Balve. Monster-Tief „Bernd“ hat in Balve ganze Arbeit geleistet. Garbeck soff ab, Volkringhausen, Langenholthausen. Am Abend wird halb Balve evakuiert.

Es dämmert schon, als die Wolkendecke aufreißt. Es ist ein Zeichen der Hoffnung. Hoffnung darauf, dass das Monster-Tief „Bernd“ seinen Regen-Terror beendet. Binnen 24 Stunden hat es 138 Millimeter Niederschlag in Balve gegeben. Das war mehr als doppelt so viel, wie sonst im ganzen Juli fällt. Die Folgen sind fatal. Zuerst säuft Garbeck ab, dann folgen Volkringhausen, Langenholthausen und Balve. Am schlimmsten ist’s in der Innenstadt. Am Abend wird halb Balve evakuiert.

Hoffnung am Morgen

Am Morgen noch war Feuerwehr-Chef Frank Busche guten Mutes gewesen, die Sintflut möge Balve und das Hönnetal verschonen. Zunächst sieht’s gut aus. Die Feuerwehr-Einsätze sind Regen-Routine.

Schrecken am Nachmittag

Sintflut im Hönnetal: Auf der Märkischen Straße stehen alle Räder still.
Sintflut im Hönnetal: Auf der Märkischen Straße stehen alle Räder still. © WP | jürgen overkott

Doch mittags wendet sich das Szenario vom Schlechten zum ganz Schlechten. Vorher hatte es Katzen und Hunde geregnet, nachher Tiger und Elefanten. Der Garbach schwillt ratzfatz an. Garbeck ertrinkt in brauner Brühe, vor allem im Bereich der Märkischen Straße. Die Verbindung nach Leveringhausen wird gekappt.

Doch das ist nur der Anfang. Wenig später wird Balve vom Jahrhunderthochwasser erfasst. Das Wasser steigt beim Zusehen. Erst ist die Kormke dran. Am späten Nachmittag fließt ein brauner Strom vom Rathaus Richtung Hauptstraße. Leere Mülleimer werden weggespült, dazu ein Container, ein Mammut. Die Geschäfte in der Innenstadt machen dicht, auch die Discounter an der Hönnestraße.

Drama am Abend

Die Wehr bekämpft die Fluten an nicht weniger als drei Stellen: in Balve, in Volkringhausen, in Langenholthausen. „Alles Großeinsätze“, wie Wehr-Sprecher Gerold Vogel sagt.

Unterdessen stehen beinahe alle Räder still, weil Monster-Tief „Bernd“ es so will. Die Hauptverbindungen nach Menden, Neuenrade und Werdohl sind unterbrochen. Die sozialen Netzwerke quellen über vor irritierten Anfragen und genervten Beobachtungen.

Sintflut im Hönnetal: Garbeck säuft ab.
Sintflut im Hönnetal: Garbeck säuft ab. © WP | jürgen overkott

Die Hönne verwandelt das Tal in einen See. Der Parkplatz vor der Höhle: überspült. Bei Facebook kommt die Frage auf, ob das Mini-Schützenfest mit Höhlengottesdienst stattfinden könne. Die Hönne macht sich am Klärwerk in Wocklum breit. Die Hönne-Querung ist am frühen Abend gerade noch passierbar.

Derweil üben sich Balver in der Innenstadt in Schadensbegrenzung. Gaby Gemke vom Altenheim St. Johannes und Engelbert Falke vom Kolpingforum steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Spielwaren-Händlerin Annette Grewe versucht verzweifelt, einen Kanaldeckel von Unrat zu befreien, damit das Wasser abfließen kann. Rudolf Rath nimmt geschockt zur Kenntnis, dass die Hönne ins Pfarrarchiv in der Alten Gerichtsstraße eingedrungen ist. Er fürchtet um seine Bestände. Unternehmer Matthias Camminady kann es nicht fassen. Wasser ist in seine Geschäftsräume geschwappt. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott“, entfährt es dem gestandenen Unternehmer. Cay Schmidt schwebt zwischen Hoffen und Bangen. Er weiß, dass sein Ladenlokal in der Bogenstraße auf der Rückseite abfällt. Wie stark er vom Hochwasser betroffen ist, weiß er wohl erst am Donnerstag.

Hochwasser in Balve: Fassungslosigkeit macht sich breit.
Hochwasser in Balve: Fassungslosigkeit macht sich breit. © WP | Sven Paul

Andere Balver - etwa die Maler-Familie Bathe - nehmen die Katastrophe mit Galgenhumor. Mancher witzelte über Schlauchboote. Alte Balver meinten beifällig: „Ach, in den 60er und 70er Jahren hatten wir das öfter. Und da gab es nicht so viel Panik.“ Es sei doch ganz normal. Das alte Hönne-Bett verlaufe über Hochstraße und Bogenstraße. Das Wasser suche sich seinen Weg.

Doch nicht jeder nahm die scheinbar aus dem Nichts gekommene Katastrophe so locker. Ein Balver: „Manche Leute standen vor ihrem Geschäft und weinten.“

Frieden der Nacht

Am Abend entschließt sich die Stadt Balve, Bewohner der Innenstadt zu evakuieren. „Aufgrund der anhaltenden Gefahrenlage und somit akuter Lebensgefahr wird nunmehr die Innenstadt Balve geräumt, da in der kommenden Nacht nicht für Ihre Sicherheit garantieren werden kann“, heißt es auf der Homepage der Stadt. Die Schützenhalle Beckum wird als Notquartier klar gemacht. Das Ordnungsamt informiert per Megaphon. Mitarbeiter suchen aber auch Bewohner der Innenstadt auf. Was die Entscheidung fürs Notquartier erleichtert haben dürfte: Balves Innenstadt ist weitgehend ohne Strom.

Folgende Straßen sind betroffen:

  • Hauptstraße
  • In deär Queyte
  • An der Kormke (rechtsseitig in Fahrtrichtung Balve)
  • Garbecker Straße
  • Hoffmeisterstraße
  • Im Mühlenkamp
  • Alte Gerichtsstraße
  • Mittelstraße
  • Im Winkel
  • Alte Hospitalgasse
  • Bereich Bogenstraße
  • Mühlenkamp
  • Am Stadtgraben
Chaos am Rathaus
Chaos am Rathaus © WP | Sven Paul

Ein genaues Bild des Schadens wird sich erst am Donnerstag ergeben, wenn die Sonne wieder scheint - laut Wetterdiensten gegen acht.