Menden. Es gibt Unfälle, die bleiben auch gestandenen Polizeibeamten lange im Gedächtnis. Die Geschichten der Beteiligten sollen junge Raser aufrütteln.

Fahranfänger im Alter von 17 bis 24 Jahren verursachen 19 Prozent aller jährlichen Verkehrsunfälle. Viele davon enden tödlich. Das Programm „Crashkurs NRW“ der Polizei soll diese schreckliche Quote eindämmen. Am Donnerstagmorgen wurden deshalb Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Menden die Gefahren von Leichtsinn im Straßenverkehr bewusst gemacht. „Wir versuchen, die Jugendlichen auf emotionaler Ebene zu erreichen, damit sie sich an die Verkehrsregeln halten“, sagt Polizeihauptkommissarin Kerstin von Rüden.

Das Programm wende sich ausschließlich an ältere Klassen, die gerade in der Zeit des Fahren Lernens sind. Am Donnerstag ist das die Sekundarstufe II der Mendener Gesamtschule. „Für Jüngere ist diese Veranstaltung auch zu heftig“, erklärt von Rüden. Denn die Bilder und Geschichten, um die es bei dem Vortrag geht, zeigen schonungslos, wie schnell ein junges Leben innerhalb weniger Sekunden vorbei sein kann. Auf der Leinwand erscheinen Fotos von Unfällen. Sie zeigen brennende Fahrzeuge, Autos, die in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr wiederzuerkennen sind, Blutlachen. Es ist bedrückend still, im ganzen Raum sieht man betroffene Gesichter, einige haben Tränen in den Augen. Mithilfe dieser Konfrontation will die Polizei erreichen, dass die Schüler sich verantwortungsbewusster verhalten. „Junge Fahrer sind deutlich risikobereiter“, sagt von Rüden. Schulleiter Ralf Goldschmidt ist als freiwilliger Feuerwehrmann selbst mit den schrecklichen Auswirkungen von Verkehrsunfällen vertraut. Den versammelten Schülern erzählt er von einem Unfall im Jahre 1991, der ihn bis heute verfolgt. Er ist froh, dass das Programm „Crashkurs NRW“ nun auch an seiner Schule stattfindet.

Um den Schülern zu verdeutlichen, wie gefährlich es sein kann, auch nur für eine Sekunde während der Fahrt aufs Handy zu gucken, wird ein Absperrseil quer durch den Raum gespannt. Diese fünfzehn Meter legt ein Auto bei Tempo 50 in einer Sekunde zurück. „Euch muss klar sein, dass ihr auf der Strecke dann alles ungebremst umnietet, was auf die Fahrbahn tritt.

Radfahrer 96 Meter weit durch die Luft geschleudert

Beim „Crashkurs NRW“ erzählen Betroffene eines Unfalls von ihren persönlichen Erfahrungen. So zum Beispiel Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehr, Rettungssanitäter, Notfallseelsorger und auch Angehörige und Unfallopfer selbst.

Nina Mertens ist Polizistin in Altena und hat schon viele Unfälle aufgenommen. Sie erzählt von einem, der ihr besonders im Gedächtnis geblieben ist. Mit ihrem Kollegen sei sie damals zu einem Einsatz gerufen worden, bei dem zwei Fahrradfahrer von einem Auto erfasst wurden. Mit 130 km/h – 30 mehr als dort erlaubt waren – sei ein Pkw-Fahrer aus einer Kurve gerutscht und auf der Gegenfahrbahn mit zwei Radfahrern kollidiert. Der zweite prallte frontal auf die Motorhaube und wurde ganze 96 Meter weit durch die Luft geschleudert. „Wir hatten großes Glück, dass die Feuerwehr vor uns da war“, sagt Mertens. Die Szene sei schrecklich gewesen, beide Radfahrer schwer verletzt, während der Unfallverursacher nur einen Schock erlitt. Wie sich später herausgestellt habe, stand er unter Drogeneinfluss. Den Radfahrern gehe es heute nach vielen Operationen und langer Zeit wieder gut. Doch das sei nicht selbstverständlich. Solche Unfälle zu verhindern sei der Grund, weshalb Nina Mertens am Programm „Crashkurs NRW“ teilnimmt.

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Und auch Thomas Kade, der als Notfallsanitäter in Rettungshubschraubern mitfliegt, will an den Verstand der Schüler appellieren. Häufig seien Unfallopfer einfach nur unschuldige Mitinsassen. In seinem Beispiel schildert er deshalb den Unfall von Hannah und Chris. Chris kam mit viel zu hoher Geschwindigkeit von der Straße ab und fuhr vor einen Baum. Er war sofort tot. Seine schwer verletzte Freundin Hannah sei nur mühsam aus dem Autowrack befreit worden. Sie habe nicht gewollt, dass er so schnell fährt, sich aber nicht getraut, etwas zu sagen. Ein großer Fehler. Für die Gesamtschüler hat Kade deshalb einen Auftrag: „Ich will, dass ihr bereit seid, auf dem Beifahrersitz ‚Nein!‘ zu sagen.“