Menden. Das Zeltdach am Rathaus Menden ist Geschichte. Eine Spezialfirma aus Bayern hat es abgerissen. Ein Alt-Bürgermeister erklärt sich zum Erfinder.
Die Totengräber des Mendener Zeltdachs kommen aus Bayern. Markus Reisenhofer setzt das Messer an. Ritsch-Ratsch! Wieder ist eine Bahn abgeschnitten. Die Plane wird zusammengefaltet und eingelagert, damit daraus noch etwas gemacht werden kann. „Damit haben wir nichts mehr zu tun“, sagt Reisenhofer. Das Abrisskommando von einem Spezialunternehmen aus der Nähe von München hat kurzen Prozess gemacht und binnen weniger Stunden eine Mendener Legende zu Boden gebracht.
Es ist wortwörtlich ein Drahtseilakt, das Zeltdach am Rathaus zu Boden zu bringen. Gurte und Hilfskonstruktionen stützen den mittleren Masten, als die Truppe vom „Montageservice international“ ansetzt. Die Plane ist – so federleicht sie aussieht – selbst etliche hundert Kilo schwer. Gerät die Konstruktion zu früh aus dem Gleichgewicht, besteht Gefahr, dass das ganze Ding in den letzten Minuten seines Bestehens noch das halbe Rathaus miteinreißt. Immerhin hat ja auch der Bürgermeister sein Büro direkt daneben.
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Freude über freien Blick in den Himmel am Rathaus
Die Spezialfirma scheint ihr Handwerk zu verstehen. Gegen 13.30 Uhr liegt die Plane am Boden. „Wie schön luftig“, entfährt es einem Beobachter am Zaun. „Endlich weg“, sagt ein anderer. Viele machen ein Foto mit dem Handy. Die Freude über das Aus der dunklen Ecke am Rathaus überwiegt. Es ist wahrlich keine repräsentative Umfrage, aber von den Umstehenden wünscht sich niemand Ersatz für das Zeltdach. „Hier muss Leben auf den Platz“, sagt jemand.
Der Wunsch kommt wohl zu spät. Der politische Beschluss ist gefallen, dass die Plätze am Rathaus neugestaltet werden sollen. Im Prinzip soll aber alles so bleiben wie es ist – auch mit einem neuen Zeltdach. Gleichzeitig soll auch der benachbarte Bürgersaal-Trakt, den hier ebenfalls viele gerne dem Erdboden gleichgemacht sehen würden, renoviert werden. Die Arbeiten sollen im Frühjahr beginnen. Für den Trakt gibt es bereits einen Förderbescheid.
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Fleige meldet sich aus Lübeck zu Wort: Zeltdach sei seine Idee gewesen
„Auch wenn an diesem Zeltdach viele Erinnerungen an schöne Veranstaltungen hängen, ist das kein Abschied. Denn der Abbau ist der Anfang von etwas Neuem, das uns viele Verbesserungen bringen wird. Und ein neues Zeltdach, unter dem wir neue schöne Erinnerungen sammeln können“, verspricht Bürgermeister Roland Schröder in einer Mitteilung der Stadtverwaltung.
Während die Bayern das Zeltdach einreißen, meldet sich vom anderen Ende der Republik Alt-Bürgermeister Volker Fleige aus seiner neuen Lübecker Heimat zu Wort. Er bezeichnet sich in einem Brief an die Redaktion selbst als Ideengeber und Initiator des Zeltdaches. „Noch mehr freue ich, dass es eine Nachfolge-Lösung geben soll, die die Stadt während meiner Zeit als Bürgermeister im Rahmen des Innenstadt-Programms in die Wege geleitet hat“, schreibt Fleige.
Plane für weitere Verarbeitung zu sehr zerschlissen?
Fleige nutzt die Gelegenheit, auch noch einmal auf das Bürgerhaus einzugehen: „Hätte eine Ratsmehrheit nicht nach 2015 den Stecker beim Bürgerhaus gezogen, stünde es bereits und müsste nun nicht mit diversen Klimmzügen reanimiert werden. So freut es mich immens, immer noch nachzuwirken.“
Der Alt-Bürgermeister reklamiert auch, dass der auf Gut Rödinghausen gescheiterte „Campus für digitale Kreativität“ aus seiner Sicht als „Wilhelmshöhe 4.0“ weiterlebe, „selbst wenn die politischen Freunde vergessen haben, die Ideengeber zu nennen. Rechnen wir’s ihnen als jugendliches Engagement nicht schlecht an.“
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Die restlichen Arbeiten am Zeltdach sollen am Mittwoch erfolgen. Aus den Resten der Plane sollen Taschen genäht werden. Gemeinsam mit dem Berufskolleg erarbeitet das Stadtmarketing konkrete Ideen. Die hergestellten Produkte sollen verkauft und der Gewinn für den guten Zweck verwendet werden, heißt es. Ob der Plan aufgeht ist offen. Die Membran erwies sich nach dem Abnehmen als äußerst steif und verschlissen.