Menden/Schweden. Spontan entschlossen und aufs Rad gesetzt: Fabian Ulferts aus Menden fährt mit dem Rad ans Nordkap. Dabei ist er extremen Temperaturen ausgesetzt.
Der Schnee knirscht unter den Rädern, die Spikes graben sich in den rutschigen Untergrund. Es ist klirrend kalt. Minus 8 Grad. „Nachts ist es tierisch kalt.“ An Fabian Ulferts Bart bilden sich Eiskristalle. Der Wind ist frostig. Doch der Mendener hat ein Ziel vor Augen: Er will das Nordkap in Norwegen erreichen – mit dem Fahrrad. Damit ist er nicht der Erste, ja. Aber wer ist der Kerl, der diese Tour spontan im tiefsten Winter macht?
„Ich habe mir darüber gar keine Gedanken gemacht“, sagt der 33-jährige Extremsportler und Weltenbummler. „Ich habe jetzt die Zeit dafür.“ Lange zu überlegen ist nicht sein Ding. Vor einigen Monaten kündigt er seinen Job und genießt die Freiheit. „Reisen gibt mir sehr viel. Ich lerne andere Kulturen und viele Menschen kennen, die das gleiche Mindset haben wie ich“, sagt Fabian Ulferts. Er sei gerade frisch in Indien gewesen und sei allein durchs Himalaya-Gebirge gewandert.
Wieder zurück im heimischen Menden packt ihn schnell das Fernweh. Drei Tage vor seiner Abfahrt habe er entschieden, dass er seine freie Zeit für dieses Abenteuer nutzen möchte. Erst als er in einem Geschäft für Outdoor-Bekleidung neue Stiefel kauft und der Verkäufer ihn für verrückt erklärt, merkt er: Im Winter ist die gewählte Strecke eine völlig andere Nummer als im Sommer. „Dann dachte ich mir: Dann erst recht“, sagt Fabian Ulferts lachend am Telefon.
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Mittlerweile sitzt er in einem Hotel im schwedischen Nora. „Alle 1000 Kilometer habe ich mir vorgenommen, in ein Hotel zu gehen“, sagt Ulferts. Duschen, richtig Essen, Akkus laden – das müsse einfach zwischendurch mal sein. „Und Sauna“, ergänzt er lachend. Denn so ganz spurlos gehen die geradelten Kilometer an dem geübten Sportler nicht vorbei. Vor allem morgens, wenn der Körper noch sehr kalt ist, müsse er sich immer selbst motivieren. „Dann ist es ein Kampf. Aber es gibt keine andere Option – es muss weitergehen. Wenn andere aufhören, dann denke ich mir: Jetzt erst recht. Ich bin sehr ehrgeizig.“
100 Kilometer pro Tag schaffen – von insgesamt rund 3500 Kilometern Strecke
Bisher sei der Weg gut gewesen. Von Menden aus sei er über Dänemark nach Schweden geradelt. Jeden Tag legt er mindestens 100 Kilometer zurück – mit 25 Kilogramm Gepäck am Rad. Mit dabei hat er Zelt, Isomatte, zwei Schlafsäcke, drei Jacken, zwei Paar Schuhe, weitere Kleidung, Essen, Gas und dazugehöriger Kocher. Ebenfalls im Gepäck Handy, Powerbank und Fahrrad-Navi mit GPS. Seine Familie und Freunde hält er über die sozialen Medien auf dem Laufenden. „Und meinen Opa rufe ich alle paar Tage an. Er macht sich immer Sorgen.“ Angst hat er alleine nicht. Schließlich treffe er überall auf freundliche Menschen. Viele würden ihm Glück wünschen und Fotos mit dem Mendener schießen. „Und die Tiere haben mehr Angst vor mir als ich vor ihnen.“ Nur einmal sei er „beklaut“ worden – von Mäusen. Die kleinen Tiere hätten sich nachts über das eingekaufte Fleisch hergemacht.
Trotz der guten Erfahrungen hat Fabian Ulferts ein Sicherheitsnetz: Täglich bis 10 Uhr meldet er sich per Nachricht bei einem Freund und sagt Bescheid, dass es ihm gut geht. „Wenn ich mich nicht melde, weiß er, dass etwas nicht stimmt.“ Zur Not würde ihn sein Freund abholen. Denn der Mann lebt in Schweden. Er ist ausgewandert – von Menden in die Mitte Schwedens.
Draußen schlafen und kochen: Keine Angst vor wilden Tieren
Von Nora bis zu seinem Freund, bei dem er mehrere Tage unterkommen möchte, sind es noch mehrere hundert Kilometer. Von dort wiederum noch rund 1800 Kilometer bis zum Nordkap in Norwegen. „Der schwierigste Teil kommt jetzt erst“, sagt Fabian Ulferts. So erwarten ihn immer kältere Temperaturen, Stürme, mehr Schnee und Eis und immer weniger Tageslicht je weiter er in den Norden fährt.
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Im Moment steht er mit der Sonne gegen 8 Uhr auf, um 16 Uhr wird es dunkel, und um 18/19 Uhr beendet er die Fahrt. Die Route hat er spontan geplant – entlang der Schutzhütten. Denn eigentlich schläft er immer draußen und nutzt Buswartehäuschen, Grillhütten oder eben Schutzhütten zum Übernachten. Sein Zelt hat er zwar mit, aber bisher noch nie aufgebaut. Aus Bequemlichkeit. „Ab minus 20 Grad wird es allerdings gefährlich. Da nehme ich mir ein Hotel.“
Schätzungsweise vier bis fünf Wochen wird Fabian Ulferts noch brauchen, bis er sein Ziel erreicht – wie lang genau, ist ihm egal. Hauptsache, er schafft es. Der Nervenkitzel und die Lust, Grenzen zu überschreiten treiben ihn weiter an – auch bei eisiger Kälte und gefrorenem Bart.
Wir berichten weiter über Fabian Ulferts Reise ans Nordkap, dem nördlichsten vom Festland aus erreichbaren Punkt Europas.