Menden. Norbert Klauke, Leiter des Mendener Stadtarchivs, geht in den Ruhestand. Sein Nachfolger Stephan Reisloh setzt ebenfalls auf das offene Archiv.

Es gibt wohl kaum ein größeres Ereignis in Menden, an das er sich nicht erinnert. Und zu dem er binnen kürzester Zeit Texte und Fotos raussuchen kann. Am morgigen Dienstag, 11. Februar, hat Norbert Klauke, Leiter des Stadtarchivs und damit das Gedächtnis Mendens, seinen letzten Arbeitstag. Daran schließen sich einige Tage Resturlaub an, bevor der 63-Jährige in den Ruhestand geht.

Menden als Vorreiter dabei

47 Jahre war der Mendener in den Diensten der Stadt, seit 1984 im Stadtarchiv. Zuvor war er beispielsweise in der Kämmerei, im Ordnungs- und im Sozialamt tätig. „Am 1. November 1984 bin ich dann ins Archiv gewechselt“, erinnert er sich. Seither hat sich viel getan. „Von den damaligen Chefs hieß es, Computer brauchen wir nicht im Archiv“, blickt Norbert Klauke zurück. Er sah das anders, und als die ersten Archivierungsprogramme auf den Markt kamen, war Menden als Vorreiter mit dabei: „Wir haben die früh genutzt und mit Ideen bei der Entwicklung geholfen“, sagt Norbert Kauke.

Das Stadtarchiv als riesige Schatztruhe

Seit gut einem Monat hat sich Stephan Reisloh quasi nebenbei schon mal tageweise in sein neues Aufgabengebiet als Stadtarchivar eingearbeitet – parallel zu seinen Aufgaben beim Immobilienservice.

In den kommenden Wochen und Monaten will er sich ein Netzwerk aufbauen und an verschiedenen Fortbildungen teilnehmen. „Das ist mir wichtig, ich muss da jetzt noch weitere fachliche Grundlagen legen.“

Bei der Stadt Menden arbeitet der Mendener Stephan Reisloh seit 1985 – abgesehen von einer Studienauszeit, nach der er aber wieder zur Stadtverwaltung zurückkehrte. Im Laufe der Jahrzehnte war er beispielsweise in der Rentenstelle, im Bürgermeisterbüro und in der Umweltabteilung tätig. Zuletzt war der Landschaftsarchitekt im Immobilienservice. Die Projekte, die er dort angestoßen hat, wird er nun parallel zur Arbeit als Archivar beenden: „Da geht es um Erneuerungen und Anschaffungen bei Spielplätzen und um Baumaßnahmen von Zäunen.“

An Stadtgeschichte interessiert ist Stephan Reisloh seit vielen Jahren: „Das ist mein großes Hobby – deutsche, westfälische und Mendener Geschichte“. Zudem ist der Mendener seit fast 20 Jahren als Stadtführer aktiv. „Wenn man einmal im Archiv Blut geleckt hat, dann ist das, was Norbert Klauke aufgebaut hat, eine riesige Schatztruhe.“ Jetzt gelte es für ihn, sich eine Übersicht zu verschaffen: „Das A & O ist das Bestandswesen. Also: Was ist da und wo finde ich das“, formuliert Stephan Reisloh seine Ziele.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden im Stadtarchiv 550.000 Überschriften zu den verschiedensten Themen verschlagwortet. Darüber lassen sich ruckzuck die entsprechenden Texte (auf Mikrofilm) finden. Langfristig sollen die Mikrofilme digitalisiert werden – „das ist dann eines meiner größten Projekte“, sagt Klaukes Nachfolger Stephan Reisloh und fügt hinzu: „Das ist aber sicher auch eine Kostenfrage.“

Zehntausende Fotos digitalisiert

Wird es nach Einschätzung des scheidenden Stadtarchivars Norbert Klauke denn auch in Zukunft noch Papier im Archiv geben? Oder braucht man das mittelfristig nicht mehr? „Papier wird es immer geben – alleine aus Beweisgründen“, sagt Norbert Klauke. „Alles, was nur digital vorliegt, ist fälschbar.“

Bereits digitalisiert wurden in den vergangen Jahren 60.000 bis 80.000 Fotos, erklärt Norbert Klauke: „Und die habe ich alle im Kopf.“

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Von Heinz-Jürgen Czerwinski

Massenakten werden irgendwann vernichtet

Zu den Aufgaben eines Archivars gehört auch die Entscheidung darüber, was überhaupt aufbewahrt werden soll. „Es gibt so genannte Massenakten, das sind zum Beispiel Unterlagen aus dem Sozialamt und aus dem Steuerwesen. Die werden eine Zeitlang aufbewahrt und danach wird entschieden, was vernichtet wird“, erklärt Norbert Klauke. So hebe er bei diesen Massenakten exemplarisch Unterlagen zu den Namen mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben auf, die übrigen werden nach der vorgeschrieben Aufbewahrungszeit vernichtet.

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Eine wichtige Eigenschaft, die aus Norbert Klaukes Sicht für einen Stadtarchivar unabdingbar ist: „Er muss vor Ort leben.“ Nur dann könne ein Archivar entscheiden, „was vor Ort wichtig ist, was die Menschen bewegt und interessiert“.

Selbst mit der Videokamera dabei

Bei vielen Großereignissen war Norbert Klauke selbst mit der Videokamera dabei, um die Eindrücke für die Nachwelt festzuhalten – „der Besuch von Gorbatschow in Menden, die große Typisierungsaktion für Fia Zimmermann, Großbrände, zu denen ich nachts rausgefahren bin“, zählt er auf.

Auch über Nachlässe von Mendenern oder Unterlagen, die von Bürgern ins Archiv gebracht werden, hat sich Norbert Klauke oft gefreut. Sein Nachfolger Stephan Reisloh sieht das genauso. „Die Leute wissen manchmal gar nicht, welche Schätze sie wegwerfen“, sagt Stephan Reisloh. „Man kann alles nur einmal wegwerfen. Und das machen wir im Zweifel lieber im Stadtarchiv selbst“, ergänzt Norbert Klauke.

Seit jeher hat der Platte Heider das Konzept eines offenen Stadtarchivs gefördert. „Wir freuen uns, wenn Bürger zu uns kommen und hier zum Beispiel recherchieren“, sagt Norbert Klauke. Etwa Schüler, die für ein Referat Unterlagen suchen, Familienforscher oder Wissenschaftler, die nach bestimmten Themen das Archiv durchforsten. Die meisten Leistungen sind für Besucher kostenfrei: „Nichts hält den Bürger mehr fern als Geld, das er bezahlen soll“, weiß Norbert Klauke. Das will Stephan Reisloh fortsetzen: „Wir sind ein offenes Archiv.“ So werden auch weiterhin private Führungen durch das Stadtarchiv kostenfrei angeboten.

Viele Reisen mit dem Wohnmobil

„Ein bisschen komisch ist das schon“, beschreibt Norbert Klauke sein Gefühl, nach so vielen Jahren bald nicht mehr tagtäglich zu seinem Arbeitsplatz am Westwall zu gehen. „Aber gleichzeitig freue ich mich auch auf die neuen Aufgaben.“ Welche neuen Aufgaben liegen denn im Ruhestand vor ihm? „Die To-do-Liste meiner Frau wird immer länger“, schmunzelt Norbert Klauke. Neben mehr Zeit mit seiner Familie und seinem Hund freut sich Norbert Klauke vor allem auf Fahrten mit dem Wohnmobil: „Nordsee, Ostsee, Atlantik – da haben wir schon viele Pläne.“