Lendringsen. Im Gewohnten das Besondere entdecken – diese Fähigkeit besitzt Jürgen Rosenthal, der jetzt in einer Ausstellung in Menden Alltags-Kreuze zeigt.
Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck spricht von einer Ausstellung, die wie gemacht ist für Menden – eine Stadt, in der das Kreuz verehrt wird und mit der Kreuztracht eine lange Tradition erhalten ist. Die Fotografien von Jürgen Rosenthal sind aber weit mehr als die Verehrung eines christlichen Symbols. Unter dem Titel „Kreuz + Quer“ zeigt der Mendener Alltagsfunde – denn Kreuze, das hat der Künstler festgestellt, begegnen uns jeden Tag. Man muss sie nur sehen.
Vor über 30 Jahren stolperte Jürgen Rosenthal erstmals über ein Kreuz, das im Balver Dorf Mellen vor ihm auf dem Boden lag. Zwei Äste, die sich zufällig im 90-Grad-Winkel kreuzten. „Ich dachte: Ach, das ist ja ein Kreuz. Das fotografiere ich mal“, erinnert sich Rosenthal. Damals ahnte er nicht, dass daraus eine Sammlung mit mehr als 100 Fotografien entstehen würde – Ende offen.
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„Als Jürgen Rosenthal mir die Bilder mal zeigte, habe ich sofort gedacht, dass wir die einmal in der Fastenzeit in Menden zeigen müssten“, berichtet Jutta Törnig-Struck. Gemeinsam mit Altbürgermeister Rudolf Düppe, heute Vorsitzender des Fördervereins für das Museum, eröffnete sie die Ausstellung am Sonntag (26. Februar). „Das haben die beiden toll gemacht – humorig, aber auch mit dem nötigen Ernst. Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst“, findet Jürgen Rosenthal.
Dabei waren allerdings viele Interessierte. „Wir mussten sogar noch Stühle zusätzlich aufstellen“, erinnert sich die Museumsleiterin. Sie und der Künstler hoffen, dass die Kreuze viele Menschen animieren, die Ausstellung auf GutRödinghausen noch bis zum 16. April zu besuchen.
„Es geht hier nicht um die Kunst der Fotografie, sondern um die Motive“, betont Jutta Törnig-Struck. „Schließlich sind die Fotos oft auch schnell mit dem Handy gemacht worden und nicht immer ganz scharf.“ So sind Momentaufnahmen entstanden, die nur als Fotos erhalten bleiben. Die Museumschefin hat eine Vorliebe für gekreuzte Kondensstreifen am Himmel. Die wahrlich sind nur kurz zu sehen, verschwinden dann aber wieder – für immer.
Auch die beiden Äste in Mellen dürften nach dem Erstellen des Fotos nicht mehr lange als Kreuz Bestand gehabt haben. Ein unachtsamer Mensch oder ein Tier könnte das Kreuz zerstört haben. Auf der anderen Seite zeigt Jürgen Rosenthal aber auch Kreuze, die für die Ewigkeit gemacht zu sein scheinen – etwa als Balken in Fachwerkhäusern oder weil sie aus Metall gefertigt wurden.
Die Kunst ist es, diese Kreuze zu entdecken. Mal muss sich der Blick weiten, um sie zu sehen. Bei anderen Gelegenheit muss er sich auf ein Detail konzentrieren. Die Ausstellung „Kreuz + Quer“ zeigt nicht nur eine außergewöhnlich große Vielfalt. Sie regt auch zum Nachdenken an. So manches in Auflösung befindliche Kreuz passt für Jürgen Rosenthal in eine Zeit, in der die Kirche um jeden Gläubigen kämpfen muss und mit sich selbst ringt.
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„Für mich ist das Kreuz in erster Linie ein christliches Symbol. Damit bin ich aufgewachsen. Es ist aber kein kirchliches Symbol“, sagt Jürgen Rosenthal. Das kann Jutta Törnig-Struck bestätigen. Kreuze gebe es immer wieder auch als nicht christliches Symbol. Schon in der Steinzeit seien sie verwendet worden.
Die Fotografien sind in der Ausstellung bewusst alle in der selben Größe und im selben Format auf Leinwand zu sehen. Sie sind auch käuflich zu erwerben, dann in verschiedenen Größen bestellbar. „Das steht hier nicht Vordergrund, ist aber möglich“, sagt Rosenthal. Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf will er dem Verein „Mendener in Not“ zukommen lassen.
Jürgen Rosenthal überlässt Betrachtern ihre eigene Deutung
Zu den einzelnen Werken gibt es keine ausführlichen Erläuterungen. Jeweils am Boden darunter finden sich kleine Schilder, auf denen zu sehen ist, wann und wo sie entstanden sind. Jürgen Rosenthal überlässt es den Menschen, die seine Fotografien betrachten, sie zu deuten und für sich auszulegen – ganz individuell.
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Über zwei Stockwerke erstreckt sich die Ausstellung, die Bilder hängen eng beieinander. Jutta Törnig-Struck gefällt das. Ohnehin findet sie, dass sich das Gut Rödinghausen besonders für die Ausstellung eigne. „Es gibt hier ja auch viele Kreuze – seien es die Balken im Fachwerk oder die Fensterkreuze“, sagt sie.
Wer die Ausstellung besucht hat, wird anschließend sicher mit einem anderen Blick unterwegs sein – immer auf der Suche nach verborgenen Kreuzen des Alltags.