Menden. Corona-Symptome spürte der Mendener Rolf Grondke kaum, doch Wochen später trifft ihn Long Covid mit voller Wucht. Der 66-Jährige kämpft.

Einen Marathon laufen? Kein Problem für Rolf Grondke. Gerne auch mal drei Marathons. Oder den Ironman – also Schwimmen, Radfahren und dann noch die Marathon-Distanz laufen. Doch das war einmal. Erinnerungen wie aus einem anderen Leben. Seit dem Frühsommer ist der Mendener glücklich, wenn er langsam 100 Meter am Stück gehen kann. Er hat Long Covid. Für das Phänomen, das einige Zeit nach einer Covid-19-Infektion auftritt, werden verschiedene Langzeitfolgen des Virus beschrieben und zurzeit erforscht.

Corona-Kontakt wohl in einem Supermarkt

Rolf Grondke ist derzeit in einer Reha-Klinik, um sich von Long Covid zu erholen.
Rolf Grondke ist derzeit in einer Reha-Klinik, um sich von Long Covid zu erholen. © Privat | Privat

Als Rolf Grondke im März dieses Jahres mit dem Corona-Virus in Kontakt kam, spürte er davon zunächst wenig. Seine Ehefrau bekam einen Tag, nachdem sie in einem Mendener Supermarkt einkaufen war, über die Corona-Warn-App einen Hinweis, dass sie Kontakt mit einer corona-positiven Person gehabt hatte. Sie und ihr Mann ließen sich testen. Nachdem der Test zunächst negativ war, fiel der zweite einige Tage später positiv aus. Anders als seine Frau spürte der 66-Jährige kaum typische Corona-Symptome. „Ich musste nur in Quarantäne bleiben, aber ich hatte sonst nichts“, erinnert sich der Mendener. Doch das sollte sich bald ändern.

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Rolf Grondke einst bei der 230 Kilometer langen „TorTour de Ruhr“ von Winterberg nach Duisburg.
Rolf Grondke einst bei der 230 Kilometer langen „TorTour de Ruhr“ von Winterberg nach Duisburg. © WP | Unbekannt

Sportlich war Rolf Grondke schon von Kindesbeinen an. Nachdem er viele Jahre auf dem Fußballplatz aktiv war, entdeckte er mit 43 Jahren die Liebe zum Laufen. Seine Frau lief damals bereits Triathlon. In seinem Leben ist Rolf Grondke 149 Marathons gelaufen, achtmal den Ironman und zweimal den doppelten Ironman. Auch so genannte Ultraläufe – also Strecken, die länger als die klassische Marathon-Distanz von 42,195 Kilometern sind – waren für ihn mehr Freude denn Herausforderung. So lief er zum Beispiel die „TorTour de Ruhr“ von Winterberg nach Duisburg – rund 230 Kilometer – in gut 32 Stunden.

Radfahren, laufen, schwimmen

16.000 Kilometer Radfahren, 5000 Kilometer Laufen, dazu noch ungezählte Bahnen im Schwimmbad – das war einst Rolf Grondkes Jahrespensum. Sein Körper war an Extreme gewöhnt. Vor vier Jahren fuhr ihn ein E-Bike-Fahrer in der Molle so unglücklich an, „dass mein Knie demoliert war“, erinnert sich Rolf Grondke. Er bekam ein neues Kniegelenk, musste von da an sportlich etwas kürzer treten. Doch das Pensum, das der Mendener seither Woche um Woche bestritt, schaffen viele auch mit gesunden Kniegelenken nicht: 60 bis 70 Kilometer laufen, weiterhin viel Fahrradfahren und Schwimmen: „Ich hab‘ das ab da nur für mich gemacht“, sagt Rolf Grondke. An Wettkämpfen mochte er seither nicht mehr teilnehmen: „Ich wollte nicht als Letzter ins Ziel laufen.“ Doch die Freude am täglichen Sport blieb.

Lungenfunktion verschlechterte sich rapide

Seine Corona-Infektion änderte nach Ende der Quarantäne-Zeit nichts an Rolf Grondkes Trainingseinheiten – zunächst. Doch wenige Wochen später, Ende April/Anfang Mai, als Rolf Grondke eine Kiste Sprudel tragen wollte, „fing ich auf einmal an zu pfeifen, da ging nichts mehr“, blickt er zurück. Sein Lungenvolumen, das er wenige Wochen zuvor bei einer sportmedizinischen Untersuchung hatte messen lassen, war von 7,6 auf drei Liter gesunken, seine Lungenfunktion lag nur noch bei 30 bis 35 Prozent, erzählt er.

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Eine Woche später spürte er nachts, dass irgendetwas mit seinem Körper nicht stimmte: „Mein Körper, mein Gesicht waren voller Wasser. Ich konnte nicht aufstehen, ich kam mir vor wie ein Querschnittsgelähmter.“

Treppen werden zur riesigen Herausforderung

Treppen, die er kurz zuvor noch in Windeseile rauf- und runtergespurtet war, gerieten zu einer Mammut-Herausforderung: „Ich habe mich auf meinen Hintern gesetzt, um die Treppe runter zu kommen. Ich hatte überhaupt keine Kraft mehr in meinen Beinen.“

Als wäre das nicht alles schon genug, bereitete die Prothese im linken Knie auf einmal Probleme. „Das Gelenkwasser wurde untersucht, da waren Bakterien, die sich rasend schnell vermehrten“, berichtet Rolf Grondke von den Untersuchungen. Die Stelle, an der der Wundschlauch saß, „wurde immer größer, das war ein richtiges Loch, da konnte ich fast zugucken, wie es größer wurde. Das war ein Keim, der richtig gewütet hat in meinem Körper.“ Die Folge: Das Kniegelenk musste raus. Erst sechs Wochen später bekam Rolf Grondke ein neues Gelenk.

Auch seine Leberwerte stiegen extrem an, eine Bauchspiegelung blieb ergebnislos. Die Zehen und die Fingerspitzen begannen zu kribbeln, waren taub, bisweilen schmerzhaft. Es ist eine Fülle von Symptomen, die den einst so sportlichen Mendener überfiel. Die Diagnose seiner Ärzte: Long Covid.

Aufgeben ist keine Option für Rolf Grondke

Wie es ihm heute geht? „Ich bin müde, einfach kaputt“, sagt Rolf Grondke. Doch Aufgeben ist keine Option. Im Gegenteil: Er ist zurzeit in einer Klinik in Bad Karlshafen, die sich auf Long-Covid-Patienten spezialisiert hat. Sein Tag ist vollgepackt mit Therapien und Anwendungen: „Ich trainiere meine Lunge, baue meine Muskulatur wieder auf“, erklärt Rolf Grondke. Mittlerweile liege seine Lungenfunktion schon wieder bei 60 Prozent – 30 Prozentpunkte mehr als vor einigen Wochen.

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Und wenn Rolf Grondke sein Reha-Tages-Programm in der Klinik geschafft hat, dann geht es für ihn abends weiter: „Wenn man immer so viel Sport gemacht hat wie ich, dann ist man ein Kämpfer.“ Und so macht er abends Nordic Walking oder versucht sich beim Tischtennis. „Ich bin keiner, der sich in die Ecke setzt und wartet“, erklärt er. Und abends mit anderen Patienten zusammensitzen „und nur über Krankheiten oder Wehwehchen sprechen, das will ich nicht“. Statt dessen liest er lieber – bevorzugt Micky-Maus-Hefte und -Bücher – oder steckt seine Kopfhörer in die Ohren und dreht Heavy-Metal-Musik auf: „Dabei kann ich abschalten.“

Langer Weg bis zur Genesung

Noch mal einen Marathon zu laufen – das ist wohl Illusion. „Ich freue mich, wenn ich es jetzt schaffe, 100 Meter am Stück zu laufen“, sagt Rolf Grondke. „Es ist Wahnsinn, was dieses Virus im Körper anrichten kann. Das hätte ich mir im Traum nicht vorgestellt.“

Rolf Grondke weiß, dass noch ein langer Weg bis zur Genesung vor ihm liegt und sagt: „Ich hoffe, dass ich 2022/23 wieder fit bin.“ Dass er wohl nie wieder einen Marathon oder den Ironman laufen wird – geschenkt. „Das sind schöne Erinnerungen, die bleiben mir.“ Irgendwann einmal fünf oder vielleicht sogar zehn Kilometer am Stück joggen zu können, das ist das langfristige Ziel des Mendeners.

Wie in den vergangenen Jahrzehnten ist er vom Kopf her ganz Sportler: „Ich befinde mich im Trainingslager. Ich bereite mich gerade auf meinen nächsten großen Wettkampf vor.“ Und der Wettkampf ist für Rolf Grondke das, was für die meisten Menschen Alltag ist: „Ich möchte wieder teilnehmen können am ganz normalen Leben.“