Menden. Preissprünge wie jetzt hat der langjährige Esso-Pächter Christof Keuchen noch nicht erlebt. Warum dagegen in Menden nur noch wenig zu machen ist.

Christof Keuchen betreibt schon seit Jahrzehnten seine Esso-Tankstelle an der Iserlohner Landstraße 45, doch solche Preissprünge wie jetzt hat er noch nicht erlebt: „Die Leute tanken tatsächlich auch weniger, wenn es irgend geht“, sagt der Mendener Unternehmer auf Anfrage der WP. Genau beziffern mag er das nicht, doch es sei der Rückgang auch für die Tankstellen „spürbar“. Und obwohl einer wie Keuchen am allerwenigsten für das knappe Öl, die Spekulation und den Ukraine-Krieg kann: Er und sein Team müssen jetzt für manche Kunden den Kopf hinhalten.

Kunden-Reaktionen ganz unterschiedlich – von Schimpfe bis Galgenhumor

Die beklagen sich dann bei ihnen darüber, dass sie kaum noch ins Auto steigen könnten, weil der Sprit so teuer geworden ist. Mehr als zwei Euro pro Liter sind beim Super Plus längst normal, Super hat schon nachgezogen. Andere Kunden wiederum jammern nicht darüber, sondern nehmen die Lage an den Zapfsäulen eher mit Galgenhumor, erzählt Keuchen: „Den alten Spruch, dass man ja sowieso immer nur für 50 Euro tankt und der Sprit deswegen gar nicht teurer werden kann, den hören wir hier jetzt jeden Tag.“

Menden Benzinpreise Entwicklung
Menden Benzinpreise Entwicklung © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Im Augenblick keine Liefer-Probleme – außer beim Dieselzusatz Ad Blue

Die aktuelle Liefer-Lage dagegen sei ungeachtet aller Boykott-Debatten derzeit entspannt, jedenfalls wieder deutlich besser als im Corona-Hoch, als es einige Produkte wegen unterbrochener Lieferketten schlicht gar nicht mehr gab, berichtet der Mendener weiter. Augenblicklich sei nur eines schwierig zu ergattern: „Ad Blue“ – der Harnstoff, der Dieselabgase entgiften hilft. „Wenn überhaupt, gibt es den nur gegen entsprechendes Geld.“

Allein die Gesellschaften bestimmen heute den Preis – Pächter können nur zusehen

Kann denn ein Pächter wie Keuchen tatsächlich nichts mehr am Spritpreis machen? Noch vor wenigen Jahren war es doch so: Die jeweilige Gesellschaft gab morgens den Tagespreis ein, die Pächter konnten tagsüber mehrere Senkungen unter Verweis auf die nahe Konkurrenz durchsetzen. So kam es, dass der Sprit abends fast immer deutlich billiger war als bei Tagesanbruch. „Diese Zeiten“, sagt Keuchen klipp und klar, „sind vorbei“.

Bis zu 15 Preis-Wechsel am Tag: Ohne Elektronik gar nicht mehr auszuflaggen

Heute ändern allein die Gesellschaften die Preise, weil sie dank des Internets den genauen Überblick über die Marktlage in der jeweiligen Region haben. Die Preise würden am Tag bis zu 15 Mal angepasst, und das mit Sprüngen bis zu jeweils zehn Cent – nach oben wie nach unten, und morgens wie abends. Keuchen ist angesichts des rasanten Tempos der Preisspirale nur noch froh, nicht mehr jedes Mal die Leiter am Anzeigemasten erklimmen und oben buchstäblich am Preisrädchen drehen zu müssen: „Das war schon damals kein Spaß, im Winter gab’s eiskalte Finger. Heute läuft das alles elektronisch. Anders wäre es auch gar nicht mehr durchzuhalten.“

Vergleichsportale: Besserer Spritpreis lohnt nur bei kurzer Anfahrt

Die heimischen Autofahrer, von denen sich nicht wenige gerade richtig gemolken fühlen, kennen die Sache mit dem Knopfdruck auch: Vergleichsportale und Apps wie „clever-tanken.de“, „ich-tanke.de“ oder „benzinpreis-aktuell.de“ geben zumindest vor, zu jeder Tages- und Nachtzeit die günstigste Zapfsäule in Menden und Umgebung zu kennen. Allerdings ist die womöglich viel längere Wegstrecke zum Billigpreis-Anbieter unbedingt einzurechnen. Sonst ist die Ersparnis beim Sprit durch den Mehrverbrauch gleich wieder futsch.

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Kein Boom für das günstigere und umweltfreundlichere E10

Doch für manche Kundinnen und Kunden scheint es noch Luft nach oben zu geben, und der Preis allein entscheidet gar nicht. So meiden laut Keuchens Beobachtung die meisten heimischen Autofahrer weiter den E10-Sprit. Und das, obwohl dieses Benzin mit seinen zehn Prozent Bio-Kraftstoff nicht nur umweltfreundlicher ist: Es kostet auch bis zu acht Cent pro Liter weniger als normales Super. Keuchen mutmaßt indes, dass hier diverse Veröffentlichungen über angeblich vermehrte Rückstände oder einen Mehrverbrauch auch auf Höchstpreisniveau ihre Wirkung zeigen.

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Schweizer Modell: Hoher Preis aus der Nacht darf 24 Stunden lang nur fallen

Am besten findet Keuchen das Schweizer Modell: „Dort wird spätabends der Tagespreis eingestellt, und der darf dann 24 Stunden lang nur noch fallen.“ Die Leute wüssten folglich sehr genau, wann sie am billigsten tanken: „Spät abends, kurz bevor die neuen Preise eingestellt werden.“ Für Pächter wie Kunden seien die Tank-Staus an den Säulen zur Geisterstunde allerdings auch kein wirkliches Vergnügen.