Menden. Jahrelang hortet ein Mendener Waffen eines Freundes. Plötzlich stirbt dieser. Mit einer Ex-Freundin entbrennt ein Rennen um die Waffenamnestie.

Wann gilt eine Waffenamnestie? Dieser Frage ist nun das Amtsgericht Menden nachgegangen. Denn ein 61-jähriger Mendener hatte über Jahre Waffen von einem Bekannten gelagert, der aber im Laufe der Zeit verstarb. Im Januar 2018 zeigte die Ex-Freundin des Mendeners ihn schließlich wegen illegalen Waffenbesitzes an. Vor allem bei der Polizei offenbarte die Verhandlung einen ambivalenten Umgang mit gemeldeten Schusswaffen.

Auf Schrank gelagert

Im Januar 2018 wurde der 61-Jährige von seiner damaligen Lebensgefährtin aus der gemeinsamen Wohnung geschmissen, lebte zwischenzeitlich im Auto nahe der Wohnung. Dabei kamen – seit langem – auch die Waffen des inzwischen verstorbenen Bekannten zur Sprache. Der 61-Jährige wollte sie daraufhin bei der Polizei melden. Denn zu diesem Zeitpunkt galt noch eine Waffen-Amnestie, also eine Straffreiheit für die Abgabe von illegalen Schusswaffen. Laut Anklage habe der Mendener eine doppelläufige Schrotflinte, ein Kleinkalibergewehr, zwei weitere Gewehre sowie Schrotmunition auf einem Schrank gelagert.

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Vor Jahren habe ihm ein Bekannter die Gewehre zur Aufbewahrung überlassen – diese aber vor seinem Tod nie abgeholt. So habe der 61-Jährige die Waffen auch bei einem Umzug mitgenommen, dann aber nicht weiter darüber nachgedacht. Als sich die Trennung von seiner Freundin anbahnte, habe er der Polizei schließlich mehrfach gemeldet, illegal Waffen zu besitzen. Doch dabei sei er nicht ernst genommen worden, später dann von der Mendener Wache an die Dienststelle Iserlohn verwiesen worden. Dass er die Gewehre besessen habe, bestreitet der Angeklagte derweil nicht. Der ausschlaggebende Punkt war schließlich eine Anzeige der Verflossenen. „Er kam nicht in den Genuss der Amnestie durch die Aussage der Ex-Freundin. Es ist ein Wettlauf um die Amnestie gewesen“, so der Verteidiger. Denn auch die frühere Lebensgefährtin habe von den Gewehren gewusst. Selbst einem Hinweis des Angeklagten wenige Tage vor dem Fund der Waffen an die Beamten sei nicht nachgegangen worden.

Abgabe ist in jeder Dienststelle möglich

Zwischen dem 1. Juli 2017 und 1. Juli 2018 boten die Behörden die Möglichkeit, im Rahmen einer Waffenamnestie Munition und Waffen straffrei abzugeben. Zuständig für Waffen- und Munitionsangelegenheiten ist eine Abteilung bei der Kreispolizeibehörde in Iserlohn.

Abteilungsleiter Volker Kettler erklärt, dass etwa zwei- bis dreimal pro Woche Waffen bei den Asservaten landen. Allerdings könne man Gewehre, Pistolen und Co. auch bei jeder Dienststelle abgeben. Diese würden turnusmäßig von einem Kurier abgeholt, in Iserlohn gelagert und schlussendlich beim Landesamt für polizeiliche Dienste in Wuppertal in die Schrottpresse gegeben. „Schwerpunktmäßig sind das Langwaffen oder Repetiergewehre für die Jagd“, sagt Kettler. Doch nur weil man beispielsweise beim Entrümpeln im Keller Waffen von verstorbenen Verwandten findet, macht man sich nicht strafbar – solange sie umgehend bei der Polizei gemeldet werden. „Wir sind froh über jeden, der seine Waffen abgibt“, sagt Kettler.

Die Häufigkeit, in der Gewehre und Pistolen abgegeben werden, ist dabei gleichbleibend – außer bei einem Erlass wie der Amnestie, betont Kettler. Rund 90 Prozent der Menschen, die „ein Bedürfnis für einen Waffenschein“ haben, seien Jäger oder Mitglieder aus Schützenvereinen.

Auf der Internetseite des Märkischen Kreises können unter dem Begriff „Waffen- und Munitionsangelegenheiten“ diverse Anträge zu „kleinen Waffenscheinen“ und Waffenbesitzkarten eingesehen werden.

Die Polizisten, die auch im Rahmen eines Wortgefechts an der Wohnung schlichten mussten, können sich derweil an keine Vorfälle erinnern. Eine Beamtin der Mendener Wache, die sich an keinen Einsatz aktiv erinnern kann, kann keine Angaben zum Fall machen. Lediglich „interne Protokolle“ gäben Hinweise auf einen Einsatz, nicht aber über gemeldete Waffen. „Und warum darf ich diese internen Protokolle nicht sehen?“, will die vorsitzende Richterin wissen. Diese, so sagt die Beamtin aus, würden nie in die Ermittlungsakten gegeben.

Beweislast aufseiten des Staates

Ob sie Hinweisen auf Waffen nicht nachgingen, will die Richterin nach und nach von den geladenen Beamten erfahren. „Wir werden tätig und gehen dem Vorfall nach“, sagt einer der Polizisten. Gleichzeitig erklärt ein anderer Beamter, dass in den Abendstunden auch erst einmal ein Richter oder Staatsanwalt befragt werden müsse, ehe man dem Verdacht nachginge. Es hänge zudem davon ab, wie ernst die Beamten den Hinweis nähmen. Und auch, dass der 61-Jährige von der Mendener an die Iserlohner Wache (siehe Zweittext) verwiesen worden sei, sei möglich. Für die Richterin unbegreiflich, denn schließlich seien alle Dienststellen angehalten, illegale Waffen entgegenzunehmen.

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Die Staatsanwaltschaft sieht die eigentlichen Vorwürfe – illegaler Waffenbesitz – bestätigt und forderte eine Geldstrafe von 3200 Euro. „Man kann nicht darauf schließen, dass die Polizei nicht allen Hinweisen nachgeht“, erklärt die Staatsanwältin. Für den Verteidiger sei es auf ein „Wettrennen“ zwischen Angeklagtem und seiner Ex-Freundin bei der Waffen-Amnestie hinaus gelaufen; schlussendlich könne man nicht das Gegenteil beweisen.

Am Ende lautete das Urteil: Freispruch. „Die Beweislast liegt aufseiten des Staates, die Einlassung zu widerlegen“, erklärte die Richterin. Zwar würden die Beamten sagen, sie nähmen Hinweise auf Waffen ernst, „die Aktenlage steht da aber im Widerspruch“ – und auch die Protokollierung lasse zu wünschen übrig.

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