Menden. Immer seltener finden Jugendliche keinen Ausbildungsplatz, dennoch bleiben auch viele Stellen frei. In Menden waren es im 2019 36 freie Stellen.

Eigentlich ist Philipp Koke ein schlechtes Beispiel. Im August 2019 meldet sich der 18 Jahre alte Mendener bei der Agentur für Arbeit. Er sucht einen Ausbildungsplatz. Was er werden möchte, ist ihm schon klar: KFZ-Mechatroniker. Nur wenige Wochen später findet er einen Platz, um seinen Wunschberuf zu lernen. So wie ihm geht es aber nicht vielen jungen Erwachsenen, die noch nicht ganz wissen, was sie beruflich einmal werden möchten. Auf der anderen Seite bedeutet das auch für Unternehmen eine gewisse Unwägbarkeit, ausgeschriebene Stellen zu besetzen.

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36 Ausbildungsstellen sind im Oktober 2019 in Menden noch unbesetzt gewesen. „Aus dem Stellenmarkt ist ein Bewerbermarkt geworden“, sagt Helmut Unnasch von der Agentur für Arbeit. Der Berufsberater geht in Schulen und informiert die Schüler über Möglichkeiten zum Einstieg in das Berufsleben. Eine Maßnahme, die vor zehn Jahren nicht notwendig erschien, heute aber unerlässlich geworden ist, um Betriebe und Schüler miteinander ins Gespräch zu bringen.

Vorurteile stehen oft im Weg

Früher, dass weiß auch Konstantina Kourou-Scholand, war das einfacher. „Ich erinnere mich noch, dass ich vor ein paar Jahren noch auswählen konnte. Die Bewerbungen waren unzählig“, sagt die Inhaberin der Haargalerie Kourou in der Mendener Bahnhofsstraße.

Zahlen rund um den Ausbildungsmark im Kreis

Im vergangenen Oktober waren bei der Agentur für Arbeit in Iserlohn insgesamt 3169 Ausbildungsstellen gemeldet. Damit standen 25 Plätze weniger zur Verfügung, als noch ein Jahr zuvor.

In Menden und Balve wurden 410 Ausbildungsplätze angeboten. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 13 weniger gewesen.

Von diesen ausgeschriebenen und gemeldeten Ausbildungsangeboten blieben 36 unbesetzt – ein Jahr zuvor waren es noch 45.

Beliebt sind die Ausbildungen zum Industriekaufmann oder zum medizinischen Fachangestellten.

Unbeliebt sind bei Bewerbern das Friseur-Handwerk oder die Ausbildung zum Verkäufer.

Heute wartet sie vergeblich auf Anschreiben und Lebensläufe. Wobei sich die Chefin selbst darum kümmert, das sich der Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung bei ihr lohnen: Ein freier Parkplatz, vermögenswirksame Leistungen und weitere Extras gehören dazu, um Azubis in ihren Betrieb zu locken.

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Das mangelnde Interesse liege unter anderem an beruflichen Vorurteilen. Zum einen gehört das Friseurhandwerk zu den unbeliebtesten Ausbildungsberufen. „Das liegt in meinen Augen an der Bezahlung und dem damit verbundenen schlechten Ruf“, sagt Kourou. 210 DM habe sie damals im ersten Jahr ihrer Ausbildung verdient. Das war vor 41 Jahren. Heutzutage sind es 600 Euro. Im vergangenen Oktober wurde eine verbindliche Regelung bezüglich des Ausbildungsendgeldes im Friseurhandwerk beschlossen.

Oft mangelt es an Basics

Geld allein macht niemanden glücklich. Zumindest nicht, wenn es um die Berufswahl geht. „Es ist schwieriger geworden, gutes Personal zu finden“, sagt auch Helmut Unnasch. Oft fehle es bei Bewerbern an Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. „Heutzutage kennen die Jugendlichen ihre Rechte sehr gut, ihre Pflichten hingegen sind ihnen nicht bekannt“, sagt Uwe Kreitz von der „inab“, der Ausbildungs-und Beschäftigungsgesellschaft des Berufsfortbildungswerkes.

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Manche, so berichten Kreitz und Unnasch, hätten Schwierigkeiten mit dem Einhalten von Terminen. Die inab hilft Jugendlichen, die Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz benötigen. Kreitz berichtet, wie erschrocken er manchmal über Bewerbungen ist, die ihm die jungen Erwachsenen einreichen. Bei einigen fehle es an Ausdrucksvermögen, andere hingegen hätten überhaupt kein Bewusstsein dafür, was in eine Bewerbung muss. Die inab unterstützt dann, fördert und fordert dabei die Suchenden.

Unternehmen müssen selbst suchen

Ein Fall wie der von Philipp Koke ist nicht selbstverständlich und eher die Ausnahme der Regel. Handwerk habe ihn schon immer interessiert, sagt der Mendener. „Ich hätte aber nie eine Initiativbewerbung geschickt“, so Koke. Denn sein jetziger Ausbildungsbetrieb suchte zu diesem Zeitpunkt gar keinen Azubi.

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Irgendwann aber meldete sich Uwe Kreitz bei Markus Grüner von BMW Procar. Als Serviceleiter ist er für den Bereich Ausbildung zuständig. „Wir waren begeistert und sind es bis heute immer noch“, sagt Grüner. Ohne die inab hätten Koke und das Unternehmen wohl nicht zueinander gefunden. Was in diesem Fall glücklich endete, ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr.

In ganz Deutschland blieben im Oktober 2019 knapp 25.000 Bewerber ohne Ausbildungsplatz, was angesichts von 53.137 unbesetzten Stellen verwunderlich klingt. Nicht alle Berufe sind derzeit gleich stark frequentiert. Die Ausbildung zum Industriekaufmann zum Beispiel gilt als einer der beliebtesten. „Generell kann man sagen, dass die kaufmännischen Berufe sehr stark nachgefragt werden, während das Handwerk oft zu kämpfen hat“, sagt Helmut Unnasch von der Bundesagentur.

Jeder Fall individuell zu betrachten

Die Vermittlung von Jugendlichen und Unternehmen ist aber nicht mit einer einzigen Maßnahme zu lösen. „Wir müssen jeden Fall individuell betrachten“, sagt Uwe Kreitz von der inab. 70 bis 75 Prozent der von der Agentur für Arbeit an die inab vermittelten Berufssuchenden starten in eine Ausbildung. Natürlich gäbe es auch spezielle Fälle, bei denen die Vermittlung nicht gelingt. Wo keine Eigeninitiative ist, hilft auch keine Unterstützung.

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Bei Philipp Koke hat die Eigeninitiative dazu geführt, dass er nun den Beruf lernt, den er sich gewünscht hat. Am Ende ist der Mendener damit dann doch ein gutes Beispiel – nämlich dafür, dass eigenes Engagement samt Unterstützung Dritter zum Ziel führen kann.

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