Menden. Angesichts düsterer Prognosen: Die Stadt Menden soll mehr tun, um junge Hausärzte anzulocken. Der Blick auf einen längst hart umkämpften Markt.
Die Versorgung Mendens mit Hausarztpraxen liegt augenblicklich nur knapp unter dem Soll, doch wenn die Stadt nichts tut, die Aussichten sind langfristig eher düster. Nicht nur, weil 14 der 27 Hausärzte heute älter als 60 Jahre sind, vier sogar über 70. Was aber auf längere Sicht viel wichtiger ist: Die heutige Praxen-Struktur in Menden entspricht überhaupt nicht dem, was in Zukunft gefragt ist.
Kaum Ärztinnen, wenig Anstellungsmöglichkeiten, Teilzeit noch ein Fremdwort
Beispiele: Heute sind 70 Prozent der Medizinstudenten weiblich, in Menden gibt es gerade mal sieben Hausärztinnen. Junge Ärztinnen und Ärzte suchen heute zumeist eine Anstellung oder eine Gemeinschaftspraxis. In Menden führen drei Viertel der Hausärzte ihre Praxen noch selbstständig – und suchen entsprechende Nachfolger. Teilzeit ist für Hausärzte in Menden aktuell kaum ein Thema, ist aber künftig stark gewünscht. „Menden hat also überhaupt nicht das, was der medizinische Nachwuchs nachfragt, wenn er in den Beruf gehen will“, stellte Marco Luzius fest.
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Luzius leitet im Geschäftsbereich „Sicherstellungspolitik und -beratung“ bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) das Referat „Strategische Projekte“ – und mahnte die Politiker im jüngsten Sozialausschuss, dass sich die Stadt Menden zur Gewinnung von Nachwuchs nicht allein auf die zahlreichen Maßnahmen der KVWL verlassen dürfe. Menden müsse auch selbst aktiver werden.
Andere Städte zahlen Prämien an ansiedlungswillige Mediziner oder Headhunter
Die Crux mit der Statistik
Die Hand auf der heißen Herdplatte, den Fuß im Eiswasser – statistisch gesehen geht es dem Patienten damit gut. Ähnlich verhält es sich für Menden bei der Facharzt-Versorgung, die als hervorragend gilt, so lange es genug Fachärzte in der Region gibt.
Hinzu kommt, dass Menden gemeinsam mit Balve als „Mittelbereich“ geführt wird. Balve hat bei den Hausärzten einen Versorgungsgrad von 151,7 Prozent, ein „sehr, sehr guter Wert“, sagt der KVWL-Vertreter Marco Luzius. Menden liegt nur bei 78,5 Prozent – und liegt damit hart an der Unterversorgung, die bei 75 Prozent oder schlechter liegt. Gemeinsam schafft man als Mittelbereich aber einen guten Wert von 91,4.
Luzius wurde hier sehr konkret. Nachbarstädte wie Neuenrade zahlten schon regelrechte „Kopfprämien“, wenn sich ein junger Mediziner dort als Hausarzt niederlässt. Sogar an Vermittler von Medizinern würden längst „Headhunter“-Prämien bezahlt – wie an Berater von Bundesliga-Profis. Der Kreis Borken fahre eine große Kampagne zur Nachwuchsgewinnung: „Dort lädt man Studentinnen und Studenten zu einem Blockpraktikum mit Rahmenprogramm ein, samt grünem Smart zur Fortbewegung und Treffen mit niedergelassenen Ärzten aus der Region.“
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Lage oder Espelkamp bauen Ärztehäuser über Investoren, um jungen Medizinern dort Kooperationen baulich zu ermöglichen. Die Kommunen flankierten das Ganze dann mit ausreichend Parkplätzen und der Haltestelle vor der Haustür. Vielerorts kümmere man sich längst auch um Kita-Plätze für die Kinder oder die Jobsuche für die Lebenspartner der Ärztinnen und Ärzte. Zudem gebe es allerlei Zuschüsse – zu Mieten, Sanierungen oder Fahrtkosten.
Viele Fördermöglichkeiten, aber keine Patentrezepte
Vieles davon ziehe tatsächlich, Patentrezepte gebe es aber nicht, berichtete Luzius. Allerdings könne man sich an einer Liste von Maßnahmen orientieren. Die sieht vor, dass Städte und Kreise
- feste Ansprechpartner für Ärzte als „Kümmerer“ festlegen,
- Kontakt zu niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten halten, um von Praxisaufgaben rechtzeitig zu erfahren,
- Kontakte zu heimischen Medizinstudenten halten, um mögliche Nachfolger im Blick zu haben,
- zeitgemäße Praxisräume an geeigneten Standorten vorhalten,
- Unterstützung bei Wohnungssuche, Jobsuche der Partner oder der Kinderbetreuung leisten,
- Kostenzuschüsse zahlen,
- Stipendien ausloben, was im MK allerdings seit Jahren geschieht,
- Kooperationen baulich ermöglichen,
- Kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVAs) einrichten und
- alle lokalen Akteure dafür ins Boot holen.
Bei Fachärzten gilt Menden als gut versorgt, auch wenn man in Nachbarstädte muss
Bei den Fachärzten sehe es für Menden deutlich besser aus als im Hausarztbereich. Das liege allerdings auch daran, dass hier der Radius viel größer gefasst sei. So gilt Menden bei Kinderärzten statistisch als gut versorgt, weil es in anderen MK-Städten genug Fachmediziner gibt. Das rief im Sozialausschuss sofort Protest hervor. So erklärte Markus Werny, selbst Vater zweier Kinder (4 und 6 Jahre): „Von wegen gut versorgt! Wir müssen wegen jeder Kleinigkeit zum Kinderarzt – und jedesmal nach Hemer.“