Menden. Die Über-60-Jährigen sind jetzt beim Impfen an der Reihe. Aber der Märkische Kreis muss sie zum Hausarzt schicken. Die Mediziner sind irritiert.

Darauf hatten viele Über-60-Jährige lange gewartet. Seit gestern gehören sie mit der Prioritätsgruppe 3 zu den Impfberechtigten und sollen einen Termin vereinbaren können. Anders als Vorerkrankte und bestimmte Berufsgruppen dürfen die Jung-Senioren aber nicht ins Impfzentrum. Stattdessen sollen sie zum Hausarzt. Dort gibt es aber fast keinen Impfstoff.

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Ärztesprecher Peter Brall zeigt sich angefressen bei dieser Empfehlung. „Wir würden ja ohne Ende impfen, aber dafür müssten wir erst einmal den Impfstoff haben.“ In seiner Praxis habe es in der vergangenen Woche 18 Impfdosen gegeben, interessanterweise auch nur Biontech und Moderna, aber nicht das angeblich im Überfluss vorhandene Astra-Zeneca. Die Warteliste sei aktuell 200 Patienten lang. Wie es jetzt zu dieser Regelung komme, könne er nicht nachvollziehen. Das entspreche auch nicht dem, was Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch zur Impfreihenfolge verkündet hatte.

Terminbuchung für alle anderen bei der Kassenärztlichen Vereinigung

Der Märkische Kreis hatte am Donnerstag das umgesetzt, was das NRW-Gesundheitsministerium am Mittwoch verkündet hatte. Damit sollen jetzt die Impfungen für Angehörige der Prioritätsgruppe 3 geöffnet werden. So können jetzt beispielsweise Menschen mit weiteren Vorerkrankungen und Angehörige weiterer Berufe Termine vereinbaren. Diese Menschen können jetzt alle über die Internetseite (www.116117.de) oder die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung (116117) einen Termin vereinbaren. Zur Gruppe 3 gehören aber auch alle Über-60-Jährigen. Diese sollen überraschend zum Hausarzt und nicht mehr wie die Über-70-Jährigen oder Über-80-Jährigen einen Termin im Impfzentrum Lüdenscheid oder in der Dependance in Iserlohn vereinbaren.

Der Kreis sieht dabei das Land in der Verantwortung: „Für Personen über 60 Jahren ist aktuell seitens des Landes keine Buchung über die KVWL vorgesehen“, sagt Kreissprecher Mathis Schneider. „Aus diesem Grund können keine Termine im Impfzentrum vergeben werden, außer sie gehören zu einer der Gruppen, die unabhängig vom Alter ein Impfangebot im Impfzentrum erhalten.“ Der Kreis verweist auf die Aussagen von Gesundheitsminister Laumann. +++ Erste Impfungen in Menden: „Ich will noch leben.“ +++

Arzt: Am Telefon in den Praxen ist oft die Hölle los

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Mediziner Brall zeigt sich überrascht von diesen Aussagen, die ihn auch erneut nur über öffentliche Verlautbarungen erreicht hätten. In seiner Praxis sei sprichwörtlich die Hölle los am Telefon. Viele Patienten hätten bereits Probleme, überhaupt durchzudringen. Es bleibe kaum mehr als schlichtweg die Warteliste zu verlängern.

Brall äußert auch Zweifel am Prinzip, dass ausgerechnet die weitestgehend Gesunden zum vertrauten Hausarzt sollen, während die Vorerkrankten quasi anonym im Impfzentrum vorstellig werden sollen. Das sei ja eigentlich nicht das Hausarztprinzip.

Brall sieht auch durch die Bürokratie das Impftempo ausgebremst. „Mit allem Drum und Dran muss ich eine Stunde pro Patient und Impfung rechnen.“ Bis jede Aufklärung durch sei, jeder Zettel ausgefüllt, dauere es einfach seine Zeit. „Wir haben ja auch ganz normal weitere Krankheiten.“ Das funktioniere in Impfzentren schneller und entlaste Ärzte, weil viel mehr Personal in der Vorbereitung im Einsatz sei.

Was ist sein Rat an Patienten? „Mehrgleisig fahren. Kommen Sie am Telefon durch, versuchen Sie an verschiedenen Stellen, Termine zu bekommen. Achten Sie, auf Sonder-Impfaktionen.“