Menden. Warum muss eine gesetzlich Krankenversicherte Monate auf einen Facharzt-Termin warten? Wir haben nachgefragt. Diese Möglichkeiten haben Patienten.

Eine Mendenerin (gesetzlich krankenversichert) soll fast ein halbes Jahr auf ihren Facharzt-Termin warten, ein Mendener (privat krankenversichert) bekommt mit den selben Krankheitssymptomen einen Termin wenige Tage später. Was sagen Kassenärztliche Vereinigung, Patientenschützer und Bundesgesundheitsministerium zu dem Mendener Fall?

Gesundheitsministerium

Das sagt das Bundesgesundheitsministerium: Behandeln Vertragsärzte Patienten je nach Versicherungsverhältnis unterschiedlich und ungleich, könne dies „ein Verstoß gegen ihre berufsrechtlichen Pflichten“ sein, erklärt Parissa Hajebi vom Presse-Referat des Bundesgesundheitsministeriums. Vertragsärzte hätten ihre Sprechstunden so einzurichten, dass gesetzlich Krankenversicherte „entsprechend ihrem Behandlungsbedarf (z.B. Notfall, Akutbehandlung) innerhalb medizinisch zumutbarer Wartezeiten behandelt werden können“. Dazu müsse die Terminvergabe entsprechend organisiert werden.

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„Wird der Versorgungsauftrag zugunsten der Behandlung von Privatpatienten nicht im vorgegebenen Umfang erfüllt, liegt ein Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten vor“, betont Parissa Hajebi. Es obliege den Kassenärztlichen Vereinigungen, „die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten zu überwachen und bei Nichteinhaltung Sanktionsmaßnahmen vorzunehmen“.

Patientenbeauftragte

Das sagt die Patientenbeauftragte der Bundesregierung: Längere Wartezeiten für gesetzlich Versicherte im Vergleich zu Privatpatienten seien „zum Teil damit zu begründen, dass Ärztinnen und Ärzte für die Behandlung von Privatversicherten höhere Honorare in Rechnung stellen können“, erklärt Prof. Dr. Claudia Schmidtke, Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Übermäßig lange Wartezeiten seien für Patientinnen und Patientinnen nicht hinnehmbar. Doch sei der Mendener Fall „sicherlich nicht als repräsentativ anzusehen“.

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Claudia Schmidtke.
Claudia Schmidtke. © dpa | Jörg Carstensen

Patientenberatung

Das sagt die Unabhängige Patientenberatung Deutschland: Dass gesetzlich und privat Krankenversicherte derart unterschiedlich lange auf einen Termin warten müssen, sei bekannt, stellt Heike Morris von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland fest und betont: „Aber nicht alle Ärztinnen und Ärzte machen Unterschiede zwischen gesetzlich und privat Versicherten.“

Kassenärztliche Vereinigung

Das sagt die Kassenärztliche Vereinigung: Zwar gebe es zwischen gesetzlich und privat Versicherten Unterschiede bei der Wartezeit auf einen Facharzttermin, doch seien diese „tendenziell eher geringer“, erklärt Vanessa Pudlo,

Vanessa Pudlo, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL)
Vanessa Pudlo, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) © Quelle: KVWL

Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Das belege die jährliche Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Niedergelassene Vertragsärzte hätten durch ihre Kassenzulassung einen Versorgungsauftrag „und sind dementsprechend gesetzlich dazu verpflichtet, ein gewisses Zeitkontingent ihrer Praxistätigkeit für gesetzlich Versicherte vorzuhalten“. Darüber hinaus stehe es den Ärzten frei, „ob sie zusätzlich gesetzlich oder privat Versicherte behandeln“.

Landesbeauftragte

Das sagt die Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen:

Claudia Middendorf, Beauftragte der NRW-Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten.
Claudia Middendorf, Beauftragte der NRW-Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten. © Martin Möller / Funke Foto Services | Martin Möller

„Aus meiner Sicht sollte es keine derart großen zeitlichen Unterschiede bei der Terminvergabe für privat und gesetzlich Krankenversicherte geben“, sagt Claudia Middendorf, Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen. Immer wieder erreiche ihr Büro Bürgeranfragen, „in denen ähnliche Problematiken geschildert werden“. In besonders dringenden Fällen versucht Claudia Middendorf, „direkt zu vermitteln und den Patientinnen und Patienten eine schnellere Terminvergabe zu ermöglichen“. Sie meint, „dass es bis heute noch immer eine Ungleichbehandlung bei der Terminvergabe für privat und gesetzlich Krankenversicherte gibt“ und erklärt: „Eine Ungleichbehandlung zulasten der Gesundheit eines Menschen ist für mich nicht hinnehmbar.“

Heike Morris, juristische Leiterin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland
Heike Morris, juristische Leiterin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland © Unabhängige Patientenberatung Deutschland | Florian von Ploetz

Patienten-Netzwerk

Das sagt das PatientInnen-Netzwerk:

Julia Gakstatter, PatientInnen-Netzwerk NRW.
Julia Gakstatter, PatientInnen-Netzwerk NRW. © Der Paritätische NRW | Lars Hammesfahr

Nach Einschätzung von Julia Gakstatter vom PatientInnen-Netzwerk NRW sei die „Praxis der Bevorzugung“ Privatversicherter nach „wie vor gängig“, da dies lukrativer sei.