Menden/Paderborn. Schuldunfähig und auf einem guten Weg: Kranker Mendener kommt vor Gericht um Einweisung in die Psychiatrie herum. Er bedrohte Menschen mit Axt.
Ein Mann eiert durch sein Leben. Alkohol und eine geistige Erkrankung lassen ihn immer wieder die Orientierung verlieren. Einen Fixpunkt hat er: den Gerichtssaal, die Anklagebank. Diesmal stand für den Mendener die Einweisung in die Psychiatrie auf dem Spiel – und damit ein Freiheitsentzug ohne zeitliche Begrenzung. Er hatte in der psychiatrischen Klinik in Eickelborn sein Zimmer abgefackelt.
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Die Geschichte des 60-Jährigen ist eine eher tragische – und warum er in Paderborn vor der 1. großen Strafkammer stand, nur zu verstehen, wenn man die Verkettung von Ereignissen betrachtet. Alkohol spielt seit früher Jugend eine Rolle im Leben des Mendeners, leider auch eine so genannte bipolare affektive Störung, die Psychiater zu den psychischen Krankheiten zählen. Immer wieder fällt der gelernte Gärtner durch Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzungen und fahrlässigen Vollrausch auf – Folgen seiner Krankheit, die ihn mehrfach vor Gericht bringen.
Pfarrer in Menden während der Messe geohrfeigt – und mit Axt unterwegs
So will auch im April 2021 das Landgericht Arnsberg gegen ihn verhandeln. Unter anderem hatte der Mendener zuvor in seiner Heimatstadt einen Pfarrer im Gottesdienst geohrfeigt, später mit einer Axt seinem Unmut Ausdruck verliehen. Als er in der Sparkasse nicht schnell genug an sein Konto kam, schlug er das Werkzeug in eine Tischplatte. Im Jahr darauf klopfte er – ebenfalls mit einer Axt –Schlitze in die Motorhaube des Mercedes, dessen Besitzer ihn als Gärtner beschäftigt hatte – es standen 126 Euro Lohn offen.
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Das Landgericht Arnsberg stellte den Prozess sicher, indem es den jetzt 60-Jährigen im September 2020 in der LWL-Psychiatrie in Eickelborn vorläufig unterbringen ließ. Auch dort hinterließ der Mendener einen bleibenden Eindruck, diesmal mit Hilfe eines Feuerzeuges.
Zimmer ausgebrannt und sechs Monate nicht belegbar
Es ist der 7. Januar 2021. Auf der Station 16-1 geht um 22.25 Uhr ein Feueralarm los. Der Krankenpfleger, der Nachtdienst hat, erlebt den 15. Brand in seiner 34-jährigen Dienstzeit. Der Patient aus Menden sei bereits die ganze Woche über „antriebsgesteigert“ gewesen, berichtet der Zeuge vor der Strafkammer, er habe an jenem Abend irgendwann „im Dauerbetrieb“ die Rufanlage betätigt, herumgebrüllt, verbal randaliert. „Mir war klar, dass das Zimmer die Nacht nicht unbeschadet überstehen wird.“
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Eine düstere Prophezeiung: Nach den Löscharbeiten ist das Zimmer ausgebrannt, für sechs Monate nicht belegbar, es muss für 36000 Euro renoviert werden. Weil der Mendener als aggressiv gilt und der Pfleger alleine ist, bleibt die Zimmertür trotz des Feuers zunächst verschlossen, die Feuerwehr löscht durch die Durchreiche-Klappe der Tür. Risikoabwägung, sagt der Zeuge. Er weiß, es ist Quatsch, was der zündelnde Patient von drinnen ruft: Er habe alles unter Kontrolle. In einem Moment, als durch die Klappe zu sehen ist, dass der Mendener direkt hinter der Tür steht, greifen die Pfleger, mittlerweile zu zweit, zu – und holen ihn aus dem lichterloh brennenden Zimmer.
Beinahe seinem eigenen Feuer zum Opfer geworden
„Es war wahnsinnig knapp“, sagt der Zeuge, „das hätte für ihn schief gehen können.“ Will heißen: Um Haaresbreite wäre der Patient Opfer seines selbst gelegten Feuers geworden. Warum er die Matratze des Bettes angezündet hatte, darüber gibt der Beschuldigte in diesem Prozess dem Gericht bereitwillig selbst Auskunft: Ein Mitpatient sei ein „Schläfer“ gewesen, von dem er befürchtet habe, er könnte die Station kapern, Pfleger und andere Patienten als Geiseln nehmen. „Ich wollte aus meinem Zimmer raus, um nach dem Rechten zu sehen. Deshalb habe ich das Feuer gemacht.“ Seither haben die rauchenden Patienten auf der Station keine Feuerzeuge mehr, Streichhölzer auch nicht.
Der Prozess wird als so genannten Sicherungsverfahren geführt: Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 60-Jährige zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen sein könnte, betreibt keine Strafverfolgung, aber seine Unterbringung in der Psychiatrie. Weil von ihm die Gefahr weiterer schwerer Straftaten wie etwa einer Brandstiftung ausgehen könnte, so wie sie in Eickelborn stattgefunden haben soll. Letztlich kommt das Gericht aber zu der Erkenntnis, dass es nur eine Sachbeschädigung war: Das Zimmer sei zwar ruiniert worden, aber keine Substanz des Gebäudes beschädigt. Damit habe der Mendener keine Tat begangen, die so erheblich sei, dass sie für eine Unterbringung in der Psychiatrie ausreiche. Auch in diesem Fall stellt ein psychiatrischer Gutachter fest, dass der 60-Jährige schuldunfähig war: Die Wahnvorstellung von der Geiselnahme, die der Beschuldigte habe verhindern wollen, sei „wahrscheinlich handlungsleitend“, also Auslöser dafür gewesen, das Feuer zu entfachen. „Das passt klar zur Diagnose“.
Unterbringung in der Psychiatrie abgelehnt
Jetzt kommt dem Mendener zugute, dass sein Auftreten vor Gericht ruhig, konzentriert und kooperativ ist, ein bisschen Redseligkeit ist nicht zu seinem Schaden. Das Landgericht Arnsberg hatte ihn seinerzeit freigesprochen, aber im Zuge dessen war er auf der Straße gelandet. Nach einem alkohol- und drogenbedingten Zusammenbruch bekam er einen gesetzlichen Betreuer und einen Platz in einer psychosozialen Wohngruppe in Hemer.
„Zurzeit läuft es gut für Sie“, musste sogar der Staatsanwalt zugeben. So gut, dass der Gutachter unter den aktuellen Bedingungen keine Wiederholungsgefahr für weitere Straftaten sieht – und das Gericht eine Unterbringung in der Psychiatrie ablehnt. „Wir wünschen Ihnen, dass es auf dem Weg weiter geht“, sagt der Vorsitzende Richter. „Sie müssen aber auch verstehen, dass, wenn Sie vor jemandem eine Axt in eine Tischplatte donnern, dann einer sagt: Der muss weg.“