Menden. Modernste Regeltechnik gegen die Gaskrise: Wenn’s klappt, wäre die Einsparung im Mendener Rathaus enorm. Der Einbau beginnt in wenigen Tagen.

Weniger Gas verheizen – das ist gut fürs Klima und aktuell besonders gut für die Stadtkasse: 270 intelligente Thermostat-Ventile im Mendener Rathaus sollen ab Mitte Oktober den Erdgasverbrauch der bisher größten kommunalen Energieschleuder in Menden drastisch absenken – um den Kanzler zu zitieren: mit einem „Wumms“ um fast ein Drittel. Das entspräche jährlich rund 300.000 Kilowattstunden (kWh), dem Jahresverbrauch einer kleinen Wohnsiedlung, und das bei Anschaffungskosten im unteren fünfstelligen Bereich. Im vergangenen Jahr verbrannte das Rathaus allein noch satte 935.000 kWh an Erdgas.

Sehr schnelle und effektive Einsparmöglichkeit bei geringem Aufwand

Für Martin Niehage, den Betriebsleiter im städtischen Immobilienservice ISM, sind die 270 Thermostate „ein Beispiel für eine sehr schnelle und effektive Einsparmöglichkeit bei verhältnismäßig geringem Aufwand“. Die Anschaffung der kleinen Geräte, die etwa 150 Euro pro Stück kosten, werde obendrein zu einem Fünftel aus der „Bundesförderung Energieeffiziente Gebäude“ mitbezahlt.

Bei erfolgreichem Probelauf Einbau auch in andere städtische Gebäude

Stellt sich der Gas-Einspareffekt im kommenden Jahr wie erhofft ein, dann will der ISM die Thermostate auch in allen anderen großen Stadt-Gebäuden einsetzen. „Wobei man die Charakteristik jedes Gebäudes und jeder einzelnen Heizanlage beachten muss“, sagt Niehage. So dürften sich die Regler im neuen Rathaus auch deshalb als besonders wirksam erweisen, weil das Gebäude aus den 1970er Jahren nur über acht Heiztrakte verfügt, die jeweils ganze Gebäudeteile versorgen. Das hat seine Tücken, wie Niehage erläutert: „Wenn wir über Weihnachten und Neujahr das Rathaus geschlossen halten, dann hat uns das bisher wegen der Not- und Bereitschaftsdienste, die ja trotzdem da sind, beim Beheizen echte Probleme gemacht.“

Sensoren erkennen Anwesenheit anhand der Luftfeuchtigkeit im Raum

Die wirklich zimmerscharfe Regulierung werde erst mit den neuen Thermostaten möglich. Deren Sensoren erkennen anhand der Luftfeuchtigkeit im Raum, ob sich noch jemand im Büro aufhält – und drehen dann selbsttätig die Heizung runter. Das sei auch wichtig angesichts der vielen Teilzeitkräfte im Rathaus, die ihr Büro nur halbtags nutzen, oder des wachsenden Homeoffice-Anteils der Verwaltung. Zudem lassen sich alle Thermostat-Ventile auch zentral ansteuern.

Menden bei Bestellung vorn – viele andere Städte müssen jetzt warten

Dass die Stadt die Geräte der Marke „Vilisto“ in Kürze einsetzen kann, ist laut Martin Niehage ein Verdienst der Mendener Politik. Denn schon 2020, als der Stadtrat im Zuge der Corona-Pandemie über die bessere Belüftung von Klassenzimmern debattierte, erhielt der ISM auch den Auftrag, sich selbst Leitlinien zur Energieeinsparung zu geben. Dazu zählten neben Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung oder Sonnenstrom auf städtischen Dächern auch die besagten Thermostat-Ventile, die daraufhin zeitig bestellt wurden. Damit war die Stadt Menden weit vorne, denn heute sind die Wartelisten lang. Andere Städte müssen auf ihre später bestellten Thermostate noch Monate warten.

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Hönne-Gymnasium führt beim Gas die Liste der Energieschleudern an

Die Mendener Leitlinien, die zahlreiche Maßnahmen für mehr Energieeffizienz umfassen, waren offenbar bitter nötig. Das ist an den Verbräuchen vieler Stadtgebäude abzulesen. Für 2021 legte der ISM der Politik im Haupt- und Finanzausschuss jetzt die Zahlen dazu vor. Die Messungen hatten vielfach enorme Werte ergeben – nicht nur fürs Rathaus und das Hallenbad, wo das ohnehin erwartbar war. Vielmehr erwies sich das Hönne-Gymnasium samt Sporthalle als allergrößter Einzelverbraucher. Auch die Feuer- und Rettungswache am Ziegelbrand, die Josefschule Menden, die Bodelschwinghschule Platte Heide oder die Stadtbücherei im Alten Rathaus stehen auf der Liste der Energieschleudern weit oben.

Ganzjährig 24 Stunden in Betrieb: Auch Feuer- und Rettungswache großer Verbraucher

Für Martin Niehage ist das alles nicht überraschend: „Wir messen das seit Jahren, schon zur Kontrolle auf mögliche Schäden wie Wasserrohrbrüche. Unsere Feuerwache steht nun einmal im Dauerbetrieb, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.“ Und die Verbräuche der Schulen mit ihren zahlreichen und großen Räumen – von den Sporthallen ganz zu schweigen – wären noch viel höher, gäbe es für die Heizungen nicht längst automatische Temperatur-Absenkungen zur Nacht und aktivierte Ferien-Programme.

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ISM-Chef: Streben nach optimalem Energiestandard schon seit Jahren Praxis

Dazu der ISM-Chef: „Der Ukraine-Krieg und die Folgen zwingen uns zwar jetzt zu entschiedenem Handeln. Aber das bedeutet nicht, dass vorher in Menden nichts passiert wäre.“ Seit Jahren werde bei Sanierungen, Austauschen oder Neubauten der höchstmögliche energetische Standard angestrebt. Dabei erlebe man auch Überraschungen, etwa die, dass manchmal der Bewegungsmelder mehr Strom verbraucht als die LED-Leuchten, die er zur Einsparung ausknipst.

Politik macht den Weg frei für schnellere Anträge auf Fördergeld für Energieeffizienz

Und: Um bei Fördertöpfen von Bund und Land wertvolle Zeit zu gewinnen, hat der Stadtrat auf Anfrage des ISM kürzlich einen Vorratsbeschluss gefasst. Die Verwaltung darf sich demnach jetzt sofort um Zuschüsse bewerben, ohne wegen des Eigenanteils der Stadt jedes Mal erst die Politik fragen zu müssen. Martin Niehage: „Wir haben schon erlebt, dass solch ein Fördertopf mit einer Milliarde Euro binnen drei Stunden wieder leer war.“