Menden. Polina Lukianchenko und ihr Bruder Nasar mussten ohne ihre Eltern die Ukraine verlassen und haben in Menden ein neues Zuhause gefunden.

Im Haus der Familie Marquardt in Menden ist immer was los. Die Oma, Eltern und vier Kinder leben als Großfamilie unter einem Dach. Am 6. März vor einem Jahr kamen noch zwei Kinder hinzu. Polina Lukianchenko und ihr Bruder Nasar mussten ohne ihre Eltern die Ukraine verlassen und wurden von ihrer Tante Viktoria Marquardt nach Menden geholt.

Herzenswünsche von Polina und Nasar

Welcher Mendener Gastronom möchte Polina den Wunsch von einem gemeinsamen Essen für zehn Personen inklusive Getränke erfüllen?

Welcher Fußball-/Handballverein lädt Nasar zum Probetraining ein und würde ihm eine sportliche Gemeinschaft trotz seiner Sprachbarriere bieten?

Wer helfen möchte, kann sich gerne per Mail melden unter menden-westfalenpost@funkemedien.de. Wir leiten den Kontakt dann an Polina und Nasar weiter.

Alles ging ganz schnell

„Es ging alles so schnell, mein Schwager Olek, der Vater der Kinder, rief uns an und bat uns, die Kinder zu uns in Sicherheit zu bringen“, schildert die Mutter, die mit ihrer Familie seit 30 Jahren in Deutschland lebt. Ihr Schwager lebte mit seiner Familie in Tscherkassy in der Zentralukraine.

Flucht beginnt mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht machte sich die Mendenerin mit ihrem Mann auf den Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze, dort sollte die Übergabe der Kinder stattfinden. Von jetzt auf gleich brach auch für sie eine Welt zusammen. „Wir haben noch viele Verwandte in der Ukraine und sorgten uns sehr, wir hofften, dass alles gut geht und mein Schwager und die Kinder es wohlerhalten bis zu Grenze schaffen“ sagt die bereits vierfache Mutter.

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Die heute 16-jährige Polina erinnert sich genau: „Es hat drei Stunden gedauert, bis wir es in der langen Schlange der Flüchtenden bis zum Grenzübergang geschafft hatten.“

Vater durfte die Ukraine nicht verlassen

Polina hielt ihren kleinen Bruder fest an der Hand. „Mein Vater durfte die Ukraine nicht verlassen und meine Mutter konnte nicht, weil sie sich zu Hause um unsere pflegebedürftige Oma kümmert.“

Wie schwer den Kindern der Abschied fiel, ist kaum vorstellbar, aber einen kleinen Trostspender hatten sie mit im Gepäck. Familienhund Bysja. Mit dem kleinen Yorkshire-Terrier nahmen sie wenigstens etwas Vertrautes mit in die Fremde – ganz alleine, ohne ihre Eltern. Das Ganze ist inzwischen ein Jahr her, und Polina und ihr Bruder Nasar fühlen sich wohl bei den Marquardts.

Zwar bedeutete ihr Einzug in das Haus Ob dem Glockenteich für die beiden bereits dort lebenden Teenagertöchter auch, dass sie eines ihrer Zimmer räumen mussten, aber das, beteuert Alexandra, die 14-jährige Tochter der Marquardts, sei überhaupt kein Problem für sie, zumindest meistens.

Kinder haben sich gut eingelebt in Menden

Polina und Nasar haben sich gut eingelebt, beide besuchen die Internationale Klasse des Gymnasiums an der Hönne. Polina ist ein typischer Teenager, macht sich gerne hübsch, trifft sich mit Freundinnen, geht gerne shoppen und ihr liebstes Hobby ist das Tanzen, das sie auch in einer Tanzsportgruppe ausübt. Sie träumt davon, Abitur zu machen und nach einer Ausbildung als Hotelkauffrau arbeiten zu können.

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Viktoria Marquardt und ihr Mann machen keine Unterschiede zwischen den beiden und ihren leiblichen Kindern, alle leben den ganz normalen Familienalltag. Sogar in den Urlaub ist die Familie im vergangenen Jahr bereits zusammen gefahren. Es ging nach Spanien, dort hatten sie ein Ferienhaus in der Nähe von Benidorm gemietet. „Es war so schön, die Sonne und das Meer“, noch heute strahlen nicht nur Polinas Augen, wenn sie sich daran zurückerinnert.

Urlaube mit der neuen Familie

Auch ein Kurzurlaub in Berlin stand in letzten Jahr auf dem Programm der Großfamilie. „Ich habe versucht, den Kindern viel über die jahrzehntelange Spaltung Deutschlands und die Wiedervereinigung zu erzählen, in der Ukraine war die politische Bildung ja eine ganz andere“, erklärt Viktoria Marquardt.

Für Nasar ist das alles noch kein Thema, der Elfjährige liebt es, sich zu bewegen und mit dem Roller zu fahren. Er ist ein typischer Junge, der sich gerne mal zurückzieht und am liebsten mit den beiden Haustieren, der Katze Agatha und seinem Hund Bysja, spielt.

Auch mit dem Deutschsprechen klappt es bei ihm noch nicht so gut, aber da ist sich die Familie sicher, das wird auch bald besser. Schließlich darf man nicht außer Acht lassen, welches Trauma die Kinder erleiden mussten. Bei einem ist sich aber die ganze Familie am Glockenteich einig, die beste Fußballmannschaft ist Borussia Dortmund, alle sind Fans des BVB. Gemeinsam haben sie die Kicker bereits im Signal Iduna Park angefeuert.

Kinder vermissen ihre Eltern

Doch alle Liebe und Fürsorge, die ihnen von ihrer Familie in Menden entgegengebracht wird, täuscht nicht darüber weg, dass die Kinder ihre Eltern vermissen – und umgekehrt. Deshalb telefonieren sie, wenn möglich, jeden Tag miteinander. Auf die Frage, was sie sich wünschen, antworten alle einmündig: „Der Krieg soll endlich aufhören.“

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Polina aber hat einen ganz besonderen Wunsch, sie würde ihren Cousinen und Cousins und der Tante und dem Onkel, die so viel für sie tun, auch gerne mal eine Freude machen und sie alle zusammen zu einem richtig schönen Abendessen in ein Lokal einladen, aber dazu fehlt dem Mädchen das Geld.

Welcher Handball- oder Fußballverein kann helfen?

Der elfjährige Nasar indes träumt davon, sich im Handball- oder Fußballspielen ausprobieren zu können. In der Ukraine hat er nur kurze Zeit in einem Fußballclub gespielt, deshalb hat er Trainingsrückstand, aber dem Jungen geht es darum, Freunde und Gemeinschaft außerhalb der Schule zu finden. Leider haben ihm zwei Mendener Vereine bereits eine Absage erteilt (siehe Aufruf in der Infobox).