Menden. Die Bürger sind verunsichert, die Hausärzte arbeiten teilweise am Limit. Frust gibt es aus am Impfbus. Und wie es jetzt weiter?

Die Corona-Lage spitzt sich weiter zu und die Gesellschaft scheint gespalten – dichtes Gedränge auf Stadtfesten und Kirmesgeländen auf der einen und die Suche nach Ärzten, die eine Impfung durchführen, auf der anderen Seite. Währenddessen meldet das Robert-Koch-Institut bei der deutschlandweiten Sieben-Tage-Inzidenz den höchsten Wert seit Beginn der Pandemie: 201,6. Im Märkischen Kreis liegt der Wert aktuell bei 101, Tendenz steigend. Besonders der Ruf nach den sogenannten Booster-Impfungen wird lauter. Aber wo bekomme ich diese Auffrischung meines Impfschutzes, wenn mein eigener Hausarzt nicht impft?

Generell gilt: Die niedergelassenen Haus- und Fachärzte sollen diese Impfung durchführen. Doch die Lage in Menden ist undurchsichtig. Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung kann auf Nachfrage keinen Überblick darüber geben, welche Ärzte in Menden gegen Corona impfen und welche nicht. Sie listet lediglich drei Mediziner auf ihrer Internetseite, die einspringen, wenn der eigene Haus- oder Kinderarzt nicht impft: Dr. med. Frank-Oliver Albrecht, Sven Naujoks und Dr. med. Volker Jansen.

Zurückhaltender Umgang mit Booster-Impfungen im Impfbus

Auch der Märkische Kreis greift auf diese Daten zurück. Dieser schickt zudem den Impfbus ins Rennen, damit Menschen sich mobil und unbürokratisch ohne Termin impfen lassen können. Theoretisch. Doch auch hier ist es in der Vergangenheit zu Verwirrungen gekommen. So schreibt ein Leser, der eine Drittimpfung für seine Mutter wollte, dass er beim letzten Halt des Impfbusses in Menden am 26. Oktober abgewiesen wurde. Er beschreibt, dass er es im Vorfeld beim Hausarzt probiert habe. Und obwohl dort jeder sein Bestes gebe, hätte dies nicht geklappt. Ursula Erkens ist Sprecherin des Kreises und sagt: „Wir sind mit den Booster-Impfungen zurückhaltend.“ Die Priorität liege bei den Hausärzten. „Mittlerweile weisen wir aber nicht mehr ab, wenn die Impfberechtigung da ist.“

Keine Covid-Patienten im St.-Vincenz-Krankenhaus

Dr. med. Markus Berghoff ist Ärztlicher Direktor an den Katholischen Kliniken im Märkischen Kreis, sprich des St.-Vincenz-Krankenhauses in Menden und des St.-Elisabeth-Hospitals Iserlohn. Aktuell, sagt er, werden alle Patienten auf Covid getestet. Wer positiv ist, wird entweder in häusliche Quarantäne entlassen oder zur Behandlung auf die Covid-Station der Iserlohner Klinik gebracht. Ist die Station voll, müssen andere Kliniken angesteuert werden.

Aktuell befinden sich sechs Covid-Patienten auf der Station, drei davon sind ungeimpft. Die Situation ändere sich aber stetig. „Die Lage ist angespannt und wir machen uns schon Sorgen.“ Ein Covid-Patient bedeute so viel Aufwand wie zwei bis drei „normale“ Patienten. „Wir haben aktuell weniger Pflegepersonal und könnten in Menden so eine Station nur öffnen, wenn wir eine andere schließen.“ Um wirtschaftlich überleben zu können, sei eine sogenannte Freihaltepauschale zwingend nötig.

Der Mediziner sagt: „Das Virus ist noch genauso gefährlich und verbreitet sich weiter. Wir müssen damit leben.“ Viele Menschen würden sich momentan in einer trügerischen Sicherheit wägen. Jeder müsse seinen eigenen Weg im Umgang mit dem Virus finden, doch verantwortungsvolles Handeln sei wichtig. Berghoff bedauert, dass keine offene Diskussion über dieses Thema stattfinden könne. Es sei schwierig geworden, sachlich zu argumentieren. „Es gibt eine gewisse Aggressivität und verbale Angriffe gegen medizinisches Personal steigen“, sagt auch Hausarzt Dr. Gregor Schmitz aus Balve.

Den nächsten Halt in Menden macht der Bus am Dienstag, 16. November, auf dem Rathausplatz – während des Wochenmarktes.

Balver wollen Vorbild sein: Zentrum aus dem Boden stampfen

Mediziner Dr. Gregor Schmitz aus Balve ist der ehemalige ärztliche Leiter der mittlerweile geschlossenen Impfzentren im Märkischen Kreis und klärt auf: Bis vor wenigen Tagen durften die Busse keine Boosterimpfungen durchführen, jetzt schon. Er ärgert sich über das Vorgehen der Politik: „Die Boosterimpfungen wären problemlos in den Hausarztpraxen möglich gewesen, hätte man sie so wie ursprünglich geplant durchgeführt.“

Denn die Ständige Impfkommission hat eine Empfehlung herausgegeben, nach der vor allem alte und oder besonders gefährdete Menschen zuerst geboostert werden sollen. Die Politik sieht das anders – jeder Interessierte darf sich neuerdings die Auffrischung abholen. Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bittet in einem Schreiben Ärzte darum, „die COVID-19-Impfkampagne weiterhin mit aller Kraft zu unterstützen“. „Die Praxen gehen auf dem Zahnfleisch. Wir schaffen das nicht“, sagt der Mediziner. Nach eigenen Angaben habe allein er 6500 Impfungen verabreicht in seiner Praxis.

Mendener Ärzte nicht abgeneigt, auch Märkischer Kreis will Angebot erweitern

Deshalb planen die Balver Hausarztpraxen zusammen mit dem DRK und den Maltesern in Balve, unterstützt durch die Stadt Balve und die örtlichen Apotheken, im Corona-Testzentrum an der Hauptschule eine Impfstelle für die Corona-Boosterimpfungen einzurichten(wir berichteten). Diese soll nach Möglichkeit schon in der kommenden Woche an den Start gehen – nicht nur für Balver, sondern auch für die umliegenden Städte. Über einen Online-Terminkalender sollen die Menschen bald Termine buchen können. Sie benötigen für die Boosterimpfung dann einen Ausweis und den Impfpass.

Innerhalb von drei Tagen hätten die Beteiligten das durch ihre Kontakte, eine gute Zusammenarbeit der Praxen und die Nutzung bestehender Infrastruktur auf die Beine stellen können. Er hofft, dass andere Ärzte nachziehen. Das Konzept habe er bereits der Kassenärztlichen Vereinigung vorgestellt. Auch der langjährige Vorsitzende des Mendener Ärztevereins, Peter Brall, hat diese Entwicklung verfolgt. „Ich werde die Kollegen mit einem Rundschreiben informieren und die Resonanz abwarten.“ Seines Wissens nach würden momentan – abgesehen von vier Ärzten – alle im Stadtgebiet impfen.

Und auch der Kreis will das Angebot erweitern, um „mögliche zusätzliche Impfangebote und gute Lösungen über den Impfbus hinaus“. Kleinere Impfeinheiten sollten unbürokratisch und niederschwellig bei den Auffrischungsimpfungen helfen – mit möglichst wenig technischem Aufwand, heißt es.

Mit Impfung sechs Monate warten: Empfehlung der STIKO

„Die Gesundheitsminister der Länder haben sich zwar generell geeinigt, die Boosterimpfung für alle freizugeben, deren vollständige Impfung mehr als sechs Monate zurückliegt. Dazu gibt es aber noch keinen entsprechenden Erlass. Daher gelten nach wie vor die Empfehlungen der STIKO für die Personengruppe der älteren Menschen ab 70 Jahren“, sagt Ursula Erkens. Sobald der Erlass vorliegt, hat jeder Anspruch auf eine Booster-Spritze, der mindestens zwölf Jahre ist und seinen Wohnsitz in Deutschland hat.

Nach der Zulassung für den Impfstoff von Biontech als Booster hat die Europäische Kommission jetzt grünes Licht für den Impfstoff von Moderna gegeben – Auffrischimpfungen sind damit mit einer halben Dosis zugelassen, ab 18 Jahren.