Fröndenberg. Seit 20 Jahren reisen Fröndenberger für die Völkerverständigung in die Ukraine. Anwohner schildern nun den Einmarsch russischer Truppen.
Seit über zwanzig Jahren pflegt Fröndenberg den Kontakt in die Ukraine. Genauer gesagt nach Snowsk. Mit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wächst laut Edgar Boes, Vorsitzender des Freundeskreises Fröndenberg-Snowsk, die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Bewohner Snowsks schildern derweil dramatische Szenen.
Anwohner berichten: „Die Ukraine brennt“
Am Donnerstagabend, 24. Februar, erreichen den Freundeskreis Fröndenberg-Snowsk erste Berichte aus der Stadt. Larisa Dobzenko, zweite Vorsitzende des Vereins, steht mit Betroffenen in Kontakt über einen Kurznachrichtendienst. Es sind Eindrücke, die die Lage im Norden der Ukraine deutlich machen.
Eine befreundete Familie befinde sich zu Hause und hat alle wichtigen Sachen zusammengepackt. Gemeint sind Ausweisdokumente. Die Stadt sei bereits erobert und mit Grenzposten abgeriegelt; Schüsse gab es demnach nicht. Gleichwohl berichten die Anwohner von Militärkonvois, die durch die Stadt ziehen. „Ich bin mit Jana in Kontakt. Sie schreibt: ,Die Ukraine brennt.’“
Snowsk im Dreiländereck Belarus-Ukraine-Russland
Szenen, die sich der Freundeskreis eigentlich nicht hätten vorstellen können. Denn angefangen hat alles mit der Familiengeschichte von Adolf und Goddert Ulmke. Ihr Vater fiel während des zweiten Weltkriegs in Snowsk. Beide begaben sich auf Spurensuche und knüpften Kontakte im Norden der Ukraine. Über die Jahre wurde aus regelmäßigen Besuchen dann die Gründung eines Vereins, der sich „die Völkerverständigung und Aussöhnung zum Ziel gesetzt hat“, erklärt der Vorsitzende des Vereins, Edgar Boes. Er und seine Vorstandsmitglieder stehen demnach im Austausch mit Bewohnern aus Snowsk. Erst zu Wochenbeginn habe man gut zwei Stunden mit Menschen vor Ort telefoniert. Als Zeichen der Solidarität wolle man einen Brief auf den Weg bringen, um den Bewohnern und Freunden Mut zuzusprechen. Allerdings habe sich die Lage in der vergangenen Nacht dramatisch verändert.
Snowsk liegt gut 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, im Dreiländereck von Belarus, Russland und der Ukraine. Aus den bisherigen Gesprächen schließe Boes, dass es „Angst vor einer Besatzung Russlands gibt, obwohl das auch Spekulation unsererseits ist“, gibt er zu. Denn: Bekanntermaßen möchte niemand auf einer Liste von möglichen Russland-Feinden auftauchen. „Es ist besorgniserregend“, sagt Boes. Dabei sei die Grenzregion eigentlich als Pilzsammlergebiet bekannt, in dem unterschiedliche Nationen immer wieder aufeinandertreffen – und das eigentlich friedlich und freundlich.
Angespanntes Verhältnis zum Nachbarland
Die Ukrainer beschreibt Boes, der selbst wiederholt nach Snowsk reiste – zuletzt 2018 –, als „patriotisch“. Vor allem nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 habe sich dieses Bewusstsein verstärkt; ebenso wie eine Abgrenzung zu Russland. „Das Verhältnis ist angespannt.“ Das mache sich unter anderem an der Sprache deutlich. Der Großteil der Ukrainer spreche zwar russisch, Amtssprache ist seit einigen Jahren allerdings ukrainisch. „Das ist schon eine Besonderheit“, sagt Edgar Boes. Ohnehin habe das Land zuletzt einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht. „Die Ukrainer sind überwiegend pro-westlich eingestellt und das passt Putin nicht.“ Und das, obwohl das Land seinerzeit zum Einflussgebiet der Sowjetunion zählte.
Die historische Verbundenheit macht sich aber auch an anderen Stellen bemerkbar. Bei einer Reise nach Snowsk vor einigen Jahren sind Boes riesige Holzhaufen vor Schulen, Wohnungen und Häusern aufgefallen. Was zunächst merkwürdig erscheint, hat jedoch einen ernsten Hintergrund. Denn die Ukraine ist von russischem Gas abhängig. „Und weil man Angst davor hat, dass Russland das Gas abdreht, haben sie vorgesorgt“, erzählt Boes. Das habe dann auch einen Wunsch der Snowsker erklärt. Denn bei jedem Besuch habe der Freundeskreis kleine Geschenke mitgebracht, unter anderem auch Motorsägen.