Menden. Martin Smith (63) ist privat der Mann fürs Kreative. Bei den Stadtwerken erfasst er akribisch jede Mendener Leitung – ein Beruf mit Ablaufdatum.

Da will man kein Baggerfahrer sein. Unter der Hauptstraße wimmelt es nur so von Leitungen. Wasser, Abwasser, Strom, Straßenbeleuchtung – und mittendrin noch Glasfaser. Martin Smith kann das auf seinem Monitor in der Stadtwerke-Zentrale alles sehen, ohne die Fußgängerzone tatsächlich aufbuddeln zu müssen. Für die Stadtwerke erfasst er nicht weniger als den kompletten Mendener Untergrund in digitalen Karten. Es ist ein moderner Beruf, aber auch ein Job mit einem gewissen Ablaufdatum. Die modernen GIS werden zum Standard.

Martin Smith wirft einen Blick auf die alten Schränke mit den Tuschezeichnungen, die nicht mehr benötigt werden.
Martin Smith wirft einen Blick auf die alten Schränke mit den Tuschezeichnungen, die nicht mehr benötigt werden. © Westfalenpost | Arne Poll


Die Zeit drängt ein wenig. Bis zum nächsten Jahr will der 63-Jährige mit der Straßenbeleuchtung durch sein. „Das muss ich dann drin haben. Da sollen sich die Neuen nicht mehr einarbeiten“, sagt Smith. Pünktlich zum bevorstehenden Ruhestand im kommenden Jahr soll es kein Erdkabel und keine Leuchte mehr geben, die nicht mit wenigen Mausklicks abrufbar wären. Martin Smith schmunzelt. Das will er schaffen.

GIS – Geo-Informations-Systeme erfassen jede Leitung im Stadtgebiet Menden

GIS – Geo-Informations-Systeme ist das Schlagwort. Die modernen Datenbanken machen der Menschheit das Leben leichter. Baufirmen oder Architekten sollen sich künftig schnell und günstig anzeigen lassen, was wo im Boden verbuddelt ist. Wo liegt das Erdkabel, das verlängert werden soll? Wo ist die Wasserleitung, die umgelegt werden muss? Wo darf auf gar keinen Fall gebaggert werden, weil dort Gas durchs Rohr fließt? Martin Smith und seine Kollegen machen das erfahrbar. Denn die Karten sind nicht einfach so da.


Smith ist wahrlich kein Unbekannter in Menden. Der gebürtige Brite mit dem sympathischen Akzent ist quasi Vorzeige-Kreativer. Er zeichnet Karikaturen, spielt auf der Bühne für Kinder und macht Kabarett. „Aber man muss auch Geld verdienen“, sagt er. Seinen echten Job kennen nur engere Bekannte. Bei der Arbeit am Computer ist Kreativität weniger gefragt. Stück für Stück überträgt der Familienvater akribisch Leitung für Leitung, sichtet Kabeltypen und Rohrquerschnitte. Per Klick sind Zusatzinformationen zu Muffen und Flanschen zu haben, oft millimetergenau. Aber das muss natürlich alles eingegeben werden.


Die Arbeit ist viel mehr als ein Scannen von alten Karten. „Wir müssen alles neu erfassen.“ Draußen sind Kollegen mit GPS-Geräten unterwegs. Oft kommen Anrufe von Handwerkern. Was ohnehin geklärt wird, wird auch gleich im System vermerkt. „Die Leute meinen meist ich sitze hier immer ganz alleine. Aber ich habe viel Kontakt nach draußen.“

Digitalisierung der Karten läuft seit 2007 – jetzt kommt der Rest dran

Das sind die ältesten Schätze: Zu sehen sind alte Pläne von 1924. 
Das sind die ältesten Schätze: Zu sehen sind alte Pläne von 1924.  © Westfalenpost | Arne Poll


Smith hat selbst noch mit alten Tuschezeichnungen angefangen. Die hängen noch drei Räume weiter und sehen aus wie gedruckt. „Das ist eher was fürs Museum“, sagt Smith. So mühsam wie früher muss sich hier niemand mehr durch das Material arbeiten. Das älteste Buch ist von 1924 – und längst digitalisiert. „Der Papierkrieg ist weg“, sagt Smith. Seit 2007 läuft die Digitalisierung von Menden. „Das ist jetzt noch der letzte Rest.“

Smith hat technischer Zeichner gelernt. Das ist aber schon sein zweiter Beruf. Früher war er KFZ-Mechaniker bei der British Army. „Da unten ist die Werkstatt“, sagt er und zeigt aus dem Fenster am Papenbusch. Wo früher die Kaserne „Northumberland Barracks“ war, sind heute längst die Stadtwerke. Nach der Rückkehr nach England wollte er nach Australien auswandern. „Auf dem Weg bin ich über Menden, um mich zu verabschieden. Da hab ich meine Frau kennengelernt.“ So viel sei verraten: Aus Australien wurde nichts.

Martin Smith sagt über seinen Beruf: „Ich bin ein Dinosaurier“

Smith digitalisiert mit seinem Team in GIS alle Leitungen von Menden. Auf dem Monitor lassen sich sämtliche Leitungen einblenden.
Smith digitalisiert mit seinem Team in GIS alle Leitungen von Menden. Auf dem Monitor lassen sich sämtliche Leitungen einblenden. © Westfalenpost | Arne Poll


„Ich bin ein Dinosaurier“, sagt Smith. Menden wird bald voll digital sein. Sein Beruf wird trotzdem nicht aussterben. Selbst wenn alles eingegeben ist, gibt es neue Bauprojekte. Immer muss etwas ergänzt, verändert und gestrichen werden. „Wir expandieren sogar“, sagt Smith lachend über seine Abteilung. Neue Leitungen wie die der Telemark müssen ins System. Als Nutzer der Karten denkt man da kaum drüber nach.


Bei der Straßenbeleuchtung arbeitet sich Smith übrigens nicht Stadtteil für Stadtteil vor. Er folgt den Punkten bereits verzeichneter Laternen, sucht dann Kabelverläufe, folgt Straßen und Linien. In der Innenstadt sind noch ein paar Lücken an den Wällen. Die sind schnell zu schließen. Smith will ja beruhigt in den Ruhestand gehen.

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