Menden. Ersthelfer schildern die Attacke auf einen Mendener an der Galbreite. Eine Luxuskarosse wirft derweil Fragen zum Einkommen eines Angeklagten auf.
Der dritte Verhandlungstag im Prozess um zwei Brüder, die einen Bekannten mit einem Baseballschläger im Dezember 2021 an der Galbreite verprügelt haben sollen, fördert zumindest aus Sicht des Gerichts weitere Fragen zutage. Vor allem über die Einkommensverhältnisse des älteren Angeklagten und mögliche Verbindungen ins Rotlichtmilieu.
Ex-Freundin schweigt
Dass sie ihr Opfer attackiert haben, hatten beide Angeklagte bereits am zweiten Verhandlungstag umfassend eingeräumt. Einzig um die Planung und den genauen Ablauf geht es inzwischen. Eine entscheidende Rolle könnte dabei die Ex-Freundin des 22-jährigen Mendeners spielen. Die hatte sich bei ihrer ersten Aussage mehrfach in Widersprüche verstrickt – und das so weit, dass sogar eine Mittäterschaft und Falschaussage nicht ausgeschlossen werden konnte. Doch statt Licht ins Dunkel zu bringen, schweigt die Hemeranerin. Ihr Anwalt nimmt zwar nur in den Zuschauerrängen Platz, rät ihr aber von einer Aussage ab. Wohl auch, weil Amtsrichter Martin Jung auf eine mögliche versuchte Strafvereitelung hinweist, um ihren früheren Partner zu schützen.
Mercedes AMG bei Dortmunder Polizei
Derweil wirft ein Versäumnisurteil des Landgerichts Arnsberg weitere Fragen für das Amtsgericht Menden auf. Im Raum stehen 10.000 Euro Schmerzensgeld, die die Angeklagten an das Opfer zahlen sollen. Einzig ein Vollstreckungsversuch ist bisher ohne Erfolg geblieben. Dabei macht der Anwalt des Opfers auf einen Eintrag beim Kraftfahrtbundesamt aufmerksam. Demnach ist ein Mercedes AMG C63 auf den älteren Bruder zugelassen. Neupreis: ab 80.000 Euro.
+++ Hintergrund: Kokain, ein Baseballschläger und eine Escort-Dame +++
„Das wirft einen weiteren dubiosen Blick auf ihre Einkommensverhältnisse“, so Amtsrichter Martin Jung in Richtung Anklagebank. Der 22-Jährige, der ansonsten von Arbeitslosengeld leben soll, zuckt mit den Achseln. Für Jung nicht nachvollziehbar. Erst recht nicht, nachdem der Mendener von der Polizei mit einem Bündel Bargeld aufgegriffen wurde und auch Verbindungen zu einer Escort-Dame im Raum stehen. „Das sieht zumindest nach Nebeneinkünften aus der Prostitution aus“, sagt Jung. Doch den Wagen habe er „grade nicht“. Der Mercedes stehe in Dortmund. Bei der Polizei.
Anschließend sagen aber zumindest Anwohner und Ersthelfer aus. Ein 31-Jähriger schildert den Abend kurz vor der Jahreswende 2021/22. „Wir saßen zusammen im Esszimmer und haben Brettspiele gespielt.“ Plötzlich hätte man Schreie, Schläge und ein schnell vorbeifahrendes Auto an der Galbreite gehört. Kurzerhand hätten der 31-Jährige, seine Freundin und sein Bruder sich dazu entschlossen, nachzuschauen. In der Unterführung sei dann bereits eine größere Gruppe zu sehen gewesen. „Obwohl wir zu dritt waren und gerufen haben, haben sie nicht von ihrem Opfer abgelassen“, berichtet der Politikwissenschaftler. Aus dem zuvor vorbeifahrenden Auto seien dann nochmals zwei Personen in Richtung Menschentraube gelaufen. Dann habe sich der Pulk „ohne erkennbaren Grund“ aufgelöst. Das Opfer, ein damals 19 Jahre alter Mendener, sei „komplett blutüberströmt und bewegungsunfähig“ gewesen, die Jacke regelrecht aufgeschlitzt. Die Jacke hat das Opfer, das gleichzeitig als Nebenkläger im Prozess ist, gleich mitgebracht. Die Daunen der Fütterung quillen aus allen Nähten, rieseln regelrecht auf den Boden im Gerichtssaal.
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Doch die Aussage der Ersthelfer könnte auf weitere Täter hindeuten. Der 31-Jährige ist sich sicher, dass es „mehr als eine Person war, die auf das Opfer eingeprügelt“ hat. Auf der Anklagebank sitzen allerdings lediglich die beiden Brüder. Die Freundin des jungen Mannes bestätigt die Schilderung anschließend – und ebenso das mutmaßliche Motiv. „Es war ganz klar, dass sie das Handy haben wollten“, sagt die 31-Jährige. Auch sie berichtet von mehr als zwei Tätern, die auf das Opfer einprügelten.
Bekannte im Fokus
Für Richter Martin Jung Grund genug, die beiden Bekannten der Brüder genauer unter die Lupe zu nehmen – allerdings nicht ohne sie vorher darauf hinzuweisen, dass auch sie möglicherweise in den Angriff verwickelt gewesen sein könnten. Beide jungen Männer – 18 und 20 Jahre alt – beharren jedoch darauf, nicht eingegriffen zu haben. Sie seien lediglich mit dem jüngeren der beiden angeklagten Brüder zuvor etwas essen gewesen, hätten ihn danach an der Galbreite abgesetzt. Warum sie zur dorthin fuhren: unklar. Und auch dass plötzlich ein Baseballschläger aus dem Kofferraum des Autos genommen wurde, mit dem das Opfer anschließend malträtiert wurde, hätten sie nicht mitbekommen. Warum im Auto überhaupt ein Baseballschläger gelegen habe, kann der 20-jährige Fahrer auch nicht genau sagen Zu viel für Amtsrichter Jung: „Ich bin schon viel besser angelogen worden.“
Die Verhandlung wird fortgesetzt.