Menden. Hellere Gehwege, mehr Stadtgrün: Der Mendener Rat steht vor dem Beschluss einer umfassenden Klimaschutz-Reform.

Die jüngste Dürre ließ die Hönne fast versiegen und Bäume in Stadt und Wald absterben – und sie ist erst wenige Wochen her. Im Sommer 2021 gab es in Menden dagegen viel zu viel Wasser: An Hönne und Bieber soffen reihenweise Keller ab, und es gab große Flutschäden. Doch Menden leidet nicht nur unter den Folgen des Klimawandels, die Stadt kann auch viel dagegen tun. Über eine neue Leitlinie für ein gesundes Stadtklima soll der Stadtrat in seiner Dezember-Sitzung abstimmen. Die Leitlinie wird der Politik heute im Ausschuss für Umwelt und Klima vorgestellt. Sagt der Stadtrat am Ende dazu Ja, dann greifen die Regeln künftig tief in jeden Bereich der Stadtplanung ein.

Warnendes Beispiel Schwimmbad: Gebäude hätte Innenstadt die Luft genommen

Wie konkret das sein kann, zeigte sich zuletzt an den Plänen für das neue Hallenbad plus Sporthalle auf dem früheren Gisbert-Kranz-Sportplatz. Dort grätschte die Bezirksregierung Arnsberg mitten hinein in laufende Planungen: Die Stadt habe nicht berücksichtigt, dass der „Kessel Innenstadt“ über das Sportplatzgelände belüftet und gekühlt wird. Neubauten könnten die Frischluftzufuhr abschneiden – ein Aspekt, der bis dahin offenbar keine Rolle gespielt hatte. Im Entwurf der Leitlinie ist die Sicherung von Kaltluft-Entstehungsgebieten jetzt festgehalten. Und Luftschneisen sind frei zu halten.

Erschreckender Ausblick: Ohne Maßnahmen wird Menden zur Hitzeinsel

Vieles aus der Leitlinie ist bereits tägliche Praxis, anderes ist neu. So hat man heute schon für Eingriffe in die Landschaft Ausgleichsräume zu schaffen. Auch gelten die Sanierung von Gebäuden und das Schließen von Baulücken längst als besser als neue Wohn- oder Gewerbeflächen. Jetzt aber ist auch das Mikroklima in jedem Baugebiet zu untersuchen. Erschreckendes zeigt an dieser Stelle eine Grafik zum neuen Regionalplan: In 50 Jahren könnten sich Hitzeinseln – besonders heiße Stellen im Stadtgebiet – über halb Menden ausgebreitet haben. Sie entstehen, wo Grün und Frischluft fehlen. Oberflächen von Straßen und Gebäuden speichern Wärme und heizen die Luft zusätzlich auf. Kann sie sich nicht mit kühlen Brisen aus Grünflächen mischen, wird’s zu heiß. Das ist beim Planen und Bauen künftig zwingend zu beachten, ebenso die Kühlleistung des Bodens.

Alle künftigen Plangebiete sollen auch ohne Auto attraktiv sein

Alle Plangebiete müssen laut der Leitlinie in Zukunft an das bestehende Fuß- und Radwegenetz sowie den öffentlichen Nahverkehr angebunden sein, um Autos so überflüssig wie möglich zu machen. Jedes Baugebiet soll laut der Leitlinie zudem ein eigenes Energieversorgungskonzept erhalten – und alles soll so liegen, dass Sonnenenergie optimal zu nutzen ist.

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Mehr Wald gefragt: Natürliche Klimaanlage schützt vor vielen Unbilden

Blick über das Gebiet im Lahrwald: Auch hier haben die Dürren der letzten Jahre und der Borkenkäfer keine Fichte mehr stehen lassen.
Blick über das Gebiet im Lahrwald: Auch hier haben die Dürren der letzten Jahre und der Borkenkäfer keine Fichte mehr stehen lassen. © Alexander Lück

Dabei gilt auch: Je mehr Bauland der Stadt selbst gehört, desto mehr Einfluss hat sie auf die Einhaltung ihrer Klimaschutz-Vorgaben. Weil etwa der Wald als natürliche Klimaanlage Trockenheit, Starkregen, Kälte oder Hitze, Luftverschmutzung und UV-Strahlung abmildert, sollen mehr Waldflächen ausgewiesen werden. Neuanpflanzungen sollen dem Klima und dem Standort angepasst sein.

Schottergärten in Menden jetzt ausdrücklich unerwünscht – und teuer

Ganz besonders forcieren soll Menden der Leitlinie zufolge die Begrünung von Dächern und Fassaden. Häuslebauer sollen ihre Terrassen und Zufahrten versickerungsfähig halten, statt alles zu betonieren. Schottergärten sind in Menden ausdrücklich „nicht erwünscht“. Sie werden laut Leitlinie auch teuer, weil als vollversiegelte Flächen berechnet. Das Recycling der immer wertvoller werdender Baustoffe soll wichtiger und ebenfalls eingerechnet werden.

Ob Kita oder Naherholung: Überallhin soll es kurze (Fuß-)Wege geben

Der bei Hitze erforderliche Erholungsraum soll für jeden Mendener und jede Mendenerin höchstens 400 Meter entfernt liegen und somit zu Fuß erreichbar sein. Auch der nächste Einkaufsmarkt sollte nicht weiter als 700 Meter weg sein, ebenso Kita und Grundschule. Alle neuen Gehwege sollen laut der Leitlinie mindestens zwei Meter breit sein – und so hell, dass sie Sonnenstrahlen reflektieren. Es gibt Mindestgrößen für Spielplatzflächen, und Parkplätze sind zu begrünen: für 20 Parkplätze mit mindestens einem Baum mit großer Krone.

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Menden soll zur „Schwammstadt“ werden – und das Wasser halten

Zwei Jahre Praxistest

Die Leitlinie will die Stadt zwei Jahre lang in der Praxis testen. Dann geht es ans Geld: Es soll finanzielle Anreize für Planungen nach der Leitlinie geben. Umgekehrt können Vorhaben deswegen abgelehnt oder Ausgleichszahlungen verlangt werden.

Die Stadtbäume sollen so wurzeln können, dass sie das Wasser wie ein Schwamm im Boden halten. An Straßen sollen klimafeste Bäume stehen, die nicht unbedingt heimischer Art sein müssen. Bei Auswahl und Pflege soll auch der Brandschutz eine Rolle spielen. Den Schutz vor Starkregen will die Stadt verbessern: durch genaue Gefahrenkarten und mehr Überschwemmungsflächen. Regenwasser soll als Brauchwasser künftig besser genutzt werden. Seine Einleitung aus Rückhaltebecken in die Gewässer soll schonender erfolgen.

Der Tierwelt sollen Fledermaus- und Vogelnistkästen oder Insektenhotels helfen. Das Orts- und Landschaftsbild ist besser zu schützen. Die Straßenbeleuchtung soll energieeffizient und insektenfreundlich sein, die Lärmbelastung so gering wie möglich.

Die neue Leitlinie lässt sich bei Neubauten einfacher anwenden als im Altbau. Doch im Bestand, heißt es abschließend, seien dann Kompromisse zu suchen.