Hochwasser in Menden: Der Katastrophen-Tag vom 14. Juli 2021
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Menden. Den Tag wird Menden nicht vergessen. Am 14. Juli 2021 erreichte die Hönne eine Rekord-Pegelstand. Der dramatische Ablauf im Rückblick-Ticker.
Erst sah es nur nach einem sehr heftigen Dauerregen in Menden aus. Dann schnellte der Pegel der Hönne binnen weniger Stunden so sehr nach oben wie man es noch nie erlebt hatte. Wir haben die Ereignisse des 14. Juli 2021 in Menden noch einmal in einem Rückblick-Ticker zusammengefasst.
7 Uhr: Es hat in der Nacht bereits stark geregnet. Der Wasserstand der Hönne ist von 26 Zentimetern am frühen Morgen mittlerweile auf 80 Zentimeter geklettert. Das ist noch kein Grund zur Beunruhigung. Das Mittlere Hochwasser ist erst bei 1,90 Meter erreicht. Davon ist man noch weit entfernt.
9.30 Uhr: Der städtische Gewässerbeauftragte Rainer Lückermann und Ökologe Philipp Zimpel sind seit dem Morgen im Stadtgebiet unterwegs. Sie beobachten die kritischen Stellen. Dazu gehören die Rückhaltebereiche der Oese, aber auch Durchflüsse der Hönne: „Viel mehr als aktuell zu beobachten, können wir nicht“, sagt Stadtsprecher Johannes Ehrlich. „Wenn es gefährlich wird, alarmieren die beiden die Feuerwehr und den Bauhof. Dann müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden.“
Noch aufmerksame Gelassenheit am Vormittag – Dauerregen setzt ein
11 Uhr: Der Bauhof setzt Spundwände im Bereich der Hönneinsel und auf der anderen Uferseite. Sie sollen im Fall des Falles die Hönne vor dem Überschwappen bewahren.
13 Uhr: Der Pegel steigt jetzt so rasant an wie man es seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie erlebt hat. 1,75 Meter um 13 Uhr sind nur eine Momentaufnahme. Aktuell ist die Stimmung dennoch vergleichsweise gelassen, nachdem die bislang üblichen Vorbereitungen getroffen sind. Man beobachte und warte ab, heißt es an vielen Stellen. Ab jetzt setzt Dauerregen ein.
16 Uhr: Es schüttet wie aus Eimern. Der Märkische Kreis hat mittlerweile eine Großschadenslage ausgerufen und koordiniert alle Einsätze mit einem zentralen Krisenstab. Die Mendener Feuerwehr besetzt unterdessen alle Gerätehäuser mit freiwilligen Kräften. 30 Mann und sechs Fahrzeuge sind bereits zur überörtlichen Hilfe nach Hemer ausgerückt. Der Pegel steigt um fünf Zentimeter in fünf Minuten.
Pegel knapp unter der Uferkante – Pegel rast auf bisherigen Rekord von 2,90 Meter zu
17 Uhr: Die Hönne steht in der Innenstadt bereits knapp unter der Ufer-Kante. Der Pegel rast auf die 2,90 Meter zu. Das ist der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2007, dem Jahr der Hochwasserkatastrophe in der Innenstadt. Ist dieser Wert auch jetzt das kritische Maß? Die Stadtverwaltung will sich nicht festlegen. In den vergangenen Jahren wurden etliche Hochwassermaßnahmen getroffen.
18.10 Uhr: Jetzt ist es passiert. Die Hönne ist in ersten Bereichen über die Ufer getreten. Das Wasser fließt in Häuser. An der Balver Straße versuchen Anwohner verzweifelt das Wasser mit Schiebern aus dem Haus zu bekommen. Sie geben schnell auf. Kellerschächte laufen voll. Im Innenstadtbereich fehlen nur noch wenige Zentimeter bis zur Überflutung. Die Feuerwehr fährt alle kritischen Punkte ab. Pumpen laufen.
18.45 Uhr: Der Pegel liegt jetzt bei 3,01 Meter – Rekord. Anwohner an der Balver Straße versuchen verzweifelt, das Wasser mit Blumenerde-Säcken aufzuhalten. Die Hönne flutet das Gymnasium. Auch Gut Rödinghausen steht komplett unter Wasser. Die Feuerwehr ist mit allen Kräften im Einsatz. Das Wasser fließt jetzt von allen Seiten in die Stadt. In Lendringsen werden an der Bieber Teile der Böschung weggerissen.
Hönne-Hochwasser- Menden und Lendringsen stehen unter Wasser
Pegel bei 3,12 Meter – dafür gibt’s keine Kategorie mehr
19.50 Uhr: Der Pegel steigt auf 3,12 Meter. Für diesen Wasserstand gibt es gar keine Kategorie mehr.
20.02 Uhr: Die Feuerwehr arbeitet am Limit und weit darüber hinaus. Die Feuerwehr bittet dringend um Verständnis dafür, dass sie aktuell nicht mehr zu vollgelaufenen Kellern ausrücken kann. Aktuell haben Störfallbetriebe absolute Priorität. Die Einsatzlage ist so angespannt, dass keine Kräfte aus anderen Städten nachrücken können.
20.40 Uhr: Vor allem über die Oese kommt aus Hemer extrem viel Wasser nach. Die B7 ist längst gesperrt. Die Oeseteiche schwappen über. Der Schutz von Betrieben steht im Vordergrund. Dazu gehört unter anderem Badausrüster Kludi. Dort muss der Galvanik-Betrieb vor der Überflutung geschützt werden. „Das hat absolute Priorität“, sagt Feuerwehrsprecher Stefan Deitel.
20.50 Uhr: Der Hönnepegel steht bei 3,19 Meter. Die Feuerwehr warnt dringend vor Stromschlägen in vollgelaufenen Kellern. Niemand soll die Keller betreten. Es gibt bereits Feueralarme. Allerdings scheint nichts zu brennen. Es handelt sich wohl um Dampf von elektrischen Anlagen, die unter Wasser stehen.
Stadtarchiv geflutet – Stadt öffnet Bürgersaal für obdachlos gewordene Mendener
21.10 Uhr: Das Stadtarchiv wird geflutet. Die Feuerwehr bringt wichtige Archivgüter in höhere Etagen.
21.18 Uhr: Die Stadt Menden öffnet den Bürgersaal für obdachlos gewordene Menschen.
21.50 Uhr: Bürgermeister Roland Schröder packt selbst im Rathaus mit an: „Ich will nicht hier rumstehen und andere aufhalten. Ich will mithelfen“, sagt Schröder.
22.15 Uhr: Die Feuerwehr richtet sich auf eine komplette Nachtschicht ein. Viele Kräfte sind ehrenamtlich im Einsatz. Möglicherweise müssen auch noch Kräfte in Balve aushelfen. Dort soll in den nächsten Minuten die Innenstadt evakuiert werden.
23.10 Uhr: Viele Verbindungsstraßen sind gesperrt. Im Hönnetal geht nichts mehr. Auch Asbeck ist abgeschnitten. Der Pegel bleibt bei etwa 3,26 stehen und steigt nicht mehr. Die Feuerwehr hat bislang 80 Einsätze auf der Liste, davon 33 abgearbeitet, zehn aktiv und noch 37 in Warteschleife. Fünf Straßenzüge mit 20 Wohneinheiten sind aktuell ohne Strom.
Unwetter mit schweren Überflutungen in Fröndenberg
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Ein kleines Wunder: Bislang keine Verletzten – aber traurige Nachrichten aus Altena
23.55 Uhr: Der Krisenstab zieht eine erste Bilanz. Die wichtigste Nachricht: Es gibt keine Verletzten. Viele Schäden werden sich erst nach Tagesanbruch zeigen. Die Feuerwehr ist weiter im Dauereinsatz. Es gibt Meldungen von einem tödlich verunglückten Feuerwehrmann aus Altena. Das erschüttert die Einsatzkräfte.
15. Juli: Der Pegel sinkt so schnell wie er gestiegen ist wieder. In vielen Straßen, Kellern und Tiefgaragen steht weiter Wasser. Die Siedlung an der Heilig-Kreuz-Kirche ist ohne Trinkwasser. Sporthallen sind unbenutzbar geworden. Es gibt Schäden in Millionenhöhe. Die Sanierung wird noch viele Monate, teils Jahre in Anspruch nehmen.
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