Menden/ Arnsberg. . Eine Polizistin hat beim Prozessauftakt zum Überfall auf ein Rentner-Ehepaar an der Thüringenstraße dramatische Szenen geschildert.
„Ich habe den Schock meines Lebens gekriegt“, sagt die Polizeibeamtin, die nach dem Überfall auf ein Rentnerehepaar an der Thüringenstraße vor zwei Jahren als erste am Tatort eintraf. Es ist der erste Verhandlungstag vor der zweiten Großen Strafkammer als Schwurgericht am Landgericht Arnsberg. Und der fördert bereits das ganze Ausmaß der unfassbaren Tat in der Nacht vom 24. auf den 25. November 2016 ans Tageslicht.
Wunden am ganzen Körper
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Sie habe, so sagt die Polizeibeamtin aus, schon viel gesehen in ihrer Dienstkarriere, doch das gefesselte und geknebelte Ehepaar in der Thüringenstraße zu finden sei mit Abstand „das schlimmste gewesen, was ich je gesehen habe“. Ihr falle es auch fast auf den Tag genau zwei Jahre nach der Tat schwer darüber zu reden. Als sie und ihr Kollege – von den Nachbarn alarmiert – kurz vor Dienstende am Tatort eintreffen, beschlich sie bereits ein eigenartiges Gefühl. Zunächst seien die Beamten auf das Kellerfenster aufmerksam gemacht worden. Die Gitterstäbe waren zersägt, die Scheibe eingeschlagen.
Sofort brechen sie und ihr Kollege die Eingangstür auf. Intuitiv, so sagt die Mendener Polizistin, sei sie nach oben gegangen, in Richtung Schlafzimmer. Was sie dann entdeckt, verschlägt dem einen oder anderen Prozessbeobachter die Sprache. Die Frau habe nur mit einem Nachthemd bekleidet auf der Bettkante gelegen.
„Ich dachte, der Mann sei verstorben“
„Sie war massiv geknebelt. Ich hätte nicht gedacht, dass sie noch lebt“, sagt die Polizeibeamtin. Plötzlich habe sie noch eine weitere Person auf der anderen Seite des Bettes im dunklen Schlafzimmer entdeckt. Der Mann, ein über 80 Jahre alter Rentner, lag nur mit einem Oberteil bekleidet auf dem Boden. „Ich dachte, der Mann sei definitiv verstorben.“
Es habe den Eindruck gemacht, als ob er schon mehrere Tage auf der Erde gelegen habe. Hände und Füße seien stark geschwollen gewesen, die Kabelbinder hätten „ins Fleisch geschnitten“. Zudem seien Gesichter und Oberkörper der Mendener mit blauen Flecken übersät gewesen. Die Polizeibeamtin ist sicher: Hätten die Nachbarn nicht eingegriffen, wäre das Ehepaar kurze Zeit später tatsächlich verstorben.
Tisch fürs Frühstück gedeckt
Parallel zu den Beamten kümmert sich eine RTW-Besatzung um die Versorgung der Eheleute. Für die Beamtin hat sich seit dem Einsatz eine Frage eingebrannt: „Wieso muss man Menschen, die sich eh nicht wehren können, so quälen?“
Im Haus habe sich den Beamten ein bizarres Bild geboten. „Es sah aus, als ob nichts passiert wäre“, sagt die Polizistin. Der Tisch in der Küche sei bereits für das Frühstück am nächsten Morgen gedeckt gewesen. Erst nach dem Überfall habe sich herausgestellt, dass der Mann seine an Demenz erkrankte Ehefrau Tag für Tag liebevoll gepflegt habe.
Angeklagter schweigt zur Tat
Der 35-jährige mutmaßliche Täter aus Serbien nimmt die Aussagen der Polizisten regungslos auf. Hin und wieder beugt er sich zu seiner Dolmetscherin, um die Übersetzung genauer zu verstehen. Seit seiner Festnahme im Mai dieses Jahres sitzt der Belgrader in der JVA Hamm in Untersuchungshaft. Am Landgericht Arnsberg ist er nicht nur wegen des brutalen Überfalls auf das Mendener Ehepaar angeklagt, sondern wegen eines weiteren Einbruchs im Dezember 2016 in Fürth. Diesen Einbruch, bei dem er rund 20.000 Euro, Uhren und Schmuck erbeutet haben soll, räumt er zu Prozessbeginn umfassend ein.
Zu den Taten in der Hönnestadt schweigt er bislang. Das Oberlandesgericht Hamm hat zuletzt einem Auslieferungsantrag nach Belgien wegen weiterer Straftaten zugestimmt. Auch dazu wollte der 35-Jährige zunächst keine Angaben machen. „Wir wollen dem Prozess nicht vorgreifen“, gibt sein Verteidiger Dr. Klaus Kirchner zu Protokoll.
Prozess wird am 6. Dezember fortgesetzt
Insgesamt sind sechs Verhandlungstage am Landgericht Arnsberg angesetzt. Am 6. Dezember soll es mit Aussagen von Polizeibeamten aus Fürth zur Beute weiter gehen. Das Mendener Opfer, das ebenfalls geladen ist, kann aus gesundheitlichen Gründen zunächst nicht am Prozess teilnehmen. Stattdessen wolle seine Tochter, die den Prozessauftakt mitverfolgt, zum Zustand ihrer Eltern aussagen.