Olpe. Besonderer Ausstand für den Mann, der das Gedächtnis der Kreisstadt Olpe im Wesentlichen aufgebaut hat. Freude über Erhalt der Stelle.
Josef Wermert ist Überraschungen gewöhnt. Als Archivar kommt es im Alltag praktisch ständig vor, dass er Akten in die Hände bekommt, Archivkartons, aber auch Taschen, Umschläge oder Alben, von deren Inhalt er nichts weiß. Doch das, was Dr. Hans-Bodo Thieme nun im Stadtarchiv veranstaltete, war für den erfahrenen Historiker Neuland. Thieme ließ Wermert die Augen verbinden und platzierte eine ganze Reihe von Konfitüre-Gläsern auf Wermerts Schreibtisch, und dann musste Wermert raten. Konnte Wermert mit „Ja“ antworten, ging das Glas an ihn. Für jedes „Nein“ schob Thieme die süße Leckerei zu Dr. Timo Erlenbusch hinüber, der derzeit von Wermert als neuer Archivar der Kreisstadt eingearbeitet wird.
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Die ungewöhnliche Aktion war Teil einer spontanen Abschiedsfeier, zu der Thieme und Dr. Roswitha Kirsch-Stracke neben Wermert auch zahlreiche seiner Wegbegleiter und Kolleginnen und Kollegen eingeladen hatten. Und so oft Josef Wermert bei der Suche auf Flohmärkten, Internet-Auktionen oder in anderen Publikationen Treffer für das Olper Stadtarchiv landete, diesmal scheiterte er. Umso größer seine Freude, als der Überraschungsgast sich als Prof. Dr. Mechthild Black-Veldtrup entpuppte, Direktorin des Staatsarchivs Münster, die den Weg nach Olpe angetreten hatte, um ihrem langjährigen Kollegen ihre Reverenz zu erweisen.
Kreisarchivar Jörg Endris Behrend und die weiteren Archivare der Kommunen im Kreis Olpe, Kreisheimatpflegerin Susanne Falk, Vertreter des Heimatvereins für Olpe und Umgebung, die ehemaligen Archivare Otto Höffer (Attendorn) und Ludwig Burwitz (Siegen), sowie Prof. Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamtes Münster, machten klar, dass Wermert eine Ausnahmeerscheinung unter den heimischen Archivaren ist und er in knapp über 30 Jahren Amtszeit aus kleinsten Anfängen ein weit über die Grenzen Westfalens hinaus bekanntes und geschätztes Stadtarchiv geformt hat – ganz abgesehen von dem, was er an historischen Funden aufgetan hat, die mit der Olper Stadtgeschichte zu tun haben.
Roswitha Kirsch-Stracke, ehemalige Vorsitzende des Kreisheimatbundes, erklärte den Anlass zu der Feier: Sie sei Ausdruck der Freude, dass das von ihr und Thieme angestoßene 16-monatige Engagement zum Erhalt der Archivarsstelle von Erfolg gekrönt worden sei und es dann sogar noch gelungen sei, dass Dr. Timo Erlenbusch wenn auch nur kurz, aber wenigstens überhaupt eine Zeitlang mit Wermert zusammen das Stadtarchiv kennenlernen könne. „Hier im Alten Lyzeum ist nicht nur ein Archiv, sondern ein Treffpunkt für Heimatfreunde, Historiker und Familienforscher entstanden, ein Haus, dessen Tür für unsereins eigentlich immer offen ist, und wenn das mal nicht der Fall ist, dann wussten wir, dass Josef Wermert mal wieder unterwegs ist im Dienste seiner Arbeit“, so die Wendenerin.
Josef Wermert zeigte sich überwältigt. „Das erleichtert mir den Gang in den Ruhestand“, bedankte er sich für die private Initiative zur besonderen Abschiedsfeier, die der offiziellen Verabschiedung durch Bürgermeister Peter Weber vorausging. „Euch gilt mein besonderer Dank für den Erhalt des Olper Stadtarchivs, das wäre ohne euch nicht gelungen“, machte er deutlich, dass ein solches Archiv nur wenig mit Räumlichkeiten und umso mehr mit Menschen, mit Fachleuten zu tun hat, die für dieses Archiv leben. Über die Wahl seines Nachfolgers sei er äußerst froh: „Endlich ist Kontinuität gewährleistet, ich weiß: Es geht weiter.“
Dr. Hans-Bodo Thieme, der viele Veröffentlichungen der Stadtgeschichte verantwortet, lobte in seiner für ihn typischen Weise den scheidenden Archivar als „Trüffelschwein, er kann Dinge aufspüren, die sonst längst verlorengegangen wären“. Leider wisse im benachbarten Rathaus offenbar niemand zu schätzen, was Wermert in 35 Jahren aufgebaut habe. Thieme hatte die Lacher auf seiner Seite, als er Wermert ein Abschiedsgeschenk überreichte, dass dieser in seiner nun freien Zeit sicher gut einzusetzen wisse – im Paket war eine Bohrmaschine verborgen. Axel Stracke sagte namens des Heimatvereins großen Dank für die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit. Der Rucksack, den er Wermert in der Hoffnung überreichte, dieser werde künftig wandern, wird aber wohl anderweitig eingesetzt: Wermert kündigte strahlend an, dieser sei ideal für den Transport von Flohmarkt-Fundstücken geeignet.
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Wie berichtet, hatte die Stadtverwaltung dem Rat vorgeschlagen, mit Wermerts Ausscheiden die Archivarsstelle nicht neu zu besetzen, sondern dessen Arbeit vom neu eingestellten Leiter des geplanten Stadtmuseums miterledigen zu lassen. Kirsch-Stracke und Thieme hatten daraufhin eine Initiative ins Leben gerufen, die in Fachkreisen bundesweit für Aufsehen sorgte. Historiker aus ganz Westfalen und zum Teil weit darüber hinaus wandten sich in Appellen und Aufrufen an die Stadt mit der Bitte, ihrer Verpflichtung nachzukommen und das Archiv mit einer Fachkraft zu besetzen, um dafür zu sorgen, dass das Gedächtnis der Stadt nicht verlischt. Am Ende war diese Initiative erfolgreich; relativ kleinlaut beschloss die Stadt die Streichung des sogenannten „kw-Vermerks“ und fand mit der Person von Dr. Timo Erlenbusch eine engagierte Kraft, die in Wermerts Fußstapfen treten wird.