Fröndenberg. Der Kreis Unna hat eine Schüttelpuppe angeschafft, um auf die Gefahren des Schüttelns aufmerksam zu machen. Es kann bis zum Tod führen.
Das Baby schreit und schreit und schreit. Stress pur. Egal, was man versucht, es schreit einfach weiter. Erst sind da Mitgefühl und Unsicherheit. „Was hat sie nur?“ Übermüdung. Die Schreie werden immer lauter. Es klingelt in den Ohren. Das Nervenkostüm wird dünner. „Es muss doch irgendwas funktionieren. Sie muss endlich aufhören zu weinen!“ Sie hört aber nicht auf. Verzweiflung. Es folgt Überforderung. Und schließlich Wut. Und was nun? Weggehen? Schreien? Schütteln?
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Eins sollte klar sein: Gewalt, verbal oder körperlich, ist niemals eine Option. Und Schütteln kann tödlich sein. Der Hauptgrund für den Tod misshandelter Kinder ist das Schütteltrauma. Zwischen 100 und 400 Schütteltraumata pro Jahr werden in Deutschland aktenkundig. Ein Viertel dieser Kinder stirbt, der Großteil trägt ein lebenslang schwerste Schädigungen davon. Lähmungen oder Blindheit sind nur zwei Beispiele für die Folgen des Schüttelns. Um darauf aufmerksam zu machen, wie gefährlich das Schütteln besonders für Babys ist, hat der Kreis Unna nun eine Schüttelpuppe angeschafft. Saskia Schoof vom Fröndenberger Familienbüro stellt sie vor.
Hirnverletzungen simulieren
Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass die Puppe besonders ist. Sie ähnelt zwar in Größe und Gewicht einem etwa fünf bis sechs Monate alten Baby, doch ihr Kopf ist durchsichtig. Im Inneren ist das Gehirn gut sichtbar. An den Seiten des Kopfes befinden sich verschiedene Abbildungen. Hand und Fuß für die Motorik rechts und links. Eine Wolke vorne für das Denkvermögen und Masken für die Emotionen. Hinten ein Auge für den Sehnerv. Warum? Das wird klar, als Saskia Schoof die Puppe anschaltet und schweren Herzens einmal ruckartig bewegt. Die Puppe schreit weiter, doch das Gehirn leuchtet auf. Der Sehnerv ist beschädigt. Jetzt noch eine Bewegung. Wieder nur kurz und bestimmt. Kein wildes, emotionsgeladenes Schütteln. Es ist ein Ruck. Ein Moment, der alles verändert. Plötzlich herrscht Stille. Das Baby weint nicht mehr. Das Gehirn leuchtet. Das Kind ist tot.
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Obwohl die Puppe nur eine Puppe ist, geht das Schütteln Saskia Schoof durch Mark und Bein. „Ich mache das nicht gerne“, sagt sie. Die Schüttelpuppe dient vor allem dazu, Fachpersonal wie Erzieherinnen und Erzieher, Tagespflegepersonen oder auch Hebammen zu schulen. Aber auch im Umgang mit Eltern sei ihr Einsatz denkbar.
Sicher ablegen und durchatmen – eigenes Netzwerk nutzen
Aber was tun, wenn es zu einer Ausnahmesituation kommt und die Nerven blank liegen? „Wenn man merkt, dass die Situation einen überfordert und zu extrem ist, sollte man das Baby an einem sicheren Ort ablegen und den Raum für einige Minuten verlassen“, sagt Saskia Schoof. Sie leitet das Fröndenberger Familienbüro, ein Unterstützungsangebot für Familien. Durchatmen, beruhigen und zurück auf Anfang. Im Zweifel, so sagt die Expertin, sollte das eigene Netzwerk aktiviert werden. Partner, Mutter, Vater, Freundin oder auch die Nachbarin: „Ich sollte dann keine Scheu haben zu sagen, dass ich Hilfe brauche“, sagt Schoof.
Auch der Kinderarzt oder das Familienbüro beraten. Wichtig sei, körperliche Beschwerden beim Baby abzuklären und auszuschließen. Das Familienbüro unterliegt der Verschwiegenheit und kann auch den Einsatz einer Familienhebamme im ersten Lebensjahr des Kindes organisieren und zahlen. Jedes Kind sei individuell, die Nöte und Bedürfnisse der Familien auch. Helfen könne manchmal auch der Gang zur Schreibaby-Ambulanz im Kinderschutz-Zentrum Dortmund (Tel. 0231/2064580).
>>> Freie Plätze beim Elternabend: Zeit für Fragen
Donnerstagabend, 23. März, findet ein Elternabend zum Thema „schlafen und schreien“ statt. Von 18 bis 20 Uhr widmet sich Heide Barenhoff diesem schwierigen Thema im Fröndenberger Familienbüro, Markt 1. Sie gibt Tipps und verrät Tricks. Ebenfalls ist sie für Fragen offen. Es sind noch Plätze für Kurzentschlossene frei. Eintritt frei. Anmeldung im Familienbüro: unter Tel. 02303/272058 oder unter saskia.schoof@kreis-unna.de.
Außerdem gibt es jeden Dienstag von 9 bis 12 Uhr eine offene Sprechstunde ohne Termin und an jedem dritten Mittwoch im Monat ist eine Familienhebamme von 10 bis 12 Uhr für alle Fragen rund ums Baby vor Ort. Infos gibt es auf Instagram unter familienbuero_froendenberg.