastoralverbundes gezeigt. Die Plakate, die daraufhin für die Aktion entworfen wurden, sind auch mit einem QR-Code ausgestattet. Der erlaubt es auch via Handy einzuladen.

Jetzt sei man sehr gespannt, ob „Ich vermisse Dich“ tatsächlich zum Erfolg führt und die katholischen Gemeinden in Mendener Gottesdiensten wieder anwachsen lässt.